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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 15.01.1908
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1908-01-15
- Erscheinungsdatum
- 15.01.1908
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- Deutsch
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Nichtamtlicher Teil. 11, 18. Januar 1S08. verlassen und sich nur mit Hilfe eines Führers, auf den er sich stützen mußte, sortbewegen konnte. Über die Gründung und die ersten Jahre des Schmitz- dorssschen Geschäfts kann ich nur berichten, daß es mit einer kleinen Lithographie verbunden war, die aber 1840 verkauft wurde. Als ich in die Lehre kam, war Julius Gillis der eigent liche Geschäftsführer; Schmitzdorff selbst war zwar auch einige Stunden täglich an seinem Schreibtisch, beschränkte sich aber auf die Buchführung, den mündlichen und schriftlichen Ver kehr mit einigen Schriftstellern, deren Werke er verlegte. Von diesen Büchern kann ich nur die in den Militärlehr anstalten eingeführten und mit großen lithographierten Tafeln zum Anschauungsunterricht versehenen Schulbücher von Oertel, einen Führer durch St. Petersburg nnd numis matische Tafeln des Barons von Chaudoir erwähnen. Ein Gehilfe, Nikolaus Freymann, war hauptsächlich mit der Leitung der großen Leihbibliothek beschäftigt; er vermittelte auch die Aufträge, die von den Artellschtschiks (Markthelfecn) ausgefllhrt werden mußten, und besorgte alles, was die Post und den Verkehr mit andern Behörden betraf, da nur er allein die russische Sprache gründlich beherrschte. Mein älterer Kollege war Karl Klausel, über den ich hier bereits berichtete (Börsenblatt 1905, Nr. 60); ein dritter Lehrling war in der Leihbibliothek beschäftigt. Einige Monate nach mir kam Ernst Goetz aus Leipzig als Gehilfe ins Geschäft. Er kehrte bald nach Leipzig zurück, gründete dort einen Ver lag, kam aber schon am Anfang der fünfziger Jahre wieder nach St. Petersburg, übernahm hier die Reste der alten Buchhändlerfirma Grässs Erben, die er antiquarisch zu ver werten suchte, und gründete dann eine Riickversicherungs- gesellschaft, die aber schon nach wenigen Jahren aufhörte. Er soll erst unlängst, neunzig Jahre alt, in Wiesbaden ge storben sein. Freymann mußte sich gegen Ende der vierziger Jahre wegen gänzlicher Erblindung vom Geschäft zurück ziehen; man setzte ihm einen kleinen Gnadengehalt aus, aber er lebte nicht mehr lange. Die Gehilfen und Lehrlinge des Schmitzdorffschen Geschäfts wurden damals in der Wohnung des Prinzipals beköstigt, die letzteren wohnten auch dort in einer engen Kammer und schliefen alle drei auf einem Bette. Außer den bereits genannten, sind von den Mitarbeitern der Schmitzdorffschen Buchhandlung während meiner Lehr- und Gchilsenzeit, also bis 1845, noch folgende zu erwähnen: Firmln Slraub; er war hier nur kurze Zeit beschäftigt, trat dann als Gehilfe in die damals neu eröffnete Kurthsche Buchhandlung (Besitzer Leibrock aus Braunschweig) in St. Peters burg, kehrte nach Deutschland zurück, arbeitete unter Rudolf Oldenbourg in der Literarisch-artistischen Anstalt der I. G. Cottaschen Buchhandlung in München und etablierte sich hier schließlich als Buchdrucker. Jetzt ist er ein noch rüstiger Achtundachtziger und Besitzer der großen, hochan- geschenen Akademischen Buchdruckerei in München. Einen Jüngling namens Hirsch, der kurze Zeit bei Schmitzdorff als Lehrling beschäftigt war, aber wegen bedcnllichen Leichtsinns entlassen werden mußte, erivähne ich nur deshalb, weil ich ihn später, in den sechziger Jahren, als glänzenden Offizier, mit vergoldeten Fangschnüren und vielen Orden geschmückt, wieder sah; er hatte als Feldjäger des Oberkommandierenden den Krimseldzug mitgemacht und sich durch Tapferkeit aus gezeichnet; jetzt ist er längst wt. Als Lehrling war auch Karl Münster mein Kollege; ich traf ihn später wieder als Volontär bei Iwan von Tschudi in St. Gallen. Als Sohn eines reichen Vaters lebte er auf großem Fuße, als belüowms und guter Sänger eroberte er alle Frauenherzen, reiste