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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 28.10.1908
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1908-10-28
- Erscheinungsdatum
- 28.10.1908
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
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^ 252. 28. Oktober 1908. Nichtamtlicher Teil. «Srl-I,n»u s. d. Dtschn. Buchhandkl. 12077 überträgt der Besitzer der Zeitschrift einem Stellvertreter die Leitung des Unternehmens: -Ich habe bei Kortum in Stuttgart angesragt. warum man Ihnen bei Ihrem Weg gang so glänzende Empfehlungen mitgegeben hat. Das kam mir natürlich verdächtig vor Aber Kortum in Stuttgart antwortete mir. man habe Ihnen bei Ihrem Weggang diese glänzenden Empfehlungen nur deshalb mitgegeben, weil Sie für Ihre dortige Stellung zu selbständig waren.» Der Empfohlene unterschlägt jedoch 24 000 und wird entlassen, nachdem er sich in einem Revers verpflichtet hat. das Entwandte auf Heller und Pfennig zurückzuzahlen. Da erklärt er: -Wenn nur ein Wort von dem bekannt wird, was ich hier unterschrieben habe, dann können Sie sehen, wie Sie wieder zu Ihrem Gelde kommen. Bevor ich vorher vergeblich die ganze Welt nach einem neuen Verdienst absuche, um schließlich doch eingelocht zu werden, lasse ich mich schon lieber gleich heute einsperren.« — -Das glaube ich Ihnen, daß Ihnen das so passen könnte! So daß wir schließlich noch schuld wären, daß Sie keine Arbeit finden! Nein, verehrter Freund, dafür ist schon gesorgt! Hier haben wir Ihnen ein Zeugnis ausgestellt: ,Die Unter zeichnete Verlagsfirma Georg Sterner bescheinigt hiermit, daß Herr Bertold Vollmann zwei Jahre lang zu ihrer größten Zufriedenheit als Buchhalter bei ihr tätig war. daß Herr Vollmann während dieser zwei Jahre nicht den leisesten Grund zu Klagen gegeben hat. und daß die Firma deshalb gerne die Pflicht erfüllt, Herrn Bertold Vollmann für alle etwaigen weiteren Dienstübernahmen die glänzendsten Empfehlungen mitzugeben'.» Sogar noch einen Schritt über Ernst hinaus scheint Wedekind auf dem Wege zum reinen Literaturdrama ge gangen zu sein. Die politische Tätigkeit der Presse, die bei Gustav Freytag das entscheidende Moment ist. erscheint völlig ausgeschaltet, und überhaupt ist eine Wirkung nach außen, wie sie sich bei Otto Ernst doch immerhin auf dem eng umgrenzten Gebiet des Künstlertums äußert, nirgends zu beobachten. Die Szene stellt während des ganzen Stückes das Redaltionslokal dar. Die auftretenden Personen sind eigentlich ausnahmslos Besitzer, Maler. Schriftsteller. Buch halter des Blattes und ihre Familienangehörigen. Die Sorge um die äußere Fortbildung des Unternehmens ver quickt sich alsbald mit den Prinzipien der inneren Technik, also Fragen nach dem Wesen von Humor, Satire. Komik. Wie soll das Witzblatt redigiert werden, wenn plötzlich keinem der Mitarbeiter mehr Witze einfallen? Verschiedene Vorschläge werden gemacht: »Um eine ergiebige, zu verlässige Bezugsquelle für brauchbare Witze zu haben, täte man meiner Ansicht nach am besten, einen richtigen Trunkenbold anzustellen. ein vollständig ver kommenes Subjekt, wissen Sie, einen Lumpenkerl, der nicht nur keinen Funken Achtung mehr vor sich selbst hat, sondern der auch alles übrige verachtet, was von irgend einem Menschen in dieser Welt aus irgend einem Grunde geschätzt wird.« — -Ein Mensch muß eben nicht nur geistig minderwertig, sondern er muß auch körperlich zurückgeblieben sein, damit er berufsmäßig andauernd gute Witze liefern kann.» — »In erster Linie muß das Wesen, das der Till Eulenspiegel zum Witzemachen anstellt, jedenfalls jür nichts in der Welt mehr Liebe oder Haß empfinden. In zweiter Linie muß das Wesen dann aber notwendig auch noch an Gedankenflucht leiden. Das macht die Sache so unge heuer schwierig. Es darf keine Ahnung davon haben, was in der Welt zueinander gehört. Es muß die aller- entferntesten Dinge in innigste Verwandtschaft zueinander bringen und muß