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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 15.10.1906
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1906-10-15
- Erscheinungsdatum
- 15.10.1906
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- Deutsch
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10096 Nichtamtlicher Teil. ^ 240, 15. Oktober 1906. stellung bringen, und solche, die unter dem Einfluß der deutschen Renaissancebewegung entstanden sind. Als Beispiel für beide Gruppen mögen zwei Berliner Ausstellungsplakate dienen, eins für 1893 von Ernst Hildebrandt, eins für 1894 von Professor Emil Döpler dem Jüngern. Beide Blätter haben zwar dekorativen Stil, aber keine plakatmäßige Fernwirkung; sie erinnern in ihrer Behandlungsweise etwa an Adressen oder Diplome. Auch wenn ein junger Künstler, der damals in der Kunstwelt zur äußersten Linken gehörte, wie Ludwig von Hofmann, ein Plakat entwirft, ist der Effekt der gleiche. Für die geringe Schätzung, die ein Plakat damals genoß, zeugt übrigens der Umstand, daß von der Hofmann- schen »Freien Berliner Kunstausstellung« trotz der künstlerischen Schönheiten des Blattes nur ganz wenige Exemplare übrig geblieben sind. Mehr Plakatstil hat Franz Stucks Athene kopf für die Münchener Sezession; aber auch hier wird die Fernwirkung durch die Nachahmung des Mosaikstils be einträchtigt. Von einer eigentlichen Plakatbewegung kann man in Deutschland erst seit dem Jahre 1896 reden. Zu den frühesten plakatmäßig wirksamen Affichen gehört Sütterlins Hammerplakat für die Berliner Gewerbeausstellung 1896, die aus der Erde emporragende Arbeiterfaust mit dem Hammer vor blauem Grunde, die der Welt verkünden sollte, daß unermüdliche Arbeit aus dürrem Erdreich die stolze Kaiserstadt habe erstehen lassen, deren Türme und Kuppeln man im Hintergrund erblickte. Die kräftige und nachhaltige Wirkung des Blattes beruhte sowohl auf seiner geschickten plakatmäßigen Stilisierung, als auch auf der allgemein verständlichen, knapp und prägnant aus gedrückten Idee. Der beste Beweis für seinen Effekt war der Umstand, daß es von Edmund Edel zugunsten der Barrisons travestiert wurde, indem der letztere die gesamte Komposition unverändert beihehielt und die Arbeiterfaust durch eine elegant behandschuhte Gigerlhand ersetzte und an Stelle der Bärenköpfe an den Säulen der Umrahmung die Lockenköpfe der Schwestern anbrachte. Anregend wirkten ferner die plakatmäßig gehaltenen Titelblätter der seit dem 1. Januar 1896 erscheinenden »Jugend«, und zu Ostern des selben Jahres trat Thomas Theodor Heine mit seinen Simplizissimus-Plakaten auf den Plan, von denen besonders das mit den roten Bulldoggen von durchschlagender Wirkung war. Eine ganz persönliche Stilisierung verband sich hier mit vollendeter Beherrschung des Plakatstils. Bald folgte Otto Fischers »Alte Stadt«, in der alle technischen Er rungenschaften des Auslands benutzt waren und die doch so echt deutsch, so ganz selbständig wirkte. Eine glänzende Ära schien für die Plakatkunst angebrochen. Und nun bin ich wieder zu dem Ausgangspunkte meines Vortrags zurück gelangt und wiederhole die eingangs aufgeworfene Frage: Hat die Bewegung die auf sie damals gesetzten Forderungen gerechtfertigt? Wenn Sie nur nach den hier im Saal ausgestellten Blättern urteilen wollten, verehrte Anwesende, so würden Sie, glaube ich, zu einer Bejahung der Frage gelangen müssen. Welche Fülle interessanter Lösungen der Aufgabe, welche Menge eigenartiger Künstler tritt uns hier entgegen: Heine, Jank, Feldbauer, Münzer, Witzel, Bek Gran, Fidus, Edel, Neumann, Fischer, Unger, Lang, Neuen du Mont, Langhein, Eichrodt, Orlik, und wie sie alle heißen mögen. Und auch im deutschen Österreich, in der deutschen Schweiz finden wir berufene Meister des Plakats, wie Moser, wie Auchentaller, wie Sandreuter. Welche Verschiedenheit der Stile und Techniken! Die einen haben eine mehr zeichnerische, streng flächenhafte Manier, die andern eine freiere, mehr malerische Weise bis zum kühnen Impressionismus in der Saharet Neumanns; der eine ist ernst und feierlich, der andre wünscht humoristisch zu wirken; der eine sucht seine Motive in der Umwelt, huldigt, wenn ich so sagen darf, einem stilisierenden Realismus, der andre strebt einen vor wiegend ornamentalen Eindruck an. Und die Zahl der hier vorgeführten Beispiele ließe sich verdoppeln, ja verdreifachen, ohne daß das Niveau wesentlich sänke. Aber beweist das wirklich, daß die Bewegung auf der ganzen Linie gesiegt hat? Ich meine, es beweist nur, daß es in Deutsch land eine ganze Anzahl begabter Künstler gibt, die imstande sind gute Plakate zu zeichnen, und dies auch gelegentlich getan haben. Wenn Sie sich aber die Eindrücke vergegenwärtigen, die Sie bei Betrachtung der Plakate der Anschlagssäulen, Anschlagstafeln, Bahnhofs hallen rc. deutscher Städte in den letzten zehn Jahren von dem Stande der deutschen Plakatkunst empfangen haben, so wird Ihr Urteil wohl sicherlich weit weniger günstig lauten; Sie werden sich dann voraussichtlich erinnern, selten genug unter einem Wust des Mittelmäßigen und Schlechten einer wirklich erfreulichen Leistung begegnet zu sein. So viel Schönes die Plakatbewegung uns auch gebracht hat, — in die Breite ist sie bisher nicht gegangen, das Niveau der Gesamtproduktton hat sie noch nicht wesentlich gehoben. Aller dings haben die Affichen jetzt vielfach ein andres Aussehen als früher; das Bildmäßige herrscht nicht mehr allein, man begegnet vielfach einer äußerlichen plakatmäßigen Stilisierung; an die Stelle des Süßlichen ist häufig Plumpheit und Roheit getreten — vom künstlerischen Standpunkt gewiß kein Fort schritt! Es ist kein Zweifel: die Geschäftswelt hat sich bisher zum großen Teil der Bewegung gegenüber ablehnend ver halten — nicht nur die großen Firmen des Handels und der Industrie, sondern auch, was fast noch bedauerlicher ist, gerade die Unternehmungen, die in andern Ländern zu den hauptsächlichsten Auftraggebern der Plakatmaler gehören: die Theater, Ballhäuser, Varietes, Restaurants und sonstige Vergnügungslokale. In Berlin schien es vor zwei Jahren besser werden zu sollen, als der Wintergarten Neumanns geistvolles Saharetplakat herausbrachte. Aber schon nach wenigen Tagen verschwand es wieder von den Säulen und wurde durch ein Machwerk ersetzt, auf dem der Kopf der gefeierten Tänzerin in kitschiger Süßlichkeit erstrahlte. Die Leiter der Berliner Etablissements sollen der Überzeugung sein, daß nur derartige Blätter auf ihr Publikum wirkten. Das wäre gewiß bedauerlich, wenn es so wäre; aber daß es nicht so ist, scheint mir der Vorgang Münchens zu beweisen, wo seit den letzten Jahren zahlreiche Vergnügungslokale die Hilfe von tüchtigen Plakatkünstlern in Anspruch genommen haben, und zwar immer wieder, woraus wohl zu schließen ist, daß sie mit diesem Versuche keine schlechten Erfahrungen gemacht haben. Worin aber mag im übrigen die ablehnende Haltung der Geschäftswelt begründet sein? Verschiedene Umstände lassen sich hierfür verantwortlich machen. Einiges werden dazu gewiß die polizeilichen Beschränkungen beigetragen haben, denen das Ankleben der Plakate in Deutschland unterworfen ist. In Berlin ist die Affiche auf den, engen Raum der Litfaßsäule beschränkt; größere Blätter müssen daher, um überhaupt zur Wirkung zu kommen, in schmalem Hochformat ausgeführt sein. Gewiß mag manchen Geschäftsmann die beschränkte Verwendungsmöglichkeit der Straßenplakate von der Benutzung solcher überhaupt .abhalten In München liegt es in dieser Beziehung insofern wesentlich besser, als dort neben den Anschlagsäulen auch lange Reihen von An schlagtafeln und überdies die Wandelhalle des Zentralbahn hofs zur Verfügung stehen. Der Künstler ist somit an keinerlei Schranken des Formats gebunden, und ich zweifle nicht, daß dieser Umstand mit zu dem verhältnismäßig gün-
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