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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 17.03.1908
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- Ausgabe
- Erscheinungsdatum
- 17.03.1908
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- Deutsch
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64, 17. März 1908. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt s. d. Dtschn. Buchhandel 3121 Achtung vor einem geistigen Erzeugnis an und für sich, sucht Herr dÄlmöras in erster Linie bei den Autoren, die er in mehrere Klassen einteilt. Da seien zunächst die Vielschreiber — Leute, die darauf angewiesen seien, aus dem Erwerb ihrer Feder zu leben. Diese Schriftsteller hätten zwar einen gewissen Leserkreis; aber er sei zu klein, um ihren Werken eine große Verbreitung und ihnen selbst genügende Einkünfte zu sichern. Meist erhielten diese Autoren, deren Werke man ohne großes Risiko in einer oder zwei mäßigen Auflagen absetzen könne, als Honorar eine Pauschalsumme, im Durch schnitt ungefähr 500 FrcS. Aber, sagt Herr d'Almsratz mit Recht, was kann man von einem Schriftsteller erwarten, der alle zwei bis drei Monate einen neuen Roman schreibt, schreiben muß, nur um seinen Hunger zu stillen! Auch der Ehrgeiz scheine bei dieser Art von Schriftstellern nicht stark entwickelt zu sein, denn es käme ihnen weniger darauf an, einen guten, wohldurchdachten Roman zu schreiben, als darauf, möglichst viel Werke in möglichst kurzer Zeit ab liefern zu können. Eine weitere Kategorie bildeten die sogenannten »Neger«, diese Literatursklaven, die, mit geringen sckmftstellerischen Fähigkeiten und offenbar noch geringerem Ehrgeiz ausge- stattet, wähl- und ziellos Romane zusammenschrieben, für die dann irgend ein erfolgreicher »Kollege« mit ebenso weitem Gewissen seinen Namen hergebe und sich zuweilen nicht einmal die Mühe nehmen solle, dieses literarische Produkt, das seinen Namen trägt, auch nur zu lesen. Irgend ein Winkel verleger, dem der Sachverhalt zwar bekannt sei, in dessen Geschäftsinteresse es aber liege, so zu tun, als ob er nichts davon wisse, finde sich immer, und das Geschäft werde gemacht. Bei Licht betrachtet würde dieses Verfahren auf Betrug des Publikums hinauslaufen und dazu angetan sein, das Ansehen des französischen Romans aufs schwerste zu schädigen. Dabei sei diese Geschäftspraxis in Paris viel ver breiteter, als man glaube; dem Artikel des Herrn d'Almsras zufolge soll es dort ganze literarische Fabriken geben, und ebenso häufig wie unbekannte Schriftsteller auf der Suche nach einem guten Namen für ihre Geisteskinder seien, komme es vor, daß bekannte Autoren, denen es gerade an Zeit oder Lust oder vielleicht auch an Gedanken fehle, um selber etwas zu schreiben, einen Roman geradezu »bestellen« und dann nach Ablieferung des anonymen Machwerks dieses unter ihrem eigenen Namen herausgäben. Diese letztere Praxis scheine sogar die beliebtere zu sein; jedenfalls stamme daher die sehr zutreffende Bezeichnung »Negersklaven«. Dann kämen die ehrgeizigen, aber talentlosen Autoren, die die Schriftstellern gewissermaßen als Sport betrieben, als »große Lichter« in der Gesellschaft glänzen wollten und nur schwer der Versuchung widerstehen könnten, ihren Namen auf dem Umschlag eines Buches gedruckt zu sehen. Da es sich hier meistens um reiche Leute handle, die sich die Her stellung und Ausstattung ihrer Geisteskinder gern ein Stück Geld kosten ließen, so sei ein gefälliger Kommissionsverleger — leider! — recht bald gefunden. Gerade für diese Art von Schriftstellern, ebenso wie für die Kommisstonsverleger hat Herr d'Almäras sehr harte Worte. Nicht nur, daß ihre Werke inhaltslos, öde und langweilig seien, sondern durch ihre große Zahl und die noch größere ihrer Werke trügen diese Schriftsteller aus Eitelkeit und Ehrgeiz unendlich viel dazu bei, um wirklichen Talenten und guten Büchern den Weg zum Erfolg zu versperren und den Ruf des französischen Romans, besonders im Auslande, schwer zu schädigen Auf zehn Romane, die entweder stark pornographisch oder grausam langweilig seien, kämen nicht weniger als acht, die im Kommissionsverlage erscheinen sollen (ob das nicht zu hoch, viel zu hoch gegriffen ist? Das wären 80 Prozent I>. Der Kommissionsverlag sei, mit Ausnahme des Papier- Börsenblatt sür den Dentschen Buchhandel. 