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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 15.10.1906
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1906-10-15
- Erscheinungsdatum
- 15.10.1906
- Sprache
- Deutsch
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- Saxonica
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stigeren Stande der Münchener Plakatkunst gegenüber andern deutschen Städten beigetragen hat. In gewissem Grade trifft auch mqnchen Künstler eine Mitschuld an den geringen Erfolgen der Bewegung. Die Künstler, die Plakat aufträge übernehmen, sind sich nicht immer klar bewußt ge blieben, daß sie bei einer derartigen Arbeit einen Teil ihrer künstlerischen Selbständigkeit naturgemäß aufgeben mußten, daß der Besteller regelmäßig nicht den Mäcen spielen, ihnen nicht bloß eine erwünschte Gelegenheit geben wollte, sich vor einer breiten Öffentlichkeit mit einer Leistung großen Stils zu betätigen, sondern daß er durch ihre Arbeiten verdienen wollte. Sie haben sich nicht immer gegenwärtig gehalten, daß ihre Arbeit also den Zweck erfüllen sollte, demjenigen Teile des Publikums, den ihr Auftraggeber als Abnehmer im Auge hatte, sowohl aufzufallen wie zu gefallen — letzteres natürlich nicht immer in dem Sinne der Erregung ästhetischen Wohlgefallens an schöner Form oder künstlerischer Mache, sondern auch in dem Sinn, daß er sein Publikum durch eine wirkungsvoll vorgetragene witzige Pointe erheitert oder es interessiert, gelegentlich vielleicht sogar rührt. Handelt es sich freilich darum, ein neues Organ für Kunst und Literatur moderner Richtung zu empfehlen, so wird sich der Künstler keinerlei Beschränkungen aufzuerlegen brauchen — der Teil des Publikums, der dann in Betracht kommt, wird gerade eine kühne, ganz persönliche Leistung zu goutieren wissen. Wendet sich das anzupreisende Produkt aber an die breite Masse des Publikums, so muß der Künstler auf deren Geschmack gewisse Rücksichten nehmen; hier kommt es auch nicht nur auf das »Wie», sondern wesentlich auch auf das »Was«, auf den Gegenstand der Darstellung an. Der Künstler braucht darum noch lange nicht seine Persönlichkeit zu verleugnen, süßlich und kitschig zu werden. Als Beweis möchte ich Ihnen ein Blatt Steinlens: »llmt pur stsrilisS« vorführen. Steinlen ist glänzender Schilderer des Pariser Lebens; mit furchtbarem Realismus hat er das Treiben von Verbrechern und Dirnen in den Vorstadtquartieren von Paris, hat er die Stätten des Elends und des Lasters geschildert. Und dieser selbe Mann hat hier, wo es sich um die Empfehlung einer Milch handelt, ein Blatt geschaffen von einer Liebenswürdigkeit und Anmut, die wohl jeden Beschauer gefangen nimmt, mag er ein Freund oder ein Gegner moderner Bestrebungen sein oder mag er künstlerischen Dingen im allgemeinen gleichgültig gegenüberstehen. Trotzdem wird aber gewiß niemand be haupten wollen, daß das Blatt kein echter Steinlen sei, daß es an Wert den andern Arbeiten des Künstlers nachstehe. Noch in einem andern Punkt wird von Künstlern ge legentlich gesündigt: in Beziehung auf die Leserlichkeit der Schrift. Das Getümmel einer Großstadtstraße ist kein ge eigneter Ort, um Schriftstudien zu treiben, um Hieroglyphen zu entziffern. Gewiß wird der Künstler in Ausnahmefällen die Leserlichkeit der Schrift hinter der Rücksicht auf ihre gute dekorative Wirkung zurücktreten lassen können, wenn er sich nämlich an ein Publikum wendet, bei dem er Verständnis nnd Interesse für ungewöhnliche Schriftformen voraussetzen kann. So ist z. B. Eckmanns schönes Schriftplakat für die Ausstellung von Kunstwerken der Renaissance aus Privat besitz trotz seiner schweren Lesbarkeit durchaus zweck entsprechend. Bei einem für das große Publikum be stimmten Blatt aber muß die leichte Lesbarkeit der Schrift stets oberster Grundsatz sein. Dagegen ist in Deutschland oft genug verstoßen worden, aber doch wohl niemals in solchem Grade wie in dem Ihnen hier vorgeführten buchhändlerischen Schriftplakat des trefflichen dänischen Landschafters Knud Larssen. Das