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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 26.07.1906
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1906-07-26
- Erscheinungsdatum
- 26.07.1906
- Sprache
- Deutsch
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- Saxonica
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7190 Nichtamtlicher Teil. 171, 26. Juli 1906. stellung selbst in durchaus schriftkundigen Zeiten notwendig erschiene. Astronomische Berechnungen aber lassen sich nicht ohne Tabellen und Aufzeichnungen durchführen, geographische und historische Berichte, wenn sie nicht bloß ergötzen, sondern praktisch verwendbar sein sollen, können der Fixierung durch die Schrift nicht entbehren So gibt es in Ägypten, in Babylon, in Griechenland unmittelbar nach dem Auftreten der Wissenschaft auch wissenschaftliche Bücher. Der Stand der Gelehrsamkeit eines bestimmten Volkes in einer bestimmten Zeit läßt sich an der Zahl der wissenschaftlichen Bücher wie an einem Pegel ablesen. Freilich ist die Flut der Bücher nicht in dem außerordentlichen Maße angeschwollen wie die der Zeitschriften. Die Klage, daß diese das ehrliche Buch mit ihrer ephemeren Existenz überwucherten und erstickten, ist alt. Schon Crabbe jammert in seinem blsvspapsr (1785): llor tllsss uorss-cl tbs ooblsst volumss lis: l'or tbsss io sbssts oosoileä tbs Nuses äis; llobou^dt, aoblsst, tbs vir-flc copiss v-llt, In vg.ill kor kg.ms, nn<I siolr, unsven, to ks.ts. In der Tat scheint es auch heute noch in England ebenso leicht zu sein, in eine Zeitung oder Zeitschrift zu schreiben, als schwer, ein ernstes Buch auf den Markt zu bringen. Der Philosoph Spencer fand keinen Verleger für sein 8Msm ok szwtbstic pbilosopbzl und kam, als.er es auf eigene Kosten drucken ließ, hart an den Rand des Ruins. Im achtzehnten Jahrhundert sind solche Fälle auch bei uns nicht selten. Reiskes Ausgabe der griechischen Redner, ein monumentales Werk, fand keinen Verleger, und als der treffliche Mann auf eigene Kosten zu drucken anfing, blieb der Absatz zu Anfang so gering, daß die Fortsetzung nur dadurch ge sichert werden konnte, daß Frau Reiste ihre Juwelen ver kaufte. Dagegen ist im letzten Jahrhundert meines Wissens in Deutschland kein bedeutendes wissenschaftliches Werk durch äußere Umstände am Erscheinen verhindert worden, nament lich nicht durch die Zeitschriften. Denn diese nehmen ihrer Bestimmung nach nur kleinere Aufsätze von 1—3 Bogen Umfang auf. Das Buch aber beginnt erst jenseits dieser Grenze lebensberechtigt zu werden. In der Regel kann also das umfänglichere Buch mit der Zeitschriften- und Broschüren- Literatur gar nicht direkt in Streit kommen. Aber freilich in anderer Weise gräbt diese Zeitschriften masse dem Buche das Wasser ab. Die Spaltung der Wissenschaft und damit Hand in Hand gehend die Vermehrung der Sonderzeitschriften hat im vorigen Jahrhundert eine solche Ausdehnung gewonnen, daß der Markt durch diese Überfülle periodischer Ware für das Einzelbuch immer schwieriger sich gestaltet. Namentlich die kleineren öffentlichen Bibliotheken klagen darüber, daß das Zeitschriftenkonto fast das ganze Jahreseinkommen aufzehre, so daß selbst für bedeutende Bücher keine Mittel übrig blieben. Aber diese Zeitschriften flut ist auch innerlich ungesund. In jeder Abteilung der Wissenschaft gibt es wohl höchstens nur ein bis zwei alt fundierte Unternehmungen, die sich selbst erhalten. In allen andern Fällen muß der Verleger oder Verein oder der Staat, oder wer sonst immer, zuschießen. Die Verleger freilich haben ein großes Interesse daran, solche