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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 07.02.1906
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1906-02-07
- Erscheinungsdatum
- 07.02.1906
- Sprache
- Deutsch
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- Saxonica
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1406 Nichtamtlicher Teil. 31, 7. Februar 1906. extenso wieder und gibt uns dann eine Anzahl Beispiele aus älterer Zeit, aus denen wir sehen, daß das Mißtrauen gegen die Bücherentleiher von den Bücherfreunden aller Zeilen geteilt worden ist. Schon der römische Dichter Martial drückt sich in seinem Epigramm an Lupercus in unzweideutiger Weise darüber aus, indem er seinen Freund an die Adresse des Buchhändlers erinnert, der das erbetene Buch (Martials eigene Epigramme) für fünf Denare feil böte. Joseph Scaliger hatte für einen seiner Freunde die gleiche Antwort: »Its oä vsnäsntss!« Unstchern Ursprungs ist das Distichon (CH. Nodier?) »llsl sst Is trists sort äs tont livrs prstö, Lonvsnt il sst xsräu, tonsonrs il sst gätö; von Colletet ist der poetische Vergleich zwischen Buch und Frau (diesmal passen die beiden allerdings zueinander): » . . . Obaonn äs vous w'sst ans ksrmns Hni psnt ss laisssr voir saus blLws Ut ns ss äoit jsmais prtztsr.« Eine amüsante Anekdote berichtet uns Cim vom Straß burger Professor Franyois Genin (1803—1856), der einem seiner Kollegen die ersten beiden Bände einer prächtigen vier bändigen Ausgabe von Tom Jones geliehen hatte. Nach dem er diesem zwanzigmal geschrieben und um Rückgabe der Bände ersucht hatte, ohne auch nur eine Antwort zu er halten, verpackte er die beiden übrig gebliebenen Bände und sandte sie seinem schweigsamen Kollegen mit folgenden Zeilen zu: »Auf diese Weise besitzt wenigstens einer von uns beiden das Werk vollständig. Und das sind Sie, da Sie ja nicht gewollt haben, daß ich es sei, obwohl mir dies als das Natürlichere erschienen wäre.« Diese Sätze sind eines Welt weisen nicht minder würdig als eines Bibliophilen. Auch von Goethe wird behauptet (?), daß er durch Nichtzurück geben geliehener Bücher und Stiche seine Sammlungen zeit seines Lebens vergrößert habe. Der Philosoph und Akademiker Cousin (1792—1867) hat sich trotz aller Be mühungen einflußreicher Freunde geweigert, ein schönes Manuskript von Malebranche dem rechtmäßigen Besitzer zurückzugeben. Als eine dem damaligen Unterrichtsminister an Bedeutung gleichstehende hohe Persönlichkeit als Ver mittlerin betonte, der Besitzer habe doch ein Recht auf sein Manuskript, antwortete der Minister mit größter Seelen ruhe: »Mein lieber L . . ., er hat sein Recht; ich habe meine Passion« — und behielt das Buch. Und endlich sei noch der als Sonderling bekannte holländische Bibliophile Baron Westreenen van Tiellandt (1783—1848) genannt, der seine Bücher (nach Maillard, Iss pÄSsionnös än livrs) nicht nur nie verlieh, sondern auch seinen intimsten Freunden den Zugang zu seiner Bibliothek ausnahmslos verwehrte. Texter berichtet allerdings in weniger exklusiver Weise über Westreenen, der als Vor kämpfer für den Holländer Coster als Erfinder der Buch druckerkunst über die Grenzen seines Landes hinaus bekannt war. Nach diesem Gewährsmann nötigte er die seltenen Besucher seiner reichen und großen Bibliothek nur, über ihre Kleider einen großen Rock anzuziehen, der keine Ärmel und keinerlei Gelegenheit zum Durchstecken der Arme hatte. Welch rührendes Vertrauen! Bei seinem Tode hinterließ er die Bibliothek dem holländischen Staate, der sie der königlichen Bibliothek angliederte; das Prinzip ihres frühern Besitzers scheint aber, vielleicht aus Pietät oder infolge einer Testamentsklausel, beibehalten worden zu sein, da sie nur an zwei Tagen im Monat dem Publikum ge öffnet ist. Mit einem eigenen, überzeugenden Plaidoyer für das Nichtverleihen der Bücher beschließt Cim den geschichtlich- anthologischen Teil seines schönen