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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 05.10.1905
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- 1905-10-05
- Erscheinungsdatum
- 05.10.1905
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- Deutsch
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8844 Nichtamtlicher Teil. ^ 232. 5. Oktober 1905. ward sie abermals erzählt, und wenn ich je einen Menschen habe lachen sehen, so war es unser Gast Hermann Heiberg. als er diese Geschichte hörte. — In der Mitternachtsstunde sollen noch einige Fremde in einer Weinstube bei dampfenden Gläsern gesehen worden sein; mutmaßlich waren es eifrige und gewissenhafte Forscher, die schlcswigsche Sitten und Bräuche gründlich studieren wollten: also Kulturstudenten! Schleswig wird mit Recht berühmt genannt. Es war und ist Landeshauptstadt. Viele Denkmäler und Inschriften geben Zeugnis von seiner geschichtlichen Bedeutung. Hier wurde das Lied »Schleswig-Holstein meerumschlungen, deutscher Sitte hohe Wacht« geboren. Durch Jahre hindurch blieb es das deutsche Schutz- und Trutzlied, bis es Ersatz fand durch die »Wacht am Rhein«. Dem Dichter und dem Komponisten hat man an der Stelle, wo es 1844 zuerst gesungen wurde, ein mächtiges Denkmal errichtet, dessen eine Inschrift lautet: »Wir lowen (geloben) dat Schleswig und Holsteen bliwen tosamen up ewig ungedeelt«. Nicht fern von der Stelle findet sich das Denkmal für die 1870/7! gefallenen Söhne der Stadt Schleswig mit der Inschrift: »Niemand hat größere Liebe denn die. daß er sein Leben lasset für seine Freunde«. Bei unserm Mittagsmahle bildeten diese Inschriften den Ausgangspunkt für eine Tischrede, worin den Buchhändlern unter Hinweis auf alle die Stätten blutiger Kämpfe und alle die gebrachten Opfer die Pflege vaterländischer Gesinnung und vaterländischer Literatur ans Herz gelegt wurde als ein Gegengewicht gegen moderne Kunstbestrebungen, die den Boden deutscher Gesittung und Gesinnung längst unter den Füßen verloren hätten. Nach unsrer Hauptversammlung, an der dieser Bericht mit souveräner Gleichgültigkeit vorübergeht, bestiegen wir einen hochgelegenen Aussichtsturm. Von dort aus sah man von Süden über dis breite Schlei hinweg die Höhenzüge der alten Danewirke mit dem Königshügel und seinem Denk mal. nach Osten lag Misfunde. und nach Norden zu streckten sich die Schlachtfelder von Jdstedt und Oeversee: alles Stätten deutscher Kämpfe zur Einheit, über die das Auge im Um blick hinschweifen konnte. Schön ist auch das Stadtbild, wenn man es von Westen sieht: die breite Schlei, aus ihren Ufern emporwachsend ein Kranz dichtbelaubter hoher Bäume, den Dom umgebend, der mit seinem in schlanken Linien himmelwärts aufstrebenden gotischen Turme majestätisch wirkt, daneben und dahinter die Häuser von Alt-Schleswig — wahrlich, ein schönes Stadtbild! Die Tafel war für uns in Ravens Hotel gedeckt. Drei unddreißig Buchhändler nahmen daran Platz, eine stattliche Zahl, wenn man bedenkt, daß Schleswig fernab der breiten Heer- und Weltstraße liegt. Dicht bei einander saßen drei Alte, die noch die dänische Zeit im Lande erlebt hatten. Julius Bergas. Hermann Heiberg und Paul Toeche Vater. Wurde vorhin die kalte Küche in Stadt Hamburg gerühmt, so war die Garküche in Ravens Hotel ihr ebenbürtig: man lebt nicht schlecht in Schleswig. Tischlieder gab es nicht, sie wurden auch nicht vermißt. Dafür aber wurde geredet, — vierzehn Redner stehen auf meinem Zettel verzeichnet. Nun sage noch mal einer, daß die Nordländer schweigsam und einsilbig wären; nein, sie müssen nur warm werden! Aber vierzehn Reden lassen sich nicht inhaltlich wiedergeben. Versuchte man es. und das Börsenblatt füllte Spalten und Bogen damit, dann befürchtete ich ein Monitum vom Rechnungsausschuß, unsrer auf Sparsamkeit haltenden Behörde. Für die Leser des Börsenblatts würde sonst die Wiedergabe nur erbaulich sein. Den Reigen eröffnete unser Vorsitzender August Frederking. Es mag der