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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 06.11.1908
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1908-11-06
- Erscheinungsdatum
- 06.11.1908
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- Deutsch
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12576 Börsenblatt s. d. Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. . ^ 2LS, 6. November 1908. solchen vorhanden wäre, würden nicht annähernd ausreichen. So fehlten den norddeutschen Landesbibliothrken die meisten Verlagswerke des Südens, während umgekehrt die süd deutschen Bibliotheken nur wenig vom norddeutschen Bücher markt profitierten. Selbst die berühmte Berliner Königliche Bibliothek besitze kaum ein Zwanzigstel der im süddeutschen Verlage erschienenen Publikationen. Drittens müßten die Landesbibliotheken, entsprechend ihrem Selbstzweck, einen großen, wenn nicht den größten Teil ihrer veriügbaren Mittel zum Ankauf älterer oder außerhalb der Reichsgrenzen ver legter Bücher verwenden und seien gar nicht in der Lage, die angedeuteten Lücken auszufllllen. Man steht, der Herr Graf hatte sich eingehend mit seinem Thema beschäftigt, aber doch nicht genug, um nicht zu schiefen Ansichten zu kommen, deren vornehmlichste die von den -durchweg vorzüglichen Landesbibliotheken« ist. Ich weiß nicht, ob der Fortschritt in diesen bis zum Jahre 1902, wo Graf von Rehbinder schrieb, ein sehr bedeutender gewesen ist, es spricht zu vielerlei gegen eine solche Annahme; Tat sache ist, daß die Verhältnisse in fast allen deutschen Biblio theken gegen das Ende des vorigen Jahrhunderts sehr viel zu wünschen übrig ließen. Überall fehlte es an Mitteln, um klaffende Lücken in den vorhandenen Beständen auszusüllen, um mit der neueren Literatur auch nur einigermaßen Schritt halten zu können. Das wissenschaftliche Personal war an manchen Stellen ungenügend an Zahl, an andern ungeeignet, weil noch aus der Zeit stammend, in der man Bibliothekar stellen ohne Bedenken Schiffbrüchigen aller Art, ja selbst körperlichen oder geistigen Krüppeln bei einem erbärmlichen Gehalte übertrug. Die Direktorenstellen aber und Stellen an Universitätsbibliotheken verlieh man zum Teil als Bei hilfen für Leute mit sonst ungenügendem Einkommen, ohne sich darum zu kümmern, wer neue Kataloge in moderneren Formen herstelle, wer die Zugänge in die vorhandenen Kataloge fachmännisch verarbeite und wie diese Kataloge, wenn überhaupt vorhanden, seien. Manche Bibliotheken hatten ungenügende, ja selbst keine Realkataloge, manche systematisch aufgestellte Bibliotheken nicht einmal einen Standortskatalog, der, wenn geschickt gemacht, einen Realkatalog wenigstens teilweise hätte ersetzen können, — eine Folge davon, daß überall, wie zum großen Teile heute noch, zu wenig Mittel-Beamte und eben so wenig Unterbeamte, Dienerpersonal, angestellt waren. Da nun die wissenschaftlichen, wie schon erwähnt, schlecht, aber wieder für gewisse Leistungen zu hoch bezahlten Beamten Tag für Tag einen großen Teil ihrer gewiß nicht übermäßig großen dienst lichen Arbeitszeit auf Schreiber- und Dienertätigkeiten ver wenden mußten, so braucht man sich über vielfach damals zu findende, äußerst mißliche Verhältnisse nicht zu wundern. Diese und ähnliche, für jeden mit Liebe zu seiner Amts tätigkeit und mit offenen Augen begabten, wahrheitsliebenden und, selbstlosen Mann offenkundigen Skandalös« trieben eines schönen Tages Ende der 70er Jahre drei junge, für ihr Amt begeisterte Bibliothekare in ein kleines Zimmer des Cafe Felsche in Leipzig, um daselbst vier Stunden lang zu be raten, was zur Hebung des in ihren Augen bedauernswerten deutschen Bibliothekswesens geschehen könne. Der eine war Rudolf Müldener, damals an der Göttinger Bibliothek, leider etwas Brausekopf, bekannt als langjähriger Heraus- vorher im amtlichen Aufträge eine Studienreise durch die preußischen Bibliotheken gemacht und über sie an das preußische Kultusministerium berichtet Der zweite war Karl Kehrbach, damals an der Halleschen Bibliothek, gleichfalls Hitzkopf und Draufgänger, später Gründer