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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 17.03.1908
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- Ausgabe
- Erscheinungsdatum
- 17.03.1908
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- Deutsch
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3122 Börsenblatt f. d. Dtschn Buchhandel Nichtamtlicher Teil. 64, 17. März 1908. den guten Roman, fänden sich hauptsächlich im Mittelstand und im breiten Volk, die beide von Tag zu Tag ein größeres Bedürfnis nach guter Lektüre äußerten. Und in diesem Milieu sollten die Autoren ihre Helden und ihren Stoff suchen, beim Arbeiter und beim Bauer, in der Fabrik und auf dem Lande. Man hätte dies zwar schon versucht, aber unrichtig angefangen, man sei nicht genügend auf das Leben und Empfinden des Volkes und Kleinbürgertums eingegangen oder hätte politische oder Partei-Romane geschrieben, und nur deshalb sei der Erfolg ausgeblieben. Wenn man aber daran denken wolle, dieses neue und große Publikum gewissermaßen systematisch zum Bücherkauf zu erziehen, so dürfe man nicht daran denken, den bis herigen Einheitspreis von 3 Frcs. 50 Cent, beizubehalten; eine Preisänderung sei die hauptsächlichste und unumgäng lichste Bedingung dazu. Das hätte man eingesehen und sei dabei, wie gewöhnlich, von einem Extrem ins andere gefallen: der Band zu 3 Frcs. 50 Cent, sei zu teuer, der zu einem Frank zu billig. Um im letzteren Falle auf seine Kosten zu kommen, müsse der Verleger — wie Herrn d'Almsras versichert worden ist — mit einem Absatz von wenigstens 50 000 Exemplaren rechnen können, und diese Ziffer würde nur von einigen wenigen, ganz erstklassigen Autoren erreicht. Die bis jetzt gemachten Versuche mit dem billigen Roman zu einem Frank seien schlecht ausgefallen, die Ausstattung sei mangelhaft, das Format unbequem und hätte mehr das Aussehen eines Heftes als eines Buches, wodurch dieses schon von selbst auf einen Platz im Bücherschrank zu ver zichten scheine. Sein größter Fehler sei jedoch, zu billig zu sein. Herr d'Almsras schlägt einen neuen Normal-Bücher preis vor, der den Betrag von 1 Fr. 50 Cts. nicht über steigen dürfe, und denkt sich die Einteilung dieses Betrages folgendermaßen: 70 Cts. für Herstellung, Vertrieb, Reklame und kleine Kosten; 30 Cts. Verdienst des Verlegers; 25 Cts. Autorenhonorar; 25 Cls. Verdienst des Sortimenters. In der Theorie macht sich dieser Vorschlag ganz schön; aber in die Praxis wird er sich kaum umsetzen lassen, weil, selbst wenn die Herstellung des Bandes für 70 Cls. möglich sein sollte, weder der Verleger noch der Sortimenter, noch besonders der Autor mit dem ihm zugedachten Ve-dienst zufrieden sein werden, hauptsächlich der letztere nicht, der bis jetzt an ganz andere Bezüge gewöhnt war. Außerdem über sieht der Verfasser, daß der Gewinnanteil aller Beteiligten sich bei jedem mehr oder weniger abgesetzten Exemplar verschiebt. Eine genaue Verteilung der betreffenden Gewinn quoten ist nur dann möglich, wenn die Kalkulation ganz genau stimmt und die ins Auge gefaßte Auflage auch tat sächlich restlos abgesetzt wird; jeder Verleger weiß aber, daß dies so gut wie nie vorkommt. Interessant ist auch die Schilderung, die Herr d'Almsras von dem französischen Durchschnitts-Sortimenter in der Provinz gibt: Er nennt einen speziellen Fall, in dem der betreffende Sortimenter in einer Stadt von einigen 30 000 Einwohnern sein dunkles, enges und wenig einladendes Geschäftslokal hatte. Er betrieb sein Geschäft schläfrig, wie sem Vater und Großvater, verdiente wenig, hatte aber auch nicht das Verlangen, mehr zu verdienen und sich Überanstrengung zuzumuten; er suchte seine Kunden nicht auf, sondern er wartete sie ohne Ungeduld, halb schlafend, hinter seinem Ladentisch. Punkt 5 Uhr abends schloß er sein Geschäft und ging in das gegenüberliegende Cafs zu einer Partie Whist, zu der sich die Teilnehmer schon seit 15 Jahren mit