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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 16.07.1904
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1904-07-16
- Erscheinungsdatum
- 16.07.1904
- Sprache
- Deutsch
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- Saxonica
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8116 Nichtamtlicher Teil. ^ 183, 16. Juli 1S01. Geschichte kennen, sie müssen auch die tiefen und ver borgenen Ursachen des Verfalls der römischen Welt herrschaft »lernen«, und halb unverstanden eine Meinung in sich aufnehmen, die nur das reifste Ergebnis eigener strenger Prüfung sein sollte. In den ästhetischen Dis ziplinen, in Kunst und Literaturgeschichte, werden dem Endlichen, kritiklosen und darum doppelt empfänglichen Geiste gleichfalls subjektive Wertungen beigebracht: L ist der größte Maler aller Zeiten, L der hervorragendste Plastiker der Deutschen, 6 der bedeutendste Dramatiker der Weltliteratur; die prosodischen Formen des v seien zwar seinerzeit viel bewundert worden, seien aber ge schmacklos und widerwärtig, während der L verdiene, der Vergessenheit entrissen zu werden, der er anheim gefallen sei.. Was ist die Folge? Das schwerste Stück Arbeit, das der geistig regsame Mensch an sich selbst voll bringen muß, besteht darin, sich von dem Wust ange lernter Meinungen zu befreien, und ehe er dieses un erläßliche, aber doch nur negative Läuterungswerk an sich vollbracht hat, ist ein gut Stück seines Lebens und seines persönlichen Entwicklungsganges dahin. Die geistige Träg heit des Menschengeschlechts, der passive Widerstand gegen neuere Gedankenrichtungen mag zum großen Teil darin be gründet sein, daß der Weg zum Intellekte der einzelnen durch frühzeitig aufgenommene und eben darum tief wurzelnde Ideen verrammelt ist.« Damit berührt der Verfasser ein Gebiet, auf dem sich die Kritik leicht in uferlose Weiten verliert. Der Leser kann und wird nicht verzichten auf die subjektiven Erörterungen publizistischer Führer über öffentliche, ästhetische und andre Tagesfragen. Er kann es schon darum nicht, weil bei der verwickelten und schwierigen Natur der meisten einschlägigen Fragen eine sachkundige Führung, die über die genaue Kenntnis des Materials verfügt, unentbehrlich geworden ist. Wie aber will Löbl auf Grund der angeführten Darlegungen den Leser instand setzen, daß er kritisch zu lesen verstehe und keine fremde Ansicht, die ihm mit der suggestiven Kraft der Druckerschwärze entgegentritt, ungeprüft in sich aufnehme, ohne das ganze System der Volksbildung von Grund aus zu ändern? Man wird gerade hier so recht die Schwierigkeiten er kennen, die sich bei einer Wertabschätzung der Zeitung in bezug auf ihren Einfluß besonders auf das geistige Leben eines Volkes ergeben, hier, wo die aufgeworfene Frage nach der Bedeutung und Wertung der Zeitung in geistiger Hinsicht an die Wurzel der Volksbildung rührt, ja sich zur großen Frage nach der Zweckmäßigkeit des ganzen Systems der Volksbildung ausweitet und der Zeitung die gewiß nicht unwichtige, wenn auch etwas weit gefaßte Rolle der »Volks bildnerin« zuerteilt wird. Löbl führt noch eine weitere Reihe nützlicher und schäd licher Einflüsse auf und kommt schließlich zu dem Schluffe, daß ein einheitliches wertschätzendes Gesamturteil über die Presse überhaupt ausgeschlossen sei. Einer Reihe gewichtiger Vorteile und unverkennbarer Vorzüge stehen offensichtliche Nachteile und bald mehr, bald weniger schädliche Wirkungen gegenüber. Es ist unmöglich, die einen gegen die andern mit mathematischer Genauigkeit abzuwägen und zu werten, immer wird das Urteil einen subjektiven Einschlag zeigen, weil es sich nicht loslösen läßt von den sozialen, politischen, wirtschaftlichen und ästhetischen Anschauungen des Urteilenden. Nach Löbls Ansicht haben, wie bereits ausgeführt, besonders die geistig höher stehenden Volksklassen in der Benutzung der Presse gewisse Gefahren für ihre intellektuelle Verfassung zu befürchten und zu