später viel in der Welt herum und heiratete schließlich in Frankreich ein reiches Mädchen, starb aber bald darauf. Etwa ein Jahr vor dem im Herbst 1845 erfolgten Tode Schmitzdorffs trat Theodor Leideritz aus Leipzig als Gehi.se in dessen Geschäft. Da Schmitzdorff keine männlichen Erben hinterlassen hatte, so mußte dis Buchhandlung verkauft werden, und es meldeten sich drei Bewerber: die beiden Gehilfen Gillis und Lcideritz einerseits und Iwan von Tschudi ans St. Gallen, der in einer großen St. Petersburger Fabrik als Musterzeichner arbeitete, ein fleißiger Kunde der Buch handlung und ein großer Bücherfreund war, anderseits. Von den beiden elfteren war nur Leideritz vermögend, Herr von Tschudi war wohlhabend und hätte seine Konkurrenten wahrscheinlich überboten, wenn ihm nicht ein Freund und Landsmann, den er befragte, abgeraten hätte. Ich war mit von Tschudi befreundet und hatte dessen Bewerbung befürwortet und unterstützt. Da nun aber Gillis und Leideritz am 1. Dezember 1845 a. St. das Geschäft über nahmen und mich als Begünstiger ihres Konkurrenten kennen gelernt hatten, so hielt ich es für ratsam, meine Stellung zu verlassen und noch vor Neujahr 1846 nach Deutschland zurückznkehren. Herr von Tschudi übernahm dann bekanntlich noch im Jahre !846 C. P. Scheitlins Anteil an den Firmen Scheitlins Sortiment und Scheitlin L Zollikoser in St. Gallen. Nachträglich will ich noch bemerken, daß ich während meiner vierjährigen Lehrzeit außer Kost und Wohnung auch noch einige hundert Rubel für Kleidung und Wäsche und als Gehilfe 25 Rubel monatlich an Gehalt bekam, dafür dann aber eigne Wohnung mieten mußte. Das Schmitz- dorffsche Geschäft wurde, soviel ich mich erinnere, für 30 000 Rubel verkauft. Der Rubel galt damals 1 Taler 2e/z Sgr., den Bücherkäufern wurde der Taler mit 1 Rubel 20 Kopeken (ord.) und 1 Rubel 35 Kopeken (netto) berechnet. Trotz der oben geschilderten, höchst ungünstigen Stadt lage des Schmitzdorffschen Geschäfts — ein Straßenpublikum sehlte dort gänzlich — befand es sich damals im besten Ge deihen; zu seinen ständigen Kunden gehörten vornehmlich die wohlhabenden deutschen Fabrikanten, Kaufleute und Handwerker, die in jener Zeit nicht nur in St. Petersburg, sondern im ganzen russischen Reiche angesehen waren und sich in der Industrie und im Handel hervortaten. Die St. Petersburger Börse, der Ein- und Ausf chrhandel befanden sich fast gänzlich in deutschen Händen, ebenso auch ein be deutender Teil des Groß- und Kleinhandels, die meisten Fabriken und besseren Handwerke. Deutsche Arbeit wurde in Rußland ganz besonders geschätzt und bevorzugt. Aus nahmslos alle Apotheker, fast alle Buchdrucker, sehr viele Arzte, Lehrer, Professoren, Akademiker, Künstler waren damals Deutsche; im Staats- und Militärdienst nahmen zahlreiche Deutsche bevorzugte Stellungen ein, und zwar nicht nur unter Nikolaus I., sondern noch bis zum Ende der Regierung Kaiser Alexanders II. Die Kundschaft der Schmitzdorffschen Buchhandlung wurde hauptsächlich durch fleißiges und systematisches Zur- Anstcht-Versenden zum Kaufen veranlaßt, und da es damals für die Gesellschaftskreise dieser Deutschen noch vielfach an Gelegenheiten zur Unterhaltung und an geistiger Anregung sehlte, so bildete das Lesen von unterhaltenden und be lehrenden Büchern einen fast stets willkommenen Ersatz. Die lieferungsweise erscheinenden Stahlstichwelke spielten damals im deutschen Buchhandel eins große Nolle, und die Schmitzdorsssche Buchhandlung befaßte sich vorzugsweise mit deren Vertrieb. Vom Malerischen und roman tischen Deutschland, von Reiches Peter der Große, Napoleon, Friedrich der Große, von den Verlagsartikeln des Biblio graphischen Instituts in Hildburghausen: Meyers Kon versationslexikon, Universum, Miniatur- und Familien bibliothek wurden viele Hunderte, sogar bis zu tausend Exemplare abgesetzt. Auch Paynes Universum und die damals so beliebten Taschenbücher und Almanache mit Stahl stichen, ferner Gubitz', Steffens' und Nieritz' Volskalender und
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