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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 28.10.1905
- Strukturtyp
- Ausgabe
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- 1905-10-28
- Erscheinungsdatum
- 28.10.1905
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- Deutsch
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9822 Nichtamtlicher Teil. 252, 28 Oktober 1905. 100 000 Bände guter Bücher durch eine Bücherverlosung verbreitet werden, und dadurch soll der Ladenpreis und das Sortiment ernstlich gefährdet werden? Wir glauben es nicht! Wir glauben vielmehr, daß, wenn z. B. von den Hauptwerken von Dickens eine gute Ausgabe veranstaltet würde, etwa zu tt auch hiermit ein befriedigender Absatz sich erzielen ließe. Das deutsche Volk hungert nach guten und billigen Büchern. Hier für Abhilfe zu sorgen, halten wir für unsre Auf gabe als deutsche Sortimenter. Etwas anders könnte sich die Sache gestalten, wenn von teuren illustrierten Werken, also von Luxusartikeln, wirklich große Partien verlost werden sollten. Da könnten — bestimmt vermag es niemand zu sagen — viele Exem plare ins Antiquariat wandern und dann den Ladenpreis gefährden. Aber soviel wir wissen, beabsichtigt der Verein für Massenverbreitung der Hauptmenge der Bände nach Klassiker und andre gute Bücher anzuschaffen. Die illustrierten und etwaigen andern Luxusbücher dienen als Lockartikel und monumentales Beiwerk und werden von der Gesamtzahl nur einen kleinen Prozentsatz ausmachen. Wir sind auch hier nicht ängstlich. Eventuell könnte man — denn die Bücherverlosung findet, so ist mir gesagt worden, unter allen Umständen, mit oder ohne den Buchhandel, statt — auf den Verein einzuwirken suchen, daß er diese Luxus- bücher möglichst beschränkt. Die Volksbildung durch Bücher und Lesehallen, Schul- und Volksbibliotheken rc. ist ein Schoßkind unserer Zeit, und das mit Recht. Deshalb hat auch der Verein für Massen verbreitung soviel Freunde und Unterstützung gefunden. Wer seinen Bestrebungen Schwierigkeiten bereitetet, wird in der öffentlichen Meinung schlecht wegkommen. Wie wird nun diese Sache für den Buchhandel ausgehen? Hamburg, 25. Oktober 1905. Herold'sche Buchhandlung. Kleine Mitteilungen. Frank Wedekinds »Büchse der Pandora«. Entscheid, des Reichsgerichts. (Nachdruck verboten.) — Der aufsehen erregende Prozeß gegen den Schriftsteller Frank Wedekind in München und den Verlagsbuchhändler Bruno Cassirer in Charlottenburg wegen Verbreitung einer unzüchtigen Schrift, des von Wedekind verfaßten Dramas -Die Büchse der Pandora«, be schäftigte am 25. Okt. das Reichsgericht. Wie man sich erinnern wird (Börsenblatt 1905, Rr. 112) sind beide Angeklagten am 12. Mai vom Landgerichtei in Berlin von der Anklage aus § 184, l freigesprochen worden. Das ominöse Stück, eine Tragödie in drei Akten, erschien zuerst in der Zeitschrift »Die Insel«, die in Leipzig herausgegeben wurde, inzwischen aber eingegangen ist. Aufgeführt wurde das Stück in Nürnberg und in München. Schließlich erwarb der Angeklagte Cassirer, der nur Werke bedeutender Schriftsteller im Verlag hat, das Verlagsrecht der Tragödie und und gab sie in Buchform heraus. Die ganze Auflage ist bis auf wenige Exemplare abgesetzt worden. Die Anklage hält -Die Büchse der Pandora« für ein pornographisches Machwerk ohne künstlerischen Wert, da es nur Gespräche zwischen Dirnen und Zuhältern enthalte und Szenen aus dem Leben solcher schildere. Das Landgericht l ist jedoch nach eingehender Prüfung des Stückes und nach Anhörung des Gutachtens, das Professor vr. Witkowski aus Leipzig erstattet hat, zu der Überzeugung gelangt, daß man es mit einem ernsthaften Werk von literarischem Wert zu tun habe. Im Urteil wird die Eigenart Wedekinds gewürdigt, der es liebe, seine Stoffe aus den Nachtseiten des menschlichen Lebens zu wählen und insbesondre Probleme rein sexueller Natur poetisch zu behandeln. Wedekind sei Anhänger der modernen Richtung, die eine Umwertung der ästhetischen Be griffe in Dichtung und Dramatik herbeizuführen trachte. Diese Richtung erkläre es für erlaubt, das Häßliche, Abstoßende, ja so gar das Gemeine auf der Bühne zu verwerten, vorausgesetzt, daß es nicht Selbstzweck ist. Wedekind gefalle sich darin, in die dunkelsten Winkel des Lasters hineinzuleuchten und selbst den sexuellen