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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 28.10.1908
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1908-10-28
- Erscheinungsdatum
- 28.10.1908
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
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12076 Sörienblatt I. d. Dychn. vuchhanbel. Nichtamtlicher Teil. ^ SSL, 28. Oktober 1S08. Die Presse ist also eine Macht, mit der gerechnet werden muß und deren Wirkungen allenthalben zu spüren sind. Ob diese Wirkungen heilsam sind oder verderblich, das hängt von dem Charakter der Menschen ab. in deren Hände jene Waffe gelegt wird. Freytag stellt alle diese Tatsachen mit humorvollem Realismus vor uns hin; Licht- und Schatten seiten werden bemerklich gemacht! aber zugleich kommt der Optimist dadurch zu Worte, daß die Führung der Handlung in die Hände des anständigen Journalismus gelegt wird und sein Gegenteil sich mit der Rolle des Gegenspielers be gnügen muß. 1802 erlebte dieses Kunstwerk allenthalben in Deutsch land gelegentlich seines sünfzigjährigen Geburtsjahres eine srohe Auferstehung; außerdem machte sich dieses Jubiläum aber auch dadurch bemerklich. daß eben damals ein neues Journalisteudrama auf der deutschen Bühne erschien, das ursprünglich sogar den gleichen oder einen ähnlichen Titel — »Die Revolverjournalisten» — hatte führen sollen. Es war »Die Gerechtigkeit«, eine Komödie in sünf Akten von Otto Ernst. Otto Ernst schreibt nicht als Humorist, sondern als Polemiker. Er betrachtet nicht die Macht der Presse als eine gegebene Tatsache, aus der er sich lächelnd, wenn auch unter Tränen, absände, sondern er zieht das Schwert der Satire und schlägt drein gegen alles, was ihm als Schäd ling erscheint. In der Schlußszene weist der Held des Stückes und Wortführer des Verfassers dem Besitzer der Nevolverzeitung die Tür: »Das also ist ein geistiger Nähr vater der Menge?» Sein Freund fährt fort: »Jawohl: ein Lehrer. Priester. Arzt und Anwalt des Volkes in einer Person». — »Aber das Publikum sängt an. sie zu erkennen. Kinder! Freundei Das Publikum empört sich gegen die Schandpresse: Das ist Morgenrot, das ist wahrhaftiges Morgenrot!» — »Du hattest recht. Junge, es ist noch Unschuld und Austrieb in den Massen.» — »Und Du hattest recht: beim Publikum ist die Macht» .... Infolgedessen ist das Allgemeine, was Otto Ernst dar stellt. nicht die Stellung der Presse im Kulturzusammenhang, sondern Wert und Unweit des gegenwärtigen Zeitungs- wesens an sich. Der Anfang führt uns in das Redaktions- zimmer; der Chefredakteur verhandelt mit dem Metteur. »Und wie weit soll der Roman gedruckt werden?» — »Hier: .Der Brigant kniete auf der Brust seines bedauernswerten Opfers und zielte mit dem blitzenden Dolch nach dem Auge desselben' .... Fortsetzung folgt. So weit». Daraus eine Redaktionssitzung, in welcher der Drucker und Hauptteilhaber des Blattes seine Prinzipien entwickelt: »Djä. meine Herrn, wir müssen mLl ernstlich mit'nander reden! So geht es nämlich nich weiter, meine Herrn. Wir kommen nich vom Fleck. Wir haben 15 000 Abonnenten, un dabei bleibt es. Das is nix. Das is gar nix. Dabei kriegen wir keine Annoncen. Wir sind noch'n junges Blatt, un wenn 'n junges Blatt heutzutage Annoncen haben will, dann muß es sagen können: 100 000 Abonnenten. >L> ... Wir wolln 'n Blatt schaffen, was alle gern lesen. Das is ja grade mein erstes Hauptprinzip l Uber Religion wird überhaupt nich gesprochen, un was sons passiert, das muß so behandelt werden, daß es der Konser vative grade so gut lesen kann wie der Sozialdemokrat . . . . Sie müssen immer bedenken: Die Sozialdemokraten annon cieren grade so gut wie die Konservativen, un die Freisinnigen ihr Getd is auch kein Blei .... Für mich is die Zeitung 'n Geschäft wie alle andern Geschäfte. Der eine handelt mit Seife, der andre hingegen mit öffentliche Meinung.» Die Handlung