immer gleichem Eifer und Vergnügen zusammenfanden. Der Mann konnte zwar lesen und schreiben, aber er hatte keine Bildung, weder eine allgemeine noch berufliche, und empfand auch kein Verlangen danach, sich selbst weiter zu bilden. Er wußte, daß es einmal einen großen Dichter namens Victor Hugo gegeben hatte, und konnte sich auch erinnern, etwas von einem Historiker Michelet gehört zu haben; er behauptete sogar in seiner Jugend etwas von Victor Hugo gelesen zu haben; aber seit er selbst Buchhändler sei, lese er nichts mehr, dazu hätte er keine Zeit. Er kannte die Namen von Anatole France, Coppse, Paul Bourget und einigen anderen; sonst sei ihm aber die heutige moderne Schriflstellcrgeneration vollkommen unbekannt geblieben. Er begnügte sich damit, drei oder vier Werke von Akademikern und ein Dutzend Bände lr 3 Frcs. 50 Cls. ins Fenster zu stellen, während die Kommissionssendungen der Verleger sich im Hintergründe des Ladens stauten; er schickte diese letzteren häufig so zurück, wie er sie bekommen hatte. Fast alle Provinzbuchhändler, selbst solche in größereit Städten, sollen dem hier gezeichneten Bilde ähneln. Dieses Bild dürfte aber wohl etwas zu schwarz gezeichnet sein; der geschilderte Sortimenter wird eher die Ausnahme als die Regel gebildet und den Buchhandel mehr als Neben geschäft betrieben haben; denn es gibt auch französische Provinzso timenter, die allen Anforderungen gewachsen sind. Aber es ist wahr, daß der französische Sortimenter im all gemeinen es nicht versteht, an die Bücherkäufer heranzu kommen, sich mit dem emtretenden Kunden über neu er schienene Werke zu unterhalten, sein Interesse an Büchern und die Lust nach dem Besitz von Büchern zu wecken, weil er selbst zu ungebildet dazu ist. Als Gegenstück führt Herr d'Almsras on, was nach dem Dekret vom 28. Februar 1723 alles vom Buchhändler verlangt wurde. Nach diesem Dekret konnte niemand Buchhändler werden, ohne eine vierjährige Lehrzeit und eine wenigstens dreijährige Gehilfenzeit be standen zu haben; der Kandidat mußte 20 Jahre alt sein, gute lateinische Kenntnisse haben und Griechisch wenigstens lesen können, worüber er sich durch ein Zeugnis vom Rektor der Universität ausweisen mußte. Herr d'AlmSras geht nicht so weit, diese Art von Ge hilfenexamen wieder einführen zu wollen; aber er ist sehr für die Eröffnung einer buchhändlerischen Fachschule, die schon im Jahre 1899 gegründet werden sollte, und nach der die Gehilfen selbst verlangten, um sich besser für ihren Beruf ausbilden zu können. Von dieser Buchhändlerschule verspricht sich Herr d'Almsras große Erfolge. Die sie verlassenden Zöglinge würden ganz non selbst ihren Laden und den Vertrieb anders einrichten, als das heute der Fall sei. Der eintretende Kunde würde in dem Sortimenter einen Berater in literarischen Dingen erblicken, einen gleichgebildeten Mann in ihm sehen, mit dem man über neuzeitliche Literatur ein Wort reden könne. Das Publikum würde sich von selbst daran gewöhnen, nur noch diese neuen Geschäfte aufzusuchen, und die alten Bouquinisten würden unfehlbar zugrunde gehen. Herr d'Almsras geht in seinen etwas phantastischen Träumen sogar so weit, in diesen Zukunftssortimenten einen Ort zu sehen, der zum Rendezvous der vornehmen und gebildeten Welt werden würde. Es müßte diesen Sortimenten ein hübsch eingerichteter Salon angegliedert werden, in dem die Damen nachmittags ihren Tee trinken, in den zur Lek türe aufliegenden Zeitschriften und Büchern blättern könnten und diese letzteren — natürlich kaufen würden. Auch für den Verleger sieht er darin einen Vorteil; die Kommissions sendungen würden, da ja der Absatz gesichert sei (?), ver schwinden und an ihre Stelle der feste Einkauf treten. Außerdem müßte für den Verleger mit verschiedenen anderen Unzuträglichkeiten aufgeräumt und die Hilfe der Regierung angerufen werden, um die französischen Autoren vor der
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