75. Jahrgang. fabrikanten, des Druckers und einiger gewissenlosen Verleger unvorteilhaft für alle Beteiligten: für den Autor, weil er wisse, daß der Verleger sein Werk kritiklos und, ohne es gelesen zu haben, annehme, und daß er sich für den Vertrieb auch keine große Mühe geben werde, weil diese sich doch nicht lohnen würde, — für den Verleger, weil er dadurch, daß der Autor das Weil auf eigene Kosten drucken lasse, sein Geschäft schon gemacht und nichts mehr zu gewinnen oder zu verlieren habe. Vor allem aber sei der Kommissions verlag für den Absatz und das Ansehen des guten französischen Romanes geradezu verderblich. Um diesem Unfug zu steuern, schlägt Herr d'Almöras vor, jeder Verleger der auf den Ruf seiner Firma etwas gebe, solle auf dem Umschlag seiner Bücher eine Notiz anbringen, daß er keine Werke in Kommissionsverlag nehme. Herr d'Almöras glaubt, daß der Absatz des betreffenden Verlages sich dadurch steigern würde, da das Publikum Vertrauen zu der Firma und den von ihr veröffentlichten Werken gewinnen würde. Das erscheint mir zwar mehr als fraglich, denn in den meisten Fällen kann das Publikum sich von dem Wesen und der Art des Kommissionsverlages keine rechte Vorstellung machen und somit auch nicht darüber urteilen. Überhaupt ist der Kommissionsverlag ein so wunder Punkt im Verlags buchhandel, daß er durch den einfachen, aber gut gemeinten Vorschlag des Herrn d'Almöras nicht aus der Welt geschafft werden kann. Als weiteren Grund für den Medergang des französischen Romans führt Herr d'Almeras an, daß sich das Verhältnis zwischen Autoren und Verlegern, das früher ein per sönliches und auf gegenseitiges Vertrauen gegründetes war, in letzter Zeit stark verschoben habe. Gewöhnlich gebe sich der Autor nicht nur über den Wert, sondern auch über die Verkaufsfähigkeit seiner Werke starken Illusionen hin, und glaube häufig, daß der Verleger mehr Exemplare drucke, als er verrechne. Dieses Mißtrauen sei so weit gegangen, daß im Jahre 1893 in der »8ooi6tö ckss Romanciers tranyais« unter dem Präsidium von Hector Malot einstimmig ein Beschluß angenommen wurde, nach dem behufs ge nauer Kontrolle jedes Werk beim Verlassen der Presse mit einer Stempelmarke versehen werden sollte. Dieser Beschluß wurde den Verlegern unterbreitet; während die Firmen Charpentier (Fasquelle), Flammarion, Dentu und Hachette auf diese etwas weitgehende Zumutung einzugehen schienen, wurde sie von Lemerre, Plon und Calmann-Lövy glatt abgelehnt. Dabei blieb es vorläufig; aber drei Jahre später wurde ein ähnlicher Vorschlag, der diesmal von Edmond de Goncourt ausging und nach dem der Staat gegen eine geringe Abgabe diese Kontrolle über die Verleger übernehmen sollte, der Deputiertenkammer eingereicht, aber nie diskutiert. Auch jetzt in neuester Zeit scheint sich eine Bewegung in dieser Richtung geltend machen zu wollen, die, wenn sie zur Tatsache würde, die Verleger unter eine staat liche Kontrolle oder Bevormundung stellen und auf das gegenseitige Verhältnis der Verleger und Autoren den denkbar schlechtesten Einfluß ausüben würde, ohne den letzteren auch nur das geringste zu nützen. Den Grund allen Übels sucht Herr d'Almöras nicht allein bei den beiden zunächst Beteiligten, den Verlegern und Autoren, sondern auch beim Publikum. Weitaus die große Mehrzahl aller französischen Romane spiele in vor nehmen Kreisen, so daß man annehmen müsse, die Autoren schrieben nur für diese Klasse von Menschen. Aber gerade die Leute, die Zeit zum Lesen nnd Geld zum Bücherkaufen hätten, sollen wenig und meist schlechte Sachen lesen, sich dafür aber mehr mit Sport abgeben, »da diese Beschäftigung an ihr Gehirn keine zu großen Anforderungen stelle«. Die wirklichen Bücherkäufer für den Roman, und besonders für 404
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