sie dann nachher alle wie Kraut und Rüben durcheinander schmeißen.» Die gewünschte Persönlich keit wird in einem idiotischen Schweizer Oaha gefunden, der Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 7b. Jahrgang. auf das Gedeihen des Blattes alsbald denselben fördernden Einfluß ausübt wie der Majestätsbelcidigungsprozetz. Endlich wird, wer, wie die meisten Leser dieser Zeilen, der Lebenssphäre Wedekinds nicht zu fern steht, in allem dem Geschilderten mit Leichtigkeit Persönliches und Persönlichstes erblicken. Doch lehrt die Literaturge schichte wie das Vorwalten solcher Interessen das Publikum ungerecht machen und den Erfolg eines Werkes ge fährden kann wie nur irgend etwas; es sei besonders an Goethes - Weither» und die Wertherliteratur erinnert. Anderseits beruht die ganze Kunstlehre eines gemäßigten Realismus darauf, daß der Dichter sich auf den sicheren Boden des Erlebten stellen und doch allgemeinere Eindrücke wachzurufen weiß. Das neueste Journalistendrama wird also durch die genannten Bedenken nichts an Wert einbüßen, wenn es sich trotz alledem als Kunstwerk erweist. Außerdem haben wir das Recht, uns an dem Geschaffenen zu freuen und uns unsere Freude durch die Überlegung zu erklären, ohne daß sich der Schaffende der so festgestellten Prinzipien bewußt gewesen zu sein oder sie auch nur gehabt zu haben braucht. Tatsächlich lernen wir nicht nur die Geschichte der einen Zeitschrist und nicht nur das Wesen des Journalismus kennen, sondern diese sind ein Spiegel, der uns das Menschenleben nnd Treiben überhaupt weist. Freilich ein verzerrender Spiegel, der der Karikatur. Der Bühnenftil des Wedekindschen Dramas verhält sich zu dem des gangund- gäben Schauspiels wie die Bilder des satirischen Witzblatts — mit ihren einzelnen großen Gliedern und übertriebenen Physiognomien — zu denen der Gemäldegalerie. Bismarck würde bei Wedekind mit den aus dem »Kladderadatsch» bekannten drei Haaren auftreten und sich in jedem Akt wenigstens einmal überlegen, ob er den Scheitel auf der rechten oder linken Seite tragen solle. Die ganze Handlung des Dramas mit dem Engagement des Verlegers als Sitzredakteur am Schluß ist ein Epi gramm. und in Epigrammen sprechen die Personen. In dieser Form gibt der Verfasser auf der Bühne ein Bild des modernen Lebens, wie es sich ihm darstellt, inhaltlich also eine wertvolle Weiterbildung der Tendenzen seines bisherigen Schaffens, das wir wenigstens vorläufig in einem —- leider unvollständigen — Überblick in dem Buch von Julius Kapp (Berlin 1909) übersehen können. Auch die theoretischen Debatten über die Komik finden für das künstlerische Gefühl eine gewisse Rechtfertigung. Denn der Dichter stellt ganz offensichtlich die These auf, daß die verkommene Mehrzahl der Mitarbeiter jenes Witzblattes eben durch ihre moralischen Defekte die rechten Vertreter der satirischen Journalistik sein können. Vielleicht sollen sie auch an der negativen Tätigkeit des Satirikers geistig zu Grunds gegangen sein. Aber eben die Satire — und dazu der grobe satirische Witz — ist die Kunstsorm dieses wie der meisten Wedekindschen Werke. Man kann also zwischen den Zeilen lesen oder zwischen den Szenen hören, wie der Dichter selbst vor seinen Worten warnt. Darin steckt ein gut Stück dessen, was frühere Jahrzehnte als romantische Ironie bezeichnet haben. Aber der Dichter braucht nur vor den Elementen seines Werkes zu warnen, die jener Richtung angehören. Denn neben den plump humoristischen Teilen — die sich also selbst kritisch aufheben — finden sich bei ihm immer bitter ernste Partien, hier die Szenen eines jungen Dichters Bouterweck, der durch die Teilnahme an jener Zeitschrift wirtschaftlich und seelisch an den Rand des Verderbens gebracht wird. Sie sind wirklich ernst zu nehmen, wenn sie auch durch die Nachbarschaft statt tragisch nur grauenhaft, gräßlich. ! tragikomisch wirken können. Treffen wir doch die Gestalt 1574
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