dänische Publikum müßte dem deutschen an Schriftgelehrtheit in der Tat weit überlegen sein, wenn es in seiner Gesamtheit die Schrift dieses Plakates entziffern könnte — Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 73. Jahrgang. Die hauptsächliche Ursache des geringen Erfolgs der Plakatbewegung liegt aber in dem beklagenswert geringen Verständnis eines großen Teils unsrer Geschäftswelt in künstlerischen Dingen. Gar vielen Plakatinteressenten ge fallen die süßlichen Machwerke, die ihnen ihre lithographische Anstalt liefert, weit besser als ein modernes Künstlerplakat; wieder andere entschließen sich zwar zur Bestellung einer künstlerischen Affiche, machen aber dann dem Künstler Vor schriften, die er ohne Beeinträchtigung der Wirkung des Blattes nicht erfüllen kann, oder lassen, was noch schlimmer ist, nachträglich der fertigen Arbeit Zutaten einfügen, die den Eindruck der Affiche aufs schwerste schädigen. Ein verhältnis mäßig noch harmloses Beispiel gibt das Plakat einer Piano fortefabrik, wo in die schöne Darstellung aus der Empirezeit nachträglich in plumper Weise das Hoflieferantenwappen ein geflickt ist. Es kommen aber viel schlimmere Fälle vor. Da muß in eine großzügige Komposition nachträglich genau die Konstruktion der angepriesenen Nähmaschine, des Fahrrads oder Automobils eingezeichnet, oder die Flasche mit dem em pfohlenen Likör muß mit dem abscheulichen engbedruckten Etikett der Originalflasche versehen werden. Der auf diese Weise in das Blatt getragene stilistische Widerspruch muß natürlich die Wirkung des Blatts ruinieren. Als wenn es Aufgabe des Plakats wäre, über solche Details Aufschluß zu geben, und nicht vielmehr, nur einen Namen, ein Schlagwort zu lancieren! Auch im Ausland kommen übrigens solche Fälle vor. Als besonders übles Beispiel will ich Ihnen ein Buchhändler plakat des höchst talentvollen dänischen Plakatisten Waldemar Andersen vorführen, wo seine geistvolle Darstellung durch die herumgedruckten autotypischen Probe-Illustrationen vollständig um ihre Wirkung gebracht ist. Es gibt auch viele Geschäftsleute, die es immer noch für die beste Reklame halten, wenn ihre Fabrik, ihr Ver kaufshaus dem Publikum im Bilde vorgeführt wird. Das ist natürlich ein Irrtum, der in einer begreiflichen Eitelkeit seinen Grund hat. Aber soll der Künstler in solchem Falle den Auftrag schlankweg abweisen und dadurch bewirken, daß der Besteller wieder zu einem handwerksmäßigen Plakat seine Zuflucht nimmt? Ich glaube, in solchen und ähn lichen Fällen empfiehlt es sich, nach Möglichkeit Konzessionen zu machen. In ganz besonders geschickter Weise hat dies zum Beispiel Läuger in einer Affiche für eine Kammgarn spinnerei getan. Da steht man im Vordergrund in ganz plakatmäßiger Haltung eine jugendliche Hirtin in antiki sierendem Gewand, und nur im Hintergrund, jenseit des Neckars, erblickt man in der in leichten Nebel ge hüllten Landschaft die Fabrikgebäude. Aber selbst wenn der Besteller darauf besteht, daß die Darstellung des Etablissements den Hauptgegenstand der Affiche bilde, läßt sich selbst unter solchen Umständen häufig wenigstens etwas Erträgliches Herstellen, wie ein Brauereiplakat aus dem Kreise des Karlsruher Künstlerbundes beweist, das gewiß kein Muster seiner Gattung ist, aber immerhin turmhoch über den sonst üblichen derartigen Blättern steht. Wünscht der Besteller den angepriesenen Gegenstand auf dem Plakat abgebildet zu sehen, so wird es sich häufig wohl empfehlen, von einer figürlichen Komposition ganz abzusehen und sich lediglich auf die Darstellung des betreffenden Gegenstands zu beschränken. Daß es sehr wohl möglich ist, selbst aus derartigen nüchternen Vorwürfen bei größter Sachlichkeit etwas künstlerisch Reizvolles zu machen, beweisen die in jüngster Zeit erschienenen Sachplakate des jungen Berliners Lucian Bernhard, die durch ihre geistvolle Mache und ihre Farbenschönheit fesseln und geradezu Muster ihrer Gattung sind. Als vor 10 Jahren die Erstlinge der deutschen Plakat- 1327
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