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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 15.12.1906
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- 1906-12-15
- Erscheinungsdatum
- 15.12.1906
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- Deutsch
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(Ltadthagen) das Reichsgericht mit aller Entschiedenheit gegen die Ansicht, die in der Literatur im wesentlichen durch Rosin, hier im Hause durch die Konservativen, Freikonseroativen und die mit diesen eng liierte Zentrumspartei vertreten wird, nämlich gegen die An sicht, daß in Preußen der Polizei alles zusteht, daß sie alles tun kann, was sie will, daher auch das Photographieren. Wir haben seinerzeit hier hervorgehoben, Sie möchten doch irgend ein Gesetz nennen, nach dem heute der Polizei — abgesehen wenn sie als Organ der Rechtspflege in irgend einem Stadium auftritt, wo der Richter mitzusprechen hat — das Recht zustehe, Photographien anzufertigen, zu vervielfältigen usw. Sie haben kein derartiges Gesetz nennen können. Für Preußen glaubten Sie auf § 17, II, 10 des Allgemeinen Landrechts rekurrieren zu können. Aber in dem Erkenntnis vom 2. Juni 1899, das sich zwar nicht speziell über die Befugnisse zum Photographieren ausläßt, aber über die allgemeinen Befugnisse der Polizei in Preußen spricht, wird diese Ansicht, die in der Literatur Rosin vertritt, und die die konserva tiven Parteien hier vertreten, daß die Polizei alles sei und der Bürger nichts, daß der Polizei alles erlaubt sei, was ihr nicht verboten ist, auch vom Reichsgericht als hinfällig zurückgewiesen. Es handelt sich in dieser reichs gerichtlichen Entscheidung um die Rechtsgültigkeit einer Polizei verordnung , die im Interesse der allgemeinen Wohlfahrt den Verkehr mit Gefangenen untersagte. Diese Verordnung wird vom Reichsgericht als ungültig erklärt. In den Gründen setzt das Reichsgericht auseinander, daß es allerdings Leute gebe, die aus der Nr. i des § 6 des Gesetzes vom 11. März 1850 — die Nummern s. bis i des § 6 dieses Gesetzes geben die nähere Darlegung, welche Verordnungsgewalt auf Grund des § 17, II, 10 des Allgemeinen Landrechts die Polizei hat —, die da lautet, daß zu den Gegenständen der ortspolizeilichen Vorschriften der Polizei »alles andre- gehöre, »was im besondern Interesse der Gemeinden und ihrer Angehörigen polizeilich geordnet werden muß- —, da meint also das Reichsgericht, es gebe allerdings Leute, die — wie Rosin, setze ich hinzu, und hier die konservativen Parteien — annehmen, daß die Polizei alles regeln könne, daß ihre Machtsphäre unbegrenzt sei. Demgegenüber sagt ausdrücklich das Reichsgericht, dem man wirklich nicht nachsagen kann, daß es allzu sehr die konstitutionellen Schranken hochhält, — sagt es, indem es auf die Entstehung dieses Gesetzes eingeht, es sei davon auszu gehen, daß, wie der Regierungsvertreter bei Beratung des Gesetzes betonte, die allgemeine Bestimmung der Lit. 1 des § 6 keineswegs eine Hintertür ist, durch welche der Polizeistaat wieder einziehen könnte. Es wird dargelegt, daß keineswegs die Polizei eine All macht haben sollte, die außerhalb des Gesetzes stehe, daß also diese Asvera-Iis o1a.u8uls> des § 6 i des Gesetzes vom 11. März 1850 nicht die allgemeine Befugnis darlege, daß die Polizei zu allem das Recht habe, was ihr nicht ausdrücklich verboten sei; also der Polizeistaat solle nicht eingeführt werden. Meine Herren, das gilt für Preußen. Also nicht mal für Preußen gilt, daß die Polizei, abgesehen von dem engen Rahmen der Rechtspflege, der in dem erwähnten Erkenntnis vom 2. Juni 1899 dargelegt ist, das Recht habe, wider Willen des andern — und darauf kommt es allein an —, also gewaltsam, das Photo graphieren vorzunehmen, vielleicht zu einem nichts weniger als der Sicherheit förderlichen Zweck. Es gibt also selbst in Preußen kein solches Gesetz. Und nun soll hier im Reich ein Gesetz ge schaffen werden, das auf einmal ein neues Recht der Polizei für ganz Deutschland gibt? Mag sein, daß in Mecklenburg, wo wir den Polizeistaat in vollster Blüte haben, solche polizeilichen Be fugnisse bestehen. In Preußen gibt es kein Gesetz, aus dem das hergeleitet werden kann, abgesehen von dem in schmaler Schranke gehaltenen Recht, als Organ der Rechtspflege zum Zwecke der öffentlichen Sicherheit zu sistieren und an wegen eines Vergehens' oder Verbrechens Sistierten oder andern Sistierten die Bertillon- schen Messungen oder das Photographieren vorzunehmen. Jetzt soll nun ein Reichsgesetz geschaffen werden, und zwar soll durch dieses Reichsgesetz der Polizei die Latitüde, das neue Recht ge geben werden, Photographien zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich zur Schau zu stellen, ohne daß, wie