und Herausgeber der dlooumeota OvrwamLe pseäLgogiea. Er war in seiner Stel lung nicht beliebt, einmal seines Naturells wegen und dann, weil er, man denke, das Seminar, aber nicht das Gymnasium absolviert hatte. Gewisse Leute bildeten sich damals nämlich ein, und andere tun es auch heute noch, eine Bibliothekar stelle dürfe nur ein Philolog oder ein Historiker einnehmen, ohne sich zu sagen, daß die an manchen Bibliotheken zu findenden bedauerlichen Katalogzustände gerade Philologen und Historikern zu verdanken sind. Der Dritte im Bunde der Verschwörer lebt noch, sein Name sei daher verschwiegen. Genug, Brause-Kehrbach, dem es weiter nicht darauf ankam, seine Stellung aufs Spiel zu setzen, veröffentlichte in Nr. 68 (— Band 6, Nr. 7 vom 1. Juli 1880) der längst ein gegangenen -Allgemeinen Literarischen Correspondenz« einen Artikel: -Eine deutsche Reichsbibliothek«, der, vom Stand punkte des Bibliothekars betrachtet, sozusagen Hände und Füße hatte. Er knüpfte daran an, daß ein deutscher Ge lehrter damals erklärt hatte, er ziehe es vor, zu seinen Arbeiten dos Londoner Britische Museum zu benutzen, weil er sicher sei, dort alles nötige Material, selbst an deutschen Werken beisammen zu finden, während es in Deutschland erst mit vielen Kosten und Zeitaufwand aus den verschieden sten Bibliotheken zusammengesucht werden mußte. Damals konnte er es sagen, weil das Berliner Auskunslbureau noch noch nicht bestand, durch das man jetzt, für je 10 Pfennig für jedes Werk, darüber Nachweisungen erhält, an welchen Stellen in Deutschland beliebige Werke zu finden sind. Man muß Kehrbach recht geben, wenn er behauptete, es gebe in Deutschland keine Bibliothek, in der man, wie im Britischen Museum oder in der Pariser Nationalbibliothek, die gesamte Literatur eines Landes vereinigt finden könne. Aber man darf doch auch nicht vergessen, daß das Britische Museum die mit Millionen-Mitteln arbeitende Zentralstelle für Groß britannien ist, während in Deutschland mit seinen, abgesehen von der Berliner Königlichen Bibliothek, im Verhältnis zur Bllcher- produktion elend dotierten unzähligen Landes- und Universitäts- Bibliotheken jede von diesen sür sich wirtschaftete und mit ihren schwachen Mitteln wohl oder übel Universalbibliothek sein mußte. Also Kehrbach war über diese Verhältnisse ebenso unterrichtet wie aufgebracht, und schloß sich mit seiner Ansicht der des Reichstagsabgeordneten Professor vr. von Schulte an, der schon im Jahre 1874 bei Beratung des Preßgesetzes behauptet hatte, daß unser Bibliothekswesen gegenüber dem anderer Staaten zurückstehe. Kehrbach bedauerte, daß wir mit unserer großen Nationalliteratur zwar unter den Pro duzenten auf geistigem Gebiete mit in erster Linie stehen, aber die Pietät bis dahin gefehlt habe, für die Früchte des deutschen Geisteslebens eine Sammelstätte zu errichten. Noch niemand habe daran gedacht, eine deutsche Reichsbibliothek zu errichten, auf die noch mehr als auf die Göttingische Bibliothek Goethes Wort passen werde: »Man fühlt sich wie in der Gegenwart eines großen Kapitals, das geräuschlos unberechenbare Zinsen spendet«. Seiner Ansicht nach hätten England, Frankreich, Italien und die Vereinigten Staaten nicht allein durch Geld cs möglich gemacht, ihre literarischen Erzeugnisse, und auch die scheinbar unbedeutendsten vor dem Untergange zu bewahren. In den betreffenden National bibliotheken würden nicht nur die in den Buchhandel kom menden und käuflich zu erwerbenden Drucksachen gesammelt, sondern auch solche, die nicht für Geld zu haben seien, als Ver ordnungen von Behörden, Statuten von Vereinen, Fest programme u. a. m. Die Vollständigkeit jener ausländischen Bibliotheken könne also nicht in den Fonds gesucht werden, sondern in der gesetzlichen Bestimmung, wonach von jedem gedruckten Werke kurz nach dem Erscheinen eine bestimmte Anzahl von Exemplaren an die Bibliotheken oder an die Regierung abgeliesert werden mußte. Der gute Kehrbach würde, wenn er noch lebte, staunen, zu erfahren, daß auch heute noch viele staatliche Behörden und
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