Gedanke an seine hartbedrängten deutschen Lands leute in Livland und Kurland gewesen sein, der ihn in so warmen Worten deutsche Heimat, deutsche Art und deutsche Sitte preisen ließ, so daß sein Kaiserhoch freudigsten Widerhall fand. Richard Quitzow feierte unfern Gast Hermann Heiberg. Ihm folgte Julius Bergas, der unsers Vorstands und seiner treuen Arbeit gedachte. So gleich schloß sich August Westphalen an und brachte sein Glas dem Verbandsvorstand. Hierfür dankte Hermann Seippel in längerer Rede, die zur unermüdlichen Pflege des Idealismus im Buchhandel aufforderte. Dann erhob sich Hermann Heiberg zu teils launigen, teils tiefernsten Aus führungen. Erinnerungen aus seiner Buchhändlerzeit, aus den Tagen politischer Not. aus den Sorgen und Freuden seines spätem Schriftstellerberufs. Abermals sprach August Frederking. indem er zu einem Hoch auf den künftigen Vor sitzenden Wilhelm Halle aufsorderte. Dieser gelobte treue Nachfolgerschaft und gedachte Schleswig-Holsteins als des großen Kerns vom Kreise Norden. Paul Toeche-Vatcr er innerte an die vielen Mühen des Festausschusses und dankte ihm im Namen aller Anwesenden. Denen, die wir dieses Jahr zu Hause gelassen hatten, unfern Frauen, weihte Heinrich Boysen sein Glas. Eine kleine Korrektur zu einzelnen Bemerkungen des Vorredners mußte Julius Bergas geben. Als letzter ernsthafter Redner erzählte Oskar Hollesen aus seiner Schleswiger Lehrzeit bei Heiberg. und wie dort aus dem Boden Kisten mit Briefen berühmter und gelehrter Männer gelagert hätten; offen und treuherzig, wie er ist. fügte er hinzu, ihn hätten damals nicht die Briefe der Gelehrten, sondern nur die alten Brief marken auf den Umschlägen angezogen. Nun hatte die Stunde jener beiden geschlagen, die im Kreise Norden bekannt, geliebt und gefürchtet bei Tisch sind, nicht weil sie langweilig reden, im Gegenteil, sondern weil ihr Humor mit viel Schalkheit durchsetzt ist. Glimpflich machte es diesmal Theodor Christiansen; er endete unter lautem Jubel mit einem Hoch auf den anwesenden Kollegen Semmelhaak. Mit diesem Namen steht er zwar in keinem Adreßbuch; aber er ist so bekannt darunter, daß. als er vor Jahren beim Schlosse Glücksburg mit seinem bürgerlichen Namen gerufen wurde, ein neunfaches Echo »Semmelhaak« zurückrief. — »Wer ist es?« so begann Gustav Wolfhagen, und dann fing er an die Gründe aufzudecken, weshalb viele der Anwesenden nicht in -Wer ist es?« ständen. Noch übler kamen die weg. die darin standen, am übelsten viel leicht der Berichterstatter. Ach. es ist schlimm, wenn man in Nachschlagebüchern mit registriert wird. Aber wer je im Kreis Norden oder in Hamburg-Altona mit an unserm Tisch gesessen hat. der weiß ja. wie es gemeint ist. Die günstige Gelegenheit ergriff Walter Mühlau und sprach von Witwen und Waisen. Hoffentlich hat der Ertrag der Sammlung seinen herzlichen Worten entsprochen. — War es damit zu Ende? Nein, noch lange nicht! Einige zwar mußten mit den Abendzügen fort. Die andern alle scharten sich nun enger zusammen zu gemütlicher Plauder stunde. Hermann Heiberg verstand es. die Aufmerksamkeit zu fesseln durch eine Plauderei über den — Alkohol! Er wies darauf hin. welche guten Gedanken schon oft nach Tische wachgerusen. welche Entschlüsse in solcher Tafelrunde gefaßt und demnächst ausgeführt worden wären, usw. usw. und — borribilo äiotu! — die Anwesenden zollten ihm beim Kaffee ungeteilten Beifall. Dann erntete unser Hamburger Kollege August Leusch Lorbeeren und Eichenkränze durch seine gesanglichen und deklamatorischen Vorträge. Die Zeit verrann im Geschwindschritt. Wir mußten Abschied nehmen von denen, die andern Tages noch das Schlachtfeld von Jdstedt besuchen wollten, denn unsers Dienstes Uhrschlag ließ sich nicht hemmen. Im überfüllten Nachtzug stopfte man uns — wie liebevoll ist doch der Eisenbahnfiskus! — in einen leeren Abteil erster Klasse; aber als wir zählten, waren wir neun Personen einschließlich
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