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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 15.03.1907
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1907-03-15
- Erscheinungsdatum
- 15.03.1907
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- Deutsch
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2872 Börsenblatt s. d. Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. ^ 62, 15. März 1907 genannte vr. Huttier, später angeschlossen und die berühmtesten Namen dafür ihre ungeteilte Anerkennung ausgesprochen haben: cs war der Druck der Choralbücher für die Suttonsche Stiftung zu Kiedrich im Rheingau, die, 1869 begonnen, 1875 zum Abschluß gebracht wurde. Der am 5. Juni 1873 frühzeitig aus dem Leben geschiedene englische Baronet Sir John Sutton hatte, nachdem ich ihm jahrelang bei der in den sechziger Jahren durchgeführten Her stellung und Schmückung der Kirchhofkapelle und der Pfarrkirche in Kiedrich zur Seite gestanden hatte, mir die Absicht ausgesprochen, in dem schönen Gotteshaus auch einen entsprechenden Gottes dienst zu stiften: die Kirche solle kein Kunst- und Altertums- Museum werden, sondern eine Stätte der Andacht mit Choraldienst, eine Art von Halbstift, wie es wohl einst gewesen. Zu dem Ge danken bot sich der Anhalt in der damals noch bestehenden Pflege des alten Römisch-Mainzer Chorals, der auf die Zeiten des Kurfürsten Johann Philipp von Schönborn zurückging. Im Dom zu Mainz war durch das Interregnum der französischen Zeit eine lange Unterbrechung in der hergebrachten Übung des Gottesdienstes cingetreten; Bischof Colmar führte dann den römischen Ritus mit den Lyoner Kantualien ein, so daß im Mittelpunkt der Diözese die zweihundertjährige Über lieferung abgebrochen war, indes sie in manchen altmainzi schen Dorfgemeinden, wie u. a. in Ockenheim, so auch in dem nun zum Bistum Limburg gehörigen Kiedrich unverändert weiterlebte. Daran wollte Baronet Sutton in seiner pietät vollen Weise anknüpfen. Nun aber fehlten die liturgischen Formularien für Text- und Choralgesang. Die großen alten Originaldrucke aus der Zeit Johann Philipps waren zwar noch erhalten und konnten durch sonst abgängig gewordene Exemplare ergänzt werden; allein ihnen fehlten alle seit dem Ende des siebzehnten Jahrhunderts hinzugekommenen Kirchen feste, so daß sie dem heutigen Kirchenkalender nicht entsprachen und zur Begründung einer Choralstiftung undienlich waren. Baronet Sutton sprach mir den Gedanken eines Neudrucks aus: ein um so größeres Wort, als es nicht bloß die Auf wendung ungewöhnlich großer Mittel, wie sie freilich ihm zur Verfügung standen, in sich schloß, sondern auch die nur mit der kirchlichen Behörde zu erreichende Redaktion des Drucks, seine Ergänzung und nicht zum wenigsten die Übertragung der römi schen Notation der neuen Feste in die noch mainzisch-mittelalter- liche Notenform der Original-Ausgabe. Die Erörterung der hier zu überwindenden Schwierigkeiten übergehe ich an dieser Stelle, wo es sich nur um die Druck unternehmung handelt. Es war schon ein ungewöhnliches Beginnen, ein Druckwerk herzustellen, das in seinem größten Band eine Druckfläche von 43 Zentimeter Höhe auf 27 Zenti meter Breite hatte; in einem zweiten Formular von 42 auf 22 Zentimeter, von den kleineren Formularien nicht zu reden. Da jede andre Möglichkeit der Wiedergabe ausgeschlossen war, mußte zur Herstellung im Buchdruck gegriffen werden. Geeignetes Typenmaterial fand in der ganzen Welt sich nicht vor; zudem wollte Baronet Sutton in richtiger Empfindung auch in formaler Hinsicht sich eng an die Original-Ausgabe anschließen und verwarf jeden Gedanken, den Neudruck in älterer, etwa Schöfferscher Typenform zu geben, als die säitio prineepe selbst. Somit waren die Wege auf das Vorbild der Küchlerschen Pracht drucke von 1671 gewiesen. Das Vorbild war übrigens auch in diesen Zeitformen nach der drucktechnischen Seite aller An strengungen wert und gewährte in druckästhetischem Sinn hohen Reiz. Schlossen sich doch jene Mainzer liturgischen Drucke den Frühleistungen in der Gutenbergstadt in würdiger Weise an und behaupten heute noch ihren Rang neben den besten Druckerzeug nissen des Gebiets in der Zeit ihrer Entstehung. Die große Frage war, wer an eine solche Aufgabe heranzutreten wagte und die Versicherung des Erfolges zu bieten imstande war. Auf einen fachgeübten, unverdrossenen Jünger der schwarzen Kunst war mein Auslug gerichtet; er mußte zudem am Platz sein und in der Drucktechnik volle Sicherheit bieten. Das schien mir Hickethier, der Druckleiter der damals Sausenschen, später Falkschen Offizin; besonders