Zeitschriften zu verlegen, weil sie dadurch in intime Berührung mit den Autoren und mit den Lesern der betreffenden Fachwissenschaft kommen. Auch wird der Raum außerhalb des eigentlichen wissenschaft lichen Inhalts zur Reklame verwendet. Diese wohl nicht ganz begründete Vorliebe der Verleger für die Spezialzeitschriften legt ein gut Teil des Betriebskapitals des Verlagsgeschäfts fest und entzieht ihn dem Vertrieb größerer wissenschaftlicher Werke Auch insofern ist die Zeitschrift dem Buche schädlich. Glücklicherweise sieht es in dieser Beziehung im deutschen Verlagsgeschäft noch nicht so traurig aus wie im Ausland. Bei der notorischen Unrentabilität der meisten streng-wissen schaftlichen Werke, sobald sie nicht Modeartikel betreffen oder enzyklopädisch angelegt sind (Handbücherliteratur), begreift man nicht, wie es namentlich unser deutscher Verlag zustande bringt, noch so viel schwere wissenschaftliche Literatur auf den Markt zu bringen, zumal die Herstellung der kleinen hier benötigten Auflagen von etwa 600 Exemplaren durch die von Jahr zu Jahr rapid steigenden Herstellungskosten und ebenso die bedeutend gestiegenen Ansprüche des Publikums an Ausstattung immer kostspieliger wird. Die Erklärung für dieses Rätsel liegt darin, daß der vornehme deutsche Verlags buchhandel so gebildet ist, einzusehen, daß alles, was an Enzyklopädien, Kompendien und Schulbüchern, d. h. an den Büchern der großen Auflagen, verdient wird, lediglich das Produkt der ernsten Arbeit der Wissenschaft ist. Indem er daher die eigentlichen Produzenten der geistigen Kultur in vornehmer Weise unterstützt, ohne diese merken zu lassen, was der Verleger bei jedem Bande gelehrter Ware aus eigener Tasche zusetzt, sichert er sich zugleich den Verdienst aus dem Massenabsatz der daraus gespeisten populären oder pädagogischen Literatur. Denn ein Handbuch oder Schul buch, das nicht den neuesten Stand der Wissenschaft darstellt, wird unbarmherzig von der Konkurrenz erdrückt. Es ist für das Fortbestehen der Wissenschaft, zumal in Deutschland, von der größten Wichtigkeit, daß diese edle Symbiose der streng wissenschaftlichen und populär-praktischen Literatur in den großen Verlagshäusern weiter gepflegt und gestärkt werde. Denn es wäre der Untergang der Wissenschaft, wenn die Verleger bloß noch die gewinnbringenden Artikel kultivieren wollten. Es wäre der Ruin auch der Gelehrten, wenn sie von eigennützigen Verlegern sich verleiten ließen, bloß auf das praktische Interesse hinzuarbeiten, oder durch populär ästhetische Allüren die hehre Wissenschaft zur Dirne er niedrigten. Die Forschung, die genötigt wäre, um nur ver öffentlicht zu werden, nicht mehr für die Fachgenossen, sondern für die »Gebildeten weitester Kreise« zu schreiben, würde sich selbst vernichten. Alle Wissenschaft ruht im Innersten auf einer dem Erwerb entgegengesetzten ethischen Grundstimmung. Sobald der Forscher und der Verleger ihr Bestes nicht mehr umsonst oder so gut wie um sonst geben, hört der Gottesdienst, als welchen Sokrates die Forschung nach der Wahrheit bezeichnet hat, auf, und der Tanz um das goldene Kalb beginnt. Überlassen wir das der modernen Sophistik, die ja üppig genug empor schießt! Mit dieser Warnung wird zugleich die von gewissen Verlegern getriebene quast-wissenschaftliche Buchmacherei ge troffen, die mit Abbildungen, die nicht erklärt werden, und mit Ausstattungskünsten, die in einem gelehrten Buch nie mand sucht, ein oberflächliches Massenpublikum heranzuziehen sucht. Diese Art von Volkserziehung bleibe uns fern! Da mit soll aber nicht zugleich die Notwendigkeit und Ver dienstