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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 01.10.1902
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1902-10-01
- Erscheinungsdatum
- 01.10.1902
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
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228, 1. Oktober ISV2. Nichtamtlicher Teil. 7817 Litteratur. Kann man denn die ins Ungemessene gewachsene Bücherfabrikation überhaupt noch Litteratur nennen? Sogar auf dem Felde der wissenschaftlichen und der technischen Fach- litteratur spielt die reine Fabrikation, das Jnslebensetzen von Konkurrenzunternehmungen auf allen Gebieten, wo irgend etwas geglückt ist und »zu machen« zu sein scheint, eine ganz gewaltige Rolle. Das geht so weit, daß auch die Journale, die Wochen-, Monats- und Bierteljahrsschriften der einzelnen dieser Gebiete gar nicht mehr imstande sind, ihre Spezial- litteratur bis ins einzelne zu besprechen; sie müssen sich darauf beschränken, das Bedeutende und das Wichtige hervorzuheben und das Schlechte und Gefährliche zu kennzeichnen, soweit das der Mühe wert ist. Das Unbedeutende werfen sie ganz selbstverständlich einfach unter den Tisch. Und nun vollends die eigentliche, die allgemeine unter haltende und belehrende Litteratur! Was drängt sich da alles auf den Markt und an die Zeitungen und Zeitschriften heran! Was schreibt da alles und wird alles gedruckt! Sollen denn die Blätter verpflichtet sein, allen Schund zu besprechen, der ihnen zugeschickt wird, weil er sich für Litteratur ausgiebt? Wenn man so kritiklos druckt, wie es tausendfach geschieht, kann man keine Kritik verlangen Und sicher ist, daß es eine bessere Kritik gäbe, auch eine bereit willigere, wenn es eine bescheidnere, sich auf das Nötige und das Wertvolle beschränkende Produktion gäbe. Die Ueber- geschäftigkeit, Hastigkeit, Urteilslosigkeit und Oberflächlichkeit in der Produktion sind an allem Elend schuld, über das der Buchhandel klagt: sie reiten den Geschmack des Publikums herunter, sie verbauen dem wirklich Guten den Weg — wer soll es denn herausfinden aus* den tausend Nichtigkeiten, die es umdrängen? Der Sorti menter kann es nicht, er wird durch die Massenproduktion völlig gelähmt, und es ist schließlich kein Wunder, wenn er zum Bücherhändler wird, dem die Höhe des Rabatts die Leitschnur durch die »Litteratur« wird —; und sie ver sanden den ganzen Fruchtacker, so daß schließlich niemand mehr etwas erntet. Das verrückte und besinnungslose Jagen nach Gewinn schädigt und zerstört das wirklich produktive Schaffen — das geistige und das materielle zugleich. Jedenfalls hört also auch für die Presse die Möglichkeit vollständig auf, einen Ueberblick über das, womit sie über schüttet wird, zu erhalten und zu geben. Das Gute leidet dabei mit dem Schlechten, alles zusammen muß ihr zu lästigem Plunder werden, den man sich vom Halse zu halten sucht. Wer soll denn all den Kram lesen? Einen wie großen Stab von Mitarbeitern sollte man sich halten, und wieviel Raum sollte man den nützlichen Inseraten entziehen? Es ist doch kein Wunder, wenn die Zeitungsredaktionen so denken. Aber die Verleger ärgern sich natürlich über solche Be handlung. Die vernünftigen empfinden den Zustand mit schwerem Herzen als einen heillosen Mißstand, und die andern halten doch meist ganz ehrlich ihre Uhlekens für Duvekens. Daß die Presse das gar nicht leisten kann, was von ihr verlangt wird, läßt man unbeachtet. Wer die Ver hältnisse mit klaren Augen ansteht, wird nicht auf mehr rechnen und hoffen, als daß ein gutes Buch von den Zeituugs- mitarbeitern, denen das angenehme Geschäft obliegt, die Ein gänge zu sichten, aus der Masse herausgefunden wird und eine Würdigung erfährt. Geschieht es in vielen Fällen nicht, so wird er seufzen, aber, da er die Verhältnisse eben nicht ändern kann, das Unglück mit Fassung tragen. Denn was er zu beklagen hat, ist, daß er einen gehofften Vorteil — die lobende Besprechung, die ihm Absatz hätte schaffen können — nicht erreicht hat, einen Nachteil hat er nicht oder kaum ge habt. Denn die Rezensionsexemplare haben doch im all gemeinen gar keinen Wert! Das heißt, sie sind von der Börsenblatt für den deutschen Buchhandel. 