empfehlenswert war noch der Umstand, daß er im musikalischen Notensatz und -druck viel fältige Erfahrung besaß. So trat ich mit Hickethier, nach weit läufigen Einleitungen, in das große Unternehmen ein. Das ganze Typenmatcrial mußte, absolut getreu nach den Vorbildern der Küchlerschen Ausgaben, neu geschnitten und ge gossen werden, eine mit vielen Hindernissen verbundene Aufgabe, da die Schriftgießereien nicht ohne Widerstand in ein so außer der herkömmlichen Linie liegendes Ansinnen eingingen. Daneben mußten besonders große Titelschriften, sowie alle verzierten Initialen, alle Schluß- und Füllstücke auf den Holzstock photo graphisch übertragen und verständnisvoll geschnitten werden. Was heute mit Klischierung auf die einfachste und verlässigste Weise geschieht, mußte damals noch mühsam von geschickter Hand aus geführt werden. Als Druckstoff bedurfte es wie bester Druck farben in schwarz und rot, so eines holzfreien, zähen Papiers, das auch in Farbe und Textur zu der Druckausstattung paßte: bei den mächtigen Formaten eine erhöhte Schwierigkeit, die aber in einem mit Hanffaser versetzten, eigens für das Werk an gefertigten Sioff glücklich erledigt wurde. So konnte man endlich 1869 zum Druck schreiten. Die Aus stattung in Rot- und Schwarzdruck bedurfte der sorgsamsten Be handlung, zeigt aber auch hierin den Meister. Der mächtige Band des Graduale mit seinen 893 Seiten, Titel, 2 Seiten Vorrede und 8 Seiten Inhaltsverzeichnissen, also 903 Druckseiten, gelangte im Jahre 1870, inmitten der Kriegsaufregungen, glücklich zum Abschluß. Ihm folgte 1872 das Vesperale, ein Folioband von 42 auf 22 Zenti meter Druckspiegel, mit Titel, 12 unbezeichneten und 534 be zifferten Seiten, sowie 54 gesondert paginierten und 3 Seiten Jndices, zusammen 604 Seiten, gleichfalls in Rot- und Schwarz druck mit zahlreichen, verzierten Initialen, Kopfleisten und Schluß stücken. Anschließend an den Gradual-Druck war 1871 für den Handgebrauch im Kiedricher Choralstift der Lxtraetae Luti- xdons-rü nach der Ausgabe des Erzbischofs Lothar Friedrich vom Jahre 1673—75 in einem starken Quartband in Schwarzdruck mit den Mainzer Choralnoten hergestellt worden. Wenn nun auch der edle Stifter Sir John Sutton 1873 aus dem Leben schied, so konnte doch noch mit dem blanuaio soelesia- etieuw, gleich dem vorhergenannten Formular in Quarto und Schwarzdruck, die Reihe der für das Stift benötigten Drucke er gänzt werden. In dem Vorwort habe ich dem hochsinnigen Edel mann ein biographisches Denkmal gesetzt, das auch in kurzen Zügen die Geschichte seiner Stiftung in Kiedrich festhalten sollte. Dieser Schlußband wurde 1875 vollendet. Hickethier stand auch dem Abschluß dieses letzten Teils vor; seine Sorge umfaßte dann noch die Ausführung der Einbände, die zu den einzelnen Formularien entsprechend gestimmt wurden. Die großen Bände wurden in Holzdcckel mit weißem Schweins- lederbezug gebunden. Die Decken erhielten, getreu den altmainzer Bänden, reiche Blindpressung mittels Handstempeln, die dazu eigens geschnitten waren. Die Ausführung hatte der Frankfurter Buchbinder Stephanus, ein Original, der sich aber, nicht un befugt, den Freund des großen Friedrich Böhmer nennen durfte. Die Quartanten waren, gleich den alten, in biegsame Pergament decken gebunden. Wie ich mit tiefstem Weh meinem verewigten Freund den Nachruf geschrieben hatte, so nahm ich nun mit Trauer den Schlußband aus der Hand Hickethiers entgegen. Die Sonne, die in der Teilnahme und freudigen Genugtuung seitens des hoch herzigen Stifters über dem Unternehmen gestanden hatte, war vorzeitig und gänzlich unvermutet untergegangen; der wackere Beistand im Druckunternehmen selbst war mir geblieben, und so konnte die liturgisch-literarische Ünterlage der Choralstiftung noch zur Vollendung gebracht werden. Daß eine über Jahre sich er streckende Verbindung den wackeren Drucksührer mir auf alle Zeit 'chätzbar gemacht hat, bedarf kaum der Versicherung. Seine Leistung 'teht jener der Küchlerschen Offizin des 17. Jahrhunderts eben bürtig an der Seite; was das 18. Jahrhundert in der Folio-Ausgabe des Raimundus Lullus (Mainz 1721—1742) und in dem großen blissals kowano-NoAuntiauw des Erzbischofs Philipp Karl zu Eltz 1742 zu bieten hat, bleibt weit dahinter zurück. Was ich für sein Werk und für seinen persönlichen Wert empfunden habe und was davon heute nach dreißig Jahren in mir nachklingt, sei bei seinem Hinscheiden, namentlich vor seinen Fachgenoffen, in wärmstem Ausdruck zum bleibenden Gedächtnis ihm nachgerufen: Ehre dem Meister-Drucker Karl Ernst
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