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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 07.08.1907
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1907-08-07
- Erscheinungsdatum
- 07.08.1907
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- Deutsch
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182 7. August 1907. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. 7725 im Jahre 1785 in Moskau etabliert gewesenen Buchhändlern sind die Namen Poleshajew, Koltschugin, Ferapontow, Tara- kanow, Matuschkin, Swertschkow, Romantschikow, Telepnjow, Akochow und Kosprew, auch der Universitätsbuchbinder Wodopjanow zu erwähnen. Mit ausländischen Büchern handelten die mit Nowikow in Verbindung stehenden Biber und Uthof. Unter den Gehilfen Nowikows ist besonders der Alt- gläubige, Kaufmann zweiter Gilde Nikita Nikiforowitsch Koltschugin, gebürtig aus dem Gouvernement Tschernigow (1753—1827), heroorzuheben. In dem Prozeß gegen Nowi kow gab er als Mitangeklagter und Zeuge an, daß er von der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg und aus Nowikows Druckerei Bücher zum Verkauf erhalten habe und drei Läden besitze. Auch daß er verbotene Bücher von Nowikow empfangen und verkauft habe, gestand er. Seinen jährlichen Umsatz schätzte er auf 25 000 Rubel und mehr und gab an, daß er darauf einen Gewinn von 15000(?) Rubel hatte. Er wird als ein kluger, geschäftskundiger Mann aus dem Volke geschildert, der seinem Sohne Gregor eine für die damalige Zeit vorzügliche Bildung geben ließ. Auch ein Ssemjon Koltschugin, wahrscheinlich ein Bruder Nikitas, wird als Gehilfe Nowikows erwähnt. Er erhielt im Jahre 1789 von Nowikow 80 000 Bände in Kommission und eröffnete damit zwei Läden, den einen in Moskau, den andern in St. Petersburg. Dieser letztere wurde von Wassilis Ssopikow (1765—1818) verwaltet, der sich durch seine bibliographischen Arbeiten einen geachteten Namen er worben hat. Nachträglich wäre hier noch zu erwähnen, daß die Moskauer Buchhändler, die infolge des Nowikowschen Pro zesses angeklagt waren, über drei Jahre auf ihre Verur teilung warten mußten. Sie wurden aus Anlaß der Ge burt des Großfürsten Nikolai Pawlowitsch schließlich begnadigt. Unter den Angeklagten und Begnadigten befanden sich auch Uthof und Biber und ein Buchbinder Sandmark. Über Gregor Koltschugin (1779—1835), den Sohn Nikitas, wird berichtet, daß er eine sorgfältige Erziehung genossen hatte, die französische und deutsche Sprache be herrschte, sich als Übersetzer versuchte (Geßner, Der Tod Abels, 1799), Hof- und Bankmakler war, den Franzosen während der Besetzung Moskaus als Dolmetscher diente, sich dadurch den Unwillen des General - Gouverneurs Rostoptschin zuzog, infolge dessen zehn Monate im Ge fängnis zubrachte und prozessiert wurde. Durch ein kaiser liches Manifest wurde er für unschuldig erklärt; seine früheren Ämter wurden ihm wieder zuerkannt. Aber sein Vermögen war während der Kriegszeit und des Brandes von Moskau großenteils verloren gegangen, auch seine Gesundheit hatte unter den ausgestandenen Strapazen stark gelitten. Er starb am 24. März 1835 und hinterließ elf Kinder. Sein Sohn Iwan erbte fast gar nichts; der Vater hatte ihm die Er mahnung gegeben, den Buchhandel fortzusetzen. Von Gregor Koltschugin ist eine ausführliche Denkschrift vorhanden, die Simoni abgedruckt hat. Der Verfasser schildert darin nicht nur die Ereignisse seines Lebens, sondern auch die Leiden Moskaus in den Jahren 1812 und 1813, worauf wir aber hier nicht eingehen können. Von seiner buchhändlerischen Tätigkeit ist in der Simonischen Broschüre nichts berichtet. Iwan Koltschugin (1801—1862) führte das Geschäft seines Vaters und Großvaters weiter. Der Akademiker Pro fessor Schewyrew nennt ihn in seiner Geschichte der russischen Literatur einen bekannten und würdigen, gelehrten und bücherliebenden Buchhändler. Mit zwölf Jahren kam er zum Buchhändler Glasunvw in die Lehre. Außer seinem ererbten Laden an