meiden. Mit besonderm Nachdruck betont er die schon längst konstatierte höchst bedauerliche Tatsache, daß das gedruckte Buch mehr und mehr durch die Zeitung verdrängt wird. Der erwachsene Mann, auf dem Berufs und Erwerbspflichten lasten, ja selbst jener vom Glücke Begünstigte, der sich nicht zum Zwecke des Gelderwerbs zu mühen braucht, dafür jedoch sich durch alle möglichen Sports rc. zum Vielgeschästigen macht, sie kommen immer seltener zu ernster und gediegener Buchlektiire. Die Zeitung nimmt ihre Lesezeit fast völlig in Anspruch; ihr, die ja häufig einem Buche an Umfang wenig nachgibt, muß der Durchschnittsleser seine knapp bemessene tägliche Zeit zum Lesen immer ausschließlicher opfern. Ein Herabgehen des all gemeinen Bildungsniveaus ist die unausbleibliche Folge. Schon Fichte hat vor mehr als zwei Menschenaltern nach drücklich auf diesen Übelstand hingewiesen, indem er jene Leute schildert, die nie mehr ein Buch in die Hand nehmen, sondern höchstens in den Journalen über die Bücher lesen und in dieser narkotisierenden Lektüre Willen, Vernunft, Denken und jede Spannkraft des Geistes und Verstandes verlieren. Wo es üblich geworden ist, Gedanken und Mei nungen, ja den gesamten Bildungsstosf aus der Zeitungs fabrik zu beziehen, da muß das geistige Leben des Volkes in Niedergang geraten. Seitdem haben sich mit der fortschreitenden Entwicklung des Zeitungswesens die Gefahren, die das Monopol der Zeitung in der Lektüre für die geistige Beschaffenheit eines Volkes im Gefolge hat, zweifellos noch ganz wesentlich gesteigert. Trotz alledem jedoch glaubt Löbl annehmen zu müssen, daß diese schädigende Wirkung für die geistig höherstehenden Volksklassen sich zum Segen wende, so bald die breiteren Volksschichten in Frage kommen, daß der Einfluß der Zeitungslektüre auf die niederen Volks schichten, auf das Gros der Bevölkerung ein vorwiegend günstiger sei. — »Die große Mehrheit der Bevölkerung würde ohne Zeitung überhaupt nicht lesen, sie würde, sobald die wenigen Schuljahre zu Ende sind, jede weitere Fortbildung vernachlässigen und bestenfalls sich der niedrigsten Sorte von Romanliteratur hingeben, die weit schlimmer ist als gar keine Lektüre. Hier übt ,die Presse eine eminent er zieherische Mission. Für diese kompakte Majorität ist die Gewohnheit und das Bedürfnis, tagtäglich die Zeitung zu lesen, gleichbedeutend mit einer ständigen Übung der geistigen Kräfte, und durch die Zeitung wird immerhin ein gewisser, wenn auch loser Zusammenhang mit dem großen Strome des geistigen Lebens der Zeit hergestellt.» — Man wird die Frage nach der Richtigkeit dieser Annahme offen lassen müssen, wenn man sich nicht auf die allereingehendsten und auch sehr schwierigen Erörterungen einlassen will. Unausgesetzt schwankt bei der gegenseitigen Abwägung des Nutzens und Schadens der Zeitung namentlich für das geistige Leben des Volkes das Zünglein der Wage unruhig hin und her und ist nicht zum Stillstand zu bringen; es bleibe auch dahingestellt, welche Wagschale schließlich end gültig als die schwerere in die Tiefe sinken dürfte. Die Macht des Tatsächlichen lehrt, daß der Presse unter allen Bedingungen des kulturellen Fortschrittes eine höchst mar kante Stellung zukommt; ihre Existenz und ihre unaufhörlich fortschreitende Entwicklung allein sind Beweis genug dafür, daß sie einem unabweisbaren Bedürfnisse der menschlichen Kulturbewegung entsprungen ist, die mit unzerstörbarer Lebenskraft ihre Funktionen ausübt, so daß selbst ein aus gesprochener Feind der Zeitung, der russische Staatsmann Pobedonoszew, sich zu folgender vorsichtigen Äußerung ver anlaßt sieht: »Die Zeitung dient unzweifelhaft der Menschheit als äußerst wichtiges Werkzeug der Kultur. Aber wenn man auch den Nutzen der Verbreitung vieles Wissenswerten und des Austausches der Gedanken und der Meinungen gerade durch die Zeitungen anerkannt, muß man auch mit dem Bewußtsein einer gewissen Furcht erkennen, daß in der
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