des Dramas ist die Geschichte dieser Zeitung, und der Spezialsall. der auch hier herausgegriffen wird, ist der Kampf der Kunstkritik gegen einen jungen talentierten Kapellmeister und Komponisten. Also aber mals eine Beschränkung im Vergleich mit Gustav Frcytag. Der Wert einer Dichtung richtet sich nach ihrem Lebensgehalt, nach den in ihr zu Tage tretenden Gegenwartsinteressen und -Ideen. Um diesen realen Boden zu gewinnen, wird sie — wie es die Worte Julian Schmidts ausdrücken. die Gustav Freytag seinem Roman »Soll und Haben» als Motto voranstellte — das deutsche Volk da aufsuchen, wo es in seiner Tüchtigkeit und Eigenart zu finden ist, bei seiner Arbeit. Es handelt sich jedoch dabei nicht um das Esoterische der Berufe, nicht um die Frage, ob in ihnen diese oder jene Reformen not tun, sondern um die bedeutungs- und wirkungsvollen Beziehungen, in denen diese zum Volke oder zu den einzelnen Gliedern des Volkes stehen. Dies die verschiedene Problemstellung in den -Journalisten» und der -Gerechtigkeit». Weiter nimmt da bei der Dichter- oder überhaupt der Künstlerberus eine Aus nahmestellung ein. Die Selbstdarstellung des Künstlers im Kunstwerk steht füglich auf einer niedrigeren Stufe als die Schilderung der anderen, nicht künstlerischen Klassen, wo von freilich alle die Dichtungen auszunehmen sind, in denen der Künstler als wegen seines gesteigerten Nervenlebens besonders prägnanter Typus des Menschentums heraus gegriffen wird. Endlich verdient die polemische Darstellung der Gegenwart eine niedere Wertung gegenüber derjenigen, die Gegenwartsanlässe als Gelegenheitspoesie im höchsten Sinn zur allgemein menschlichen und damit dauernden Bedeut samkeit erhebt. Soeben ist nun noch ein drittes Journalistendrama auf dem Plan erschienen: »Oaha», Schauspiel in fünf Aufzügen von Frank Wedekind.') Auf den ersten Blick scheint es an die Seite von Otto Ernsts Werk zu gehören. Auch hier die Geschichte einer Zeitung, des satirischen Witzblattes »Till Eulenspiegel«; auch hier eine Besprechung von Besitzer und Mitarbeiter über die Hebungsmöglichkeiten des Unternehmens: »Wozu, meine Herren, hat denn Gott im Himmel den Staats anwalt geschaffen? Der Staatsanwalt muß dafür sorgen, daß jedermann von unseren Witzen spricht. Ich bitte Sie, wozu ist denn der Staatsanwalt sonst auf der Welt, als daß er uns hilft, den .Till Eulenspiegel' zu einem Welt blatt zu machen . . . Man bringt ein Zeitungsblatt nun einmal nicht durch Kunst oder Literatur in die Höhe. Man bringt ein Zeitungsblatt lediglich durch gerichtliche Konfis kationen in die Höhe! Man bringt ein Zeitungsblatt nur dadurch in die Höhe, daß man es alle drei Wochen einmal aus diesem oder jenem Grunde durch den Staatsanwalt konfiszieren läßt Der Mann wartet ja Tag und Nacht nur darauf, daß wir ihm durch irgend einen Witz, durch irgend ein Gedicht, durch irgend eine Erzählung Ge legenheit geben, Reklame für uns zu machen und unsere Abonnentenzahl um das Dreifache zu vermehren.» -— Durch eine Majestätsbeleidigung — ein Gedicht auf die Palästina fahrt des Deutschen Kaisers — gelingt der Plan. Der Verfolgung entzieht sich der Verleger durch die Flucht nach dem Auslande. Aber als er seine Begnadigung erwirkt, indem er der Regierung erspart, ein peinliches Überkonto dem Reichstag vorlegen zu müssen, entstehen neue Schwierig keiten im eigenen Hause. Er muß seine Mitarbeiter zu Teilhabern aufrücken lassen; alsbald verliert er auch sein eigenes dabei gelöstes Vermögen in einer gewagten in dustriellen Unternehmung. Schließlich muß er froh sein, als ihn seine einstigen Angestellten als Sitzredakteur seines eigenen Blattes engagieren. Weiterhin bietet das starke Hervortreten der polemischen Satire eine Parallele zu dem Schaffen Otto Ernsts. Nur eins ihrer Objekte sei angeführt: Vor seiner Flucht ins Ausland *> Berlin 1808, Bruno Cassirer.
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