der Nikolskij-Straße hatte er auch Bücher lager in Speicherräumen, nur von stets offenen Luken erhellt, Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 74. Jahrgang. durch die beständig Tauben ein- und ausflogen. Auch sein Buchladen an der Straße hatte keine Fenster, sondern nur zwei äußere Türen, die beständig offen standen. Das In nere dieses Ladens kann man sich jetzt kaum noch vorstellen. Zwischen den beiden Türen stand durch die ganze Länge des Raums der Ladentisch, Bänke oder Stühle waren nicht vor handen. Überall, wo ein freies Plätzchen war, lagen hoch- aufgestapelte Büchermassen auf dem Fußboden; es war ein Chaos, in dem nur der Besitzer sich zurechtfinden konnte Iwan Grigorjewitsch Koltschugin hatte ein verschlossenes und hinterhältiges Wesen, war aber auch als Sonderling und Spaß vogel in ganz Moskau bekannt. Der Bibliograph Jefremow berichtet, daß besonders Lehr- und Schulbücher in großer Auswahl bei ihm zu finden waren. Seine Spezialität war der An- und Verkauf gebrauchter Schulbücher, satirischer Zeitschriften aus der Regierungszeit Katharinas II., seltener und verbotener Schriften u. dergl. m. Als der General- Gouverneur Graf Sakrewsskij anordnete, daß man die Bände der »Vaterländischen Memoiren« mit den Artikeln von Herzen und Bjelinskij nicht verkaufen dürfe, sondern gegen Empfang eines Rubels pro Band an seine Kanzlei abliefern müsse, machte Koltschugin ein gutes Geschäft, indem er die verbotenen Artikel vor der Ablieferung ausschnitt, später aber, als das Verbot in Vergessenheit geraten war, zu hohen Preisen an seine Kundschaft verkaufte. Sein einziger Verlagsartikel war »Unsinniges Geschwätz«, eine Schrift, die er selbst verfaßt und der er viele Unannehmlichkeiten zu verdanken hatte. Jetzt ist sie eine große Seltenheit; denn sofort nach Erscheinen wurde sie konfisziert und vernichtet. Sie kostete ursprünglich zwanzig Kopeken, wurde aber nach der Konfiskation mit fünf bis zehn Rubel bezahlt. Koltschugin pflegte seine Kunden mit Witzen und Späßchen zu regalieren und ihnen dabei wertlose Bücher zu hohen Preisen aufzuhängen. Von den vielen Anekdoten, die Simoni über diesen originellen Buchhändler erzählt, können wir hier nichts berichten. Er starb am 11. Oktober 1862. Sein Sohn Iwan Jwanowitsch erbte das Geschäft seines Vaters. Er war, wie berichtet wird, dessen würdiger Nach folger; seine Tätigkeit dauerte aber nicht lange und nahm ein trauriges Ende. Der lukrative Handel mit alten, ver staubten Büchern, wodurch sein Vater ein Vermögen erworben hatte, behagte ihm nicht. Das alte, vom Vater hinterlassene Bücherlager kaufte Platon Baikow, und die auf den Speichern befindlichen, handbreit mit Taubenmist bedeckten und halb verfaulten Bücher wurden für 200 Rubel verkauft. Der Laden ging mit den darin befindlichen Warenresten für 850 Rubel an A. Astapow über, und dieses Geld wurde für restierende Miete bezahlt. Koltschugin mußte als Gehilfe bei I. Ssytin eintreten. Er starb im Januar 1895 verarmt im Krankenhaus. Mit ihm erlosch der letzte Sproß einer seit fast zweihundert Jahren in Moskau wohlbekannten Buchhändlerfamilie. — Aus dem Inhalt der Simonischen Broschüre wäre nach träglich noch zu erwähnen, daß seit dem siebzehnten Jahr hundert der Buch- und Bilderhandel in Moskau hauptsächlich unter der Erlöserpforte des Kreml und auf der Brücke, die nach dem Roten Platz führt, konzentriert war. Gegen Ende des achtzehnten Jahrhunderts zogen viele Buchhändler in die Nikolskijstraße, wo damals der Handel mit Heiligen bildern und Gegenständen, die beim Gottesdienst gebraucht werden, also auch mit derartigen Büchern, florierte. Während des großen Brandes im Jahre 1812 wurden alle Buch handlungen an der Nikolskijstraße eingeäschert, und erst in der Mitte des vorigen Jahrhunderts entstanden dort wieder viele neue Buchhandlungen, so daß diese Straße zum Teil auch jetzt noch als Buchhändlerstraße bezeichnet werden kann. 1008
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