Werkes, nachdem er auch dem zweiten Bande ein ausführliches Sach- und Namen register beigegeben hat. Es sei hier nochmals betont, mit welch außerordentlicher Belesenheit sein Buch zusammengesetzt ist; denn man bedenke, daß die vorliegende Besprechung nur einen kleinen Teil der Zitate und Auszüge wiedergeben konnte. Allerdings hätte die Arbeit nach deutschen Begriffen gründlicher ausfallen können, und es wäre im Interesse der Leser zweifelsohne richtiger gewesen, anstatt des Übermaßes von Zitaten und Anekdoten einzelnen Kapiteln lieber geschicht liche Einleitungen und Überblicke zu geben. So wäre es — außer den bereits vorgebrachten Wünschen — sicher ange bracht gewesen, in dieser Geschichte des Buches auch der Ge schichte der Erfindung der Buchdruckerkunst einen Platz zu gönnen, ebenso wie am Anfänge des ersten Bandes auch der Fabrikation der Handschriften und des Pergaments im Alter tum ein besondrer Abschnitt gewidmet ist. Der Verfasser hat offenbar Bekanntes ohne zwingenden Grund nicht wieder holen wollen, oder aber für den nächsten Band »Herstellung des Buches« aufgespart. Auch ein geschichtlicher Rückblick über die früher in großem Ansehen stehenden Almanache, Volkskalender und Bilderbogen wäre hier vielleicht nicht an Unrechter Stelle gewesen. Aber abgesehen davon — und es kommt hierbei ja auf den Gesichtspunkt des Autors vor allem an — bietet uns diese neue Geschichte des Buchs und der Lektüre eine »Lno^- olopeäis livrssgns«, wie sie in ihrer Gesamtheit vollständiger kaum je geboten worden sein dürfte. Sie hat uns mit einer sehr großen Anzahl von bibliographischen Werken vertraut gemacht, und durch die angeführten Stellen zu ihrer Lektüre angeregt, wofür der Buchhändler dem Bibliothekar nicht genug Dank wissen kann. Das ist auch der Grund, weshalb ich in vorstehendem Auszug deren Titel stets möglichst vollständig angeführt habe, wie es der Verfasser, offenbar in gleicher Absicht, ja auch getan hat. Und dem deutschen Leser ist nun auch der Begriff der »Bibliographie« in dem von den Fran zosen angewandten Sinne geläufig geworden. Auch zu weitern, eigenen Studien und Nachforschungen dürfte das Cimsche Buch nicht minder anregen; denn der Verfasser hat mit verschwindenden Ausnahmen nur französische Quellen benutzt und auch hierbei sich offenbar noch eine weise Be schränkung auferlegen müssen, um den Stoff eben nicht ins Ungemessene anwachsen zu lassen. So z. B. ist die hervor ragende, zehn Bände umfassende Bibliophilen-Zeitschrift »Us lüvrs«, die unsrer deutschen »Zeitschrift für Bücher freunde« vermutlich als Vorbild gedient hat, jedoch leider selbst nicht fortgesetzt wurde und die unter der vorzüglichen Leitung von Octave Uzanne von 1880 bis 1889 eine große Menge von interessanten, erschöpfenden Beiträgen zur Biblio graphie und Literaturgeschichte gebracht hat, überhaupt nicht benutzt worden, ebensowenig die zahlreiche englische Fach literatur. Schreiber dieses möchte zum Schlüsse an den Autor die Bitte richten, die vielen angeführten Bücher und Aufsätze in einem spätern Bande zu einer möglichst vollständigen »Uibliogrg.pbi.6 än livrs« zusammenzufassen und diese nicht nur, wie er im Vorwort ankündet, auf die »haupt sächlichsten Werke über Bibliotheken und alles, was auf das gedruckte Papier Bezug hat,« zu beschränken. Des Dankes aller Bibliophilen und Buchhändler dafür darf er gewiß sein. Und er selbst möchte dem Verfasser noch persönlich dafür danken, daß er ihn durch Wiedergabe von Auszügen besonders auf zwei für die Literaturgeschichte ebenso wichtige wie stilistisch vollendete Werke aufmerksam gemacht hat, die, obwohl oder vielleicht gerade weil sie sozusagen zur klassischen Literatur gehören, heutigentags nicht mehr die Beachtung finden, die ihre universell veranlagten Schöpfer noch immer dafür be anspruchen dürfen: Eckermann's »Gespräche mit Goethe« und Sainte-Beuves »Oanssriss än Imnäi«.
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