3136 Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Fertige Bücher. 64, 17. März 1908. MW VM VMH Erwiderung auf den Artikel „Der jüngste Münchner Prozeß gegen unzüchtige Literatur" von Professor Karl Voll. Im Aprilheft der „Süddeutschen Monatshefte" richtet Professor Voll einen Angriff gegen Or. Franz Blei und mich. Gegen mich wegen eines Inserats im Börsenblatte vom 31. Januar, in dem ich die Freigabe des Buches Franz Blei, Das Lustwäldchen bekannt gab und erklärte, daß die geladenen Sachverständigen, deren Namen ich aufführte, „einstimmig günstige Urteile abgaben". 1) Herr Voll bestreitet, daß sein Urteil günstig ausgefallen sei. Er bestreitet das als Antwort auf mein von ihm zitiertes Inserat. Dieses Inserat bezog sich lediglich auf das „Lustwäldchen". Die anderen in dem Prozesse inkriminierten Schriften sind nicht bei mir erschienen. Das Gutachten des Herrn Voll über „Das Lustwäldchen" aber begann auf die Frage des Vorsitzen den: „Was sagen Sie nun zu diesem Buche?" mit den Worten: „Das Bücherl kauf ich mir, sobald es freikommt!" Er erklärte dann, er selbst habe diese Gedichte schon sammeln wollen. Dieser Mühe habe ihn vr. Blei ent hoben. Hierauf erhob er noch Bedenken vom wissenschaftlichen Standpunkte gegen die Einleitung, die Auswahl usw- — Unzüchtig sei das Buch nicht! Jetzt erklärt er, er habe sich das Buch kaufen wollen, nicht, weil es ihm „gefallen" habe, sondern weil es eine Materialsammlung sei, gegen die er aber Bedenken vom wissenschaftlichen Standpunkte habe. Was hat das mit dieser Angelegenheit zu tun?! Es handelte sich ausschließlich darum, ob der vom Staatsanwalte geladene Sachverständige Voll das „Das Lustwäldchen" für „unzüchtig" erklärte oder nicht! Und er hat, übereinstimmend mit allen anderen Sachverständigen unter seinem Eide erklärt, daß das Buch nicht unzüchtig sei! Das kann er nicht bestreiten. Und das ist ohne allen und jeden Zweifel ein günstiges Sachverständigen-Gutachten! (Ob ihm das Buch „gefällt", ob er als „Neuphilologe" das Buch anders gemacht hätte, ist Sache der Kritik. Mir kann das schon deshalb gleichgültig bleiben, weil ja der Zweck des Buches gerade kein „wissenschaftlicher" im Sinne der Professoren ist. Das ist im Vorwort gesagt, und l)r. Blei und ich haben es wiederholt während des Prozesses betont, daß es sich bei dieser Anthologie der schlesischen Dichter um den „lebendigen Genuß", gerade entgegen den Verurteilungen mancher Literaturprofessoren, handelt!) 2) Professor Voll beklagt sich weiter, daß die Namen der Sachverständigen „zur Reklame aus genützt" worden seien. Die Staatsanwaltschaft hatte gegen mich Anklage wegen „Vergehens wider die Sittlichkeit, begangen durch die Presse", erhoben. Monatelang stand ich unter dieser Anklage, mit der Aussicht auf einen Sensationsprozeß, der geeignet war, die Tendenz meines jungen Unternehmens vor der Öffentlichkeit in das Gegenteil verkehrt erscheinen zu lassen. Was das für einen anständigen Verleger heißen will, brauche ich wohl nicht weiter auszumalen! Was half es mir, daß der Staatsanwalt in loyalster Weise sein Plädoyer damit begann, daß er sich von dem künstlerischen Ernste meiner Bestrebungen überzeugt habe und den Geschworenen anheim stelle, die Schuldfrage zu verneinen. Die Gründe des Freispruchs standen ja doch nur in einigen wenigen Zeitungen!