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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 09.04.1906
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1906-04-09
- Erscheinungsdatum
- 09.04.1906
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- Deutsch
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^ 82, 9. April 1906. Nichtamtlicher Teil. 3659 -Herr Chodowiecky ist ein hochmllthiger Bengel, und am Ende kann er doch wahrlich nichts zeichnen, als Gesichterchen und Steifstiefel. Sage ihm, wenn ich weiter nichts zu thun hätte als Vignetten und Calenderkupfer zu erfinden, so wolle ich ihm, ob ich gleich selbst keine Frau hätte, wenigstens zu 12 Calendern die Kupfer erfinden, die alle von ihrer Aufführung bald nach der Hochzeit hergenommen seyn sollen. Er wird doch die 4 Wochen nicht nach dem Calender abzählen.« -Fast hätte ich die Hauptsache vergessen. Wenn Chodowiecki etwas dem Narren machen kan, so lasse es ihn machen. Ich bin es gerne zufrieden.« Sehr wahrscheinlich hatte Lichtenberg, als eine weitere Fortsetzung der Heiratsanträge, eine Serie: vor und nach der Hochzeit oder ähnlich lautend, gewllnscht, Chodowiecki hatte sich nicht damit einverstanden erklärt, und es war in folgedessen die Serie von den Narrheiten: »Oontikoliuw Ltnltornm« gewählt, die den Kalender von 1783 ziert. Lichtenberg bemerkte hierzu, und diese Einleitung möge als Probe der Lichtenberg'schen Erklärungen hier dienen: Hr. Chodowiecki hat hier ein Feld eingeschlagen, das er giebig genug wäre, alle Calender der Welt auszuzieren. Jeder Tag des Jahres ließe sich mit einer solchen Scene bezeichnen. Denn was sind L.ota 8toruw (8s.notoruw) gegen die Voluminösen ä.ots, 8torum (8tultoruw)? Diesen Gegenstand zu wählen wurde Herr C. durch eine Aufforderung in einem unserer Journale (wo wir nicht irren der Chronologen) veranlaßt, indessen hat er, wie man gleich sieht, von dem vorgeschlagenen ^.drsbs-w s, 8snota 6Is.ro. nichts beybehalten als etwa die Unterschriften. Alles ist in seinen Vorstellungen so sprechend, daß schon aus diesem Grund allein diesesmal eine umständliche Erläuterung unnöthig wäre, wenn uns auch nicht noch ein anderer wichtiger Umstand nöthigte, mit unfern Anmerkungen kurz und zurück haltend zu seyn. Der weltliche Orden, mit dem es hier Herr C. aufnimmt, ist einer der mächtigsten, ausgebreitetsten und zu gleich der empfindlichste und rachgierigste der ganzen Welt. Es ist keine Gesellschaft so ehrwürdig, keine Versammlung so heilig, in der er nicht Brüder hat. In den Werkstätten der Künstler und Handwerker, in den Facultäten der Gelehrten, ja selbst in den Cabinetten der Grosen haben sie sich eingeschlichen, und wenn man altern Nachrichten trauen darf, so haben sich einige Brüder so gar auf die erhabensten Throne der Welt zu schwingen gewußt, wie denn Pope und Boileau, zween sehr glaub würdige Schriftsteller, versichern, daß selbst Alexander mit dem Zunahmen Magnus von Makedonien, sich nicht gescheut, sich öffentlich zu dem Orden zu bekennen. Merkwürdig ist und ein sehr interessanter Umstand für die Geschichte der Menschheit, daß er sich, ohne geschriebene Geseze und ohne ein sichtbares Oberhaupt täglich stärker ausbreitet, und nun zu einer un erschütterlichen Festigkeit gediehen ist. Er bietet der Welt troz. Der Stachel der Satyre vermag so wenig gegen ihn, als Weisheit verbunden mit Macht; Lucian so wenig als Joseph der zweyte. Dieses rührt daher, seine Basis ist menschliche Natur, und so wie er durch sie steht, so kan er auch nur mit ihr fallen. Ja wäre Caligula's Wunsch in Erfüllung gegangen, und hätte er dem menschlichen Geschlecht mit einem Hieb den Kopf vor die Füße gelegt, so wären damit die Brüder noch nicht vertilgt gewesen, denn Bruder Caligula hätte noch gelebt. Die Leser werden uns also verzeihen, daß wir säuberlich mit diesem fürchterlichen Volk umgehen und nichts sagen, was irgend ein Mitglied auf sich selbst deuten könte. In Deutschland wäre dieses zumal gefährlich, denn da unter 20 Brüdern immer gewiß 19 Schriftsteller sind, die hier und da zu Journalen Zutritt haben oder wohl gar in litterarischen Dikasteriis präsidieren, so wäre man entweder selbst, oder doch eines Mühe so gut als verlohren. Solte sich indessen, troz unsrer großen Vorsicht und der ganz allgemeinen Ausdrücke, deren wir uns bedienen werden, irgend jemand beleidigt finden, so ersuchen wir ihn seinen Nahmen und Charakter an die Dietrichische Buchhandlung im laufenden Jahr einzusenden, so soll ihm im künftigen Calender vor der ganzen Welt Genugthuung geschehen.