Verirrungen ein poetisches Gewand zu geben. Furcht und Mitleid zu erwecken sei auch die Tendenz der »Büchse der Pandora«. Der Verfasser wolle die dämonische Kraft weiblicher Schönheit und gieriger Sinnenlust von der höchsten Höhe bis zur tiefsten Tiefe zeigen, um zu warnen und um menschliches Mitgefühl zu erregen. Um wahr zu sein, habe Wedekind die Sprache und Gebräuche dieser Kreise vorführen müssen. Gerade darin, wie er dies getan, zeige sich seine künst lerische Kraft. Er kokettiere nicht mit dem Laster wie gewisse französische Schriftsteller und wende sich nur an gebildete Leser, was sich schon daraus ergebe, daß der Dialog im zweiten Akt teilweise französisch, im dritten teilweise englisch geführt werde. Auch die äußere Ausstattung spreche für den Angeklagten. Das Titelblatt sei würdevoll, nirgends fänden sich in dem Buch unzüchtige Abbildungen oder sonstige Anzeichen, die darauf hindeuteten, daß die Absicht auf Erregung geschlechtlicher Lüsternheit ging. Also nicht eine unzüchtige Schrift, sondern ein ernsthaftes Buch von literarischem Wert habe man hier vor sich. Auch darin habe man sich dem Sachverständigen Professor vr. Witkowski angeschlossen, daß dem Angeklagten Wedekind zu glauben sei, daß ihm das Bewußtsein gefehlt habe, eine unzüchtige Schrift verfaßt zu haben. Auch bezüglich Cassirers wurde das widerrechtliche Bewußtsein verneint, da er aus der unbeanstandeten Veröffent lichung des Dramas und seiner Aufführung in Nürnberg und München folgern durfte, es mit einer einwandfreien Schrift zu lun zu haben. — Gegen das freisprechende Urteil halte der vertreten wurde. Das Landgericht habe, so führte er aus, auf Grund rechtsirrtümlicher Erwägungen festgestellt, daß eine unzüchtige Schrift nicht vorliege. Es sei unrichtig, wenn das Landgericht an nehme, daß das Rohe und Gemeine im Dienste einer künstlerischen Idee den Charakter des Unzüchtigen, der ihm anhafte, verliere. Nicht auf die Auffassung der Moderne komme es an, sondern auf das sittliche Empfinden des Volks in seinem normalen Durchschnitt. Durch seine falsche Auffassung sei das Gericht veranlaßt worden, die Zweckbestimmung in den Vordergrund zu drängen. Aber das Reichsgericht habe immer angenommen, daß der Zweck, zu dem eine Darstellung geschaffen wird, nicht von ausschlaggebender Bedeutung ist und daß es lediglich auf die objektive Wirkung ankommt, die die Schrift aus übt. Was das Reichsgericht über den Zweck bei der Benutzung des sittlich Anstößigen in der darstellenden Kunst gesagt habe, das gelte auch von der erzählenden Kunst. Das Gemeine möge künstlerisch-technisch noch so vollendet dargestellt werden — dieser Umstand allein lasse noch nicht den Rückschluß gerechtfertigt er scheinen, daß der Inhalt nicht unzüchtig ist. Ebensowenig habe das Gericht annehmen können, daß die Unzüchtigkeit ausgeschlossen sei, weil der Angeklagte die Tendenz einer bestimmten Richtung vertrete und das fragliche Drama als Streitschrift für diese Bestrebungen angesehen werde. Eine Feststellung, daß durch den andern Inhalt die unzüchtigen Stellen paralysiert würden, sei vom Gerichte nicht getroffen. — Gemäß dieser Ausführungen erkannte das Reichsgericht auf Aufhebung des freisprechenden Urteils und verwies die Sache an ein andres Gericht, das Land gericht II in Berlin. Vom Reisebuchhandel. — Vor gewissen Buchhandlungs reisenden warnt die »Prenzl. Ztg.«: Wenn sie nichts verkaufen könnten, veranlaßten sie gern Frauen und junge Leute, ihren Namen auf Bestellzettel zu schreiben, angeblich um beweisen zu können, daß sie bei ihnen vorgesprochen hätten. In Wirklichkeit würden die Unterschriften benutzt, um erdichtete Aufträge ein zusenden. In einem Geschäft habe ein solcher Reisender einen Lehr ling verleitet, den Geschäftsstempel auf ein Blatt Papier zu drucken; bald darauf erhielt die Firma für 50 ^ Bücher und hatte vor Gericht erst nachzuweisen, daß sie den Auftrag nicht erteilt habe. Finnland. Zollerhöhung auf Kalender.— Kalender in fremder Sprache, die nur die Namen der Monate und das Datum enthalten, sind laut Beschluß des finnländischen Senats bei der Einfuhr mit einem Zoll von 176 ^ 50 H finnl. für 100 lc§ zu be legen; Kalender mit Bildern und Text aber können als literarische Erzeugnisse zollfrei eingeführt werden.
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