69. Jahrgang. Auflage, die der Gewinnspekulation zu Grunde liegt, ab getrennt oder über sie hinaus gedruckt worden, damit sie der Reklame dienen; als Aktivum figurieren sie nicht in den Büchern des Verlegers, ihr wirklicher, reiner Herstellungs- roert, d. h. die Kosten, die ihr Mehrdruck verursacht hat, sind den Gesamtkosten der zum Verkaufe bestimmten Exemplare eingerechnet oder gehören auf das Reklame konto. Das weiß doch jede Redaktion und jeder Zeitungs verleger! Und er weiß auch, daß es, wenn ein Buch gut geht, auf ein paar Exemplare mehr oder weniger bei einer Auflage nicht aukommt, und wenn es nicht geht, doch vollends nicht. Von wieviel Büchern wird aber die Auflage wirklich rein ausverkauft? Aber wenn die Rezensions exemplare auch wirklich als Wertstücke betrachtet werden, sind sie doch nie oder nur in ganz besondern Fällen — wo es sich um wirklich kostbare Sachen handelt — ein Aequivalent für die Besprechung, wie es naiverweise von manchen Ver legern angesehen wird. Der Zeitungs- und der Zeitschriften verleger giebt das Buch her und bezahlt den Rezensenten für das gelieferte Manuskript, erhält also überhaupt kein Aequivalent, die ganze Geschichte geht ihn nichts an — es ist also unrecht, ihn für irgend etwas haftbar machen zu wollen, wo er nur Gutwilligkeit beweist; und der Rezensent leistet mit Lesen, Ueberlegen und Schreiben eine solche Arbeit, (und wieviel muß er oft anlesen, bis er ein Buch findet, das des Besprechens wert ist!), daß sie ihm weder durch das Freiexemplar, noch durch das von der Zeitschrift gezahlte Honorar vergolten wird. Wer giebt sich denn auch zu Rezensionen her! Thun es berufene und gelehrte Leute, so thun sie es doch nur, wenn eine Sache sie reizt, wenn der Wert oder der Unwert einer Publikation ihnen Veranlassung ist, die Sache vor der Oeffentlichkeit zu behandeln; im übrigen sind es Leute, für die schon ein kärglicher Arbeitslohn eine Wohlthat ist, und die dann eine klägliche Lohnarbeit liefern. Man sehe nur die Bücherbesprechungen vieler Blätter an! Sie sind nicht so viel wert, wie ein Inserat. Nur in wenig Fällen wird wirklich der Wunsch, ein Buch oder eine Publikation überhaupt zu besitzen, jemand den Anlaß geben, eine Besprechung zu leisten, es also als Aequivalent für die Besprechung zu betrachten; selten hat auch das Buch den Geldwert, den Honorar und Raum kosten, die für die Besprechung aufgewandt werden müssen — wenn die Zeitungen, die von den Inseraten leben, so denken, kann man es ihnen schließlich nicht übel nehmen Die Verleger aber, denen es das Herz ergrimmt, wenn sie ihre schönen Bücher nutzlos und umsonst als Rezensions exemplare verschleudert haben, thun am besten daran, sie künftig auf ihren Stapeln zu behalten, und, was den Zeitungen ja noch viel angenehmer ist, durch Inserate für sie zu wirken. Freilich geht das wieder nur bei wenig Büchern, denn nur wenig Bücher haben Auflagen und Preise, die eine lohnende Reklame möglich machen, und deshalb sucht man ja eben diese billig durch Rezensions exemplare zu bewirken, vollends da eine Besprechung auch zehnmal mehr Wirkung haben kann, als ein Inserat, das vielleicht zehnmal soviel kostet, in den meisten Fällen sicher sehr viel mehr als der Herstellungswert des preis gegebenen Exemplars des Werkes. Daraus ergiebt sich, daß, ganz abgesehen von den Kosten, die der Zeitschrift eine Rezension verursacht, ihre Leistung durch den Effekt ganz ungeheuer viel größer ist als der Wert des vermeintlichen »Aequivalents«, und es ist eine wunderliche Zumutung, wenn ein Verleger verlangt, daß eine Zeitschrift für einen Lohn, der keiner ist, seine Geschäfte besorgen soll. Wenn ich Rezensions exemplare verschicke, thue ich es in meinen Gedanken mit der Anrede: Hier, verehrte Presse, hast du meine Novität, ich würde mich außerordentlich freuen, wenn du Notiz 1027
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