- Es ist nicht anzunehmen, daß ein Leser des Kalenders die Torheit begangen und sich beschwert haben sollte. Es sind nun in 12 Blättern verschiedene Arten der Narrheit darstellt, 1. Astrologischer oder Nativitätsnarr, wo sich eine Anzahl Leute um den Astrologen drängen zur Vernehmung ihres Schicksals; 2. Abergläubischer Narr, wo sich ein junges Paar aus dem Kaffeesatz Charakter und Art des zu erwartenden Kindes weissagen läßt; 3. April-Narr. »Ein gesetzter Mann«, setzt Lichtenberg hinzu, »schickt seinen Lehrpurschen in April. Die Jahre des Mannes und der Anstand, womit er es thut, lassen es fast zweifelhaft, auch wenn der Streich gelingen solte, welcher von diesen beiden dem Orden mehr Ehre macht«. Die folgenden beiden Blätter, »Artzney-Narr« und »Baad-Narr« betitelt, verspotten die eingebildeten Kranken und die stets beutegierigen Arzte. Das 6. Blatt »Aufrührerischer Narr« hat, wie wir aus Lichten - bergs Briefen wissen, eine Szene in London, wo Straßen tumulte in jener Zeit vorkamen, zum Hintergrund; das Blatt »Baunarr« ist trotz Lichtenbergs Erklärung etwas un verständlich, heute würde man es mit einem Streik der Maurer deuten können; dagegen sind der »Aufschneiderische Narr« und der »Kredit-Narr« zwei sehr glücklich getroffene Typen; ebenso der »Bramarbas«, der auf seine Zuhörer ein redet und vor Eitelkeit schier platzt, auch der sehr selbstbewußt auftretende Glücksritter, der nicht begreifen kann, daß ihm der Kaufmann kein Geld borgen will. Dem nächsten Blatt, »Komplimentier-Narr« bezeichnet (zwei Herren verbeugen sich tief vor einer Dame), gibt Lichtenberg die bezeichnende Er klärung: »Eine deutsche Scene, allen verständlich«. Ob er damit die Bedientennatur seiner Landsleute geißeln will, lasse ich dahingestellt. Das nächste Blatt stellt einen »ver liebten Narr« vor, der von seiner Angebeteten einen Korb erhält, und im letzten Kupfer: »Kalendernarr« wird das Kalenderwesen der Zeit verspottet. Wir sehen um einen Tisch Damen und Herren versammelt, die »in etwas exaltierter Weise«, wie Focke sich ausdrückt,") »ihr ganzes Interesse dem Inhalte eines kleinen Büchelchens, eines Ka lenders, zuwenden, den einer der Herren in der Hand hält«. Lichtenberg verspottet hier, wie so manche seiner Zeit genossen, die selbst Kalender Herausgaben — ich erinnere nur an Boie, Bürger, Schiller u. a. —, das Kalenderunwesen: die Kalendersucht, die damals herrschte, macht er lächerlich. Am Schluß des Artikels werden noch etliche solcher Aussprüche mitgeteilt werden. Den Jahrgang 1784 schmückten Kupfer zum Siegfried von Lindenberg, dem Roman von Johann Gottwert Müller, dem Jtzehoer Buchhändler. Unterm 10. Februar 1783 teilt Lichtenberg dem Verfasser mit, daß der nächste Jahrgang des Kalenders mit Kupfern zu seinem Werk versehen würde:") »Wie konten Sie, würdiger Mann, mich gleich in der ersten Zeile Ihres angenehmen Schreibens einer solchen Oscitantz be schuldigen und glauben, Sie wären mir unbekant? Ich habe Ihren Siegfried von Lindenberg schon in der ersten Ausgabe mit groser Theilnehmung gelesen, und mit noch mehrerer in in der zweyten, wie Sie auch schon daraus sehen können, daß ich Herrn Chodowiecky aufgetragen habe, die Kupfer zum nächst jährigen Calender daraus zu nehmen, und ich hoffe, seine Vor stellungen sollen ein Meisterstück werden. Ich habe ihm zu dem Ende ein gebundenes Exemplar zugeschickt und einige Scenen vorgeschlagen, ob er diese wählen wird, ist eine andere Frage. Er ist stoltz und läßt sich nicht rathen.« (Schluß folgt.) Kleine Mitteilungen. *Zur Revision der Berner Literar-Konvention. — Zu den Besprechungen im Auswärtigen Amt in Berlin am 24. April und den folgenden Tagen über weitere Abänderungen der Berner Literar-Konvention vom 9. September 1886 ^) Focke, Chodowiecki u. Lichtenberg. VIII, ") Lichtenbergs Briefe. II. 67,
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