bislang, richter licher Schutz gegen Willkür gegeben wäre. Meine Herren, ich will nicht ausgedehnt wiederholen, was ich in zweiter Lesung sagte: selbstverständlich muß, wer das Recht zur Vervielfältigung hat, auch das Recht zur Anfertigung haben, und deshalb müssen wir bei dieser Festlegung eines Polizeirechts über die Anfertigung sprechen; es wird in diesem Gesetz von dem Recht am eigenen Bilde gehandelt, und es wäre also mehr als formalistisch, wenn man behaupten wollte, daß das Recht der An fertigung hier nicht hineingehört. Jedenfalls gehört dann noch weit weniger in das Gesetz hinein, der Polizei reichsgesetzlich ein eigenes neues Recht zu geben. Das haben Sie durch die An nahme der Resolution ja auch selbst anerkannt, der Resolution» in der Sie die Regierung ausfordern zur Vorlegung eines Ge setzes. Aber, meine Herren, Sie kennen doch die Regierung nicht schlechter als ich; Sie wissen, daß ein solches Gesetz, das die Befugnisse der Polizei einschränken soll, von der Regierung nicht vorgelegt werden wird. Es sind ja gerade auf dem Gebiete der Rechtspflege seit 30 Jahren Resolutionen vom Reichstage gefaßt und oft wiederholt worden, beispielsweise in bezug auf den Strafvollzug, und sie sind dennoch von der Regierung nicht ein gelöst worden. Die Resolution ist hier eine Dekoration, hinter der wir nicht die Tatsache verstecken dürfen, daß hier von Reichs wegen der Polizei ein neues Recht gegeben werden soll. Ich möchte Sie doch bitten, das nicht zu tun und mindestens die Be stimmung hineinzusetzen, daß diese Vervielfältigung usw. nur auf richterliche Anordnung erfolgen darf. Meine Herren, haben Sie doch zum Richter etwas mehr Zutrauen als zum Schutzmann! Es wurde nun hier in zweiter Lesung von nationalliberaler Seite, von dem Herrn Abgeordneten Bärwinkel, der Fall des -Hauptmanns von Köpenick- als Beweis für die Notwendigkeit der polizeilichen Befugnis angeführt; da sei ja seinerzeit das Bild aus Wismar beschafft worden usw. Inzwischen hat nun der Prozeß stattgefunden, und es hat sich ergeben, daß die Photo graphie mit der Ergreifung und der Möglichkeit der Ergreifung des Betreffenden nichts zu tun hatte, sondern daß ein Zucht häusler Kallenberg Verrat geübt und als Organ der Polizei und, wenn Sie wollen, damit als Hilfsorgan der Rechtspflege, als Stütze der Gesellschaft fungiert, den ihm anvertrauten Plan Voigts der Polizei übermittelt hat. Hernach, ohne dem öffent lichen Interesse im geringsten damit zu dienen, hat die Polizei sich das Bild schicken lassen von dem Arbeitgeber in Wismar, aus dessen Arbeit die Polizei ihn hinausgetrieben hatte, und hat es vervielfältigt — etwas, wozu sie ohne den § 23 übrigens be rechtigt wäre. Der Herr Abgeordnete Jtschert hat bei der weiteren Be ratung den Fall angeführt, daß irgend eine weibliche Person, die unter Sittenpolizeikontrolle stehe, im Interesse der Sicherheit photographiert werden müsse, damit sie gefaßt werden könne. Ich möchte aber daran erinnern, daß alle Allmacht der Polizei auf sicherheitspolizeilichem Gebiet in Wirklichkeit zum Gegenteil der Sicherheit geführt hat. Wie die Allmacht der Polizei dem Schuhmacher Voigt gegenüber dazu geführt hat, ihn überall auS- zuweisen und weiter zu Hetzen, so sind Hunderte und Tausende — ich erinnere da auch an die Bestimmungen des Gesetzes über den Unterstützungswohnsitz — von braven Einwohnern Preußens, die versucht haben, in ehrlicher Arbeit ihr Brot zu erwerben, hinaus gerissen auf Grund der Ausweisungsbefugnis, von der man nicht geglaubt hat, daß sie auf Grund des alten Gesetzes in Preußen noch bestehe. Und gegenüber solchen Zuständen, wo wir Tag für Tag sehen, wie die Polizei, insbesondere in Preußen, unter dem Namen einer Sicherheitspolizei das Gegenteil der Sicherheit herbei- führt, sollen wir ihr ein neues Recht geben, von dem die Regierung sogar erklärt, daß sie, wenn zum Schutze gegen Willkür hier eine richterliche Befugnis eingeführt würde, dann das ganze Gesetz fallen lassen wolle? Ich meine, die persönliche Frei heit steht so hoch, daß, wenn nicht ein zwingender Grund vorhanden ist, man sie nicht einschränken soll. Sie wird schon eingeschränkt durch Reichsgesetze, sie wird schon ein geschränkt durch die Strafprozeßordnung, und die Fälle, die hier angeführt worden sind zu Gunsten dieser neuen Bestimmung, fallen schon jetzt unter die Strasprozeßordnung in Verbindung mit dem Erkenntnis vom 2. Juni 1899. Damit ist durchaus allen Inter essen der öffentlichen Sicherheit vollauf Genüge geschehen; aber alle diese sogenannten sicherheitspolizeilichen Maßnahmen der Polizei die sie als Organ der Strafrechtspflege ausübt, werden heute überwacht durch Gericht; es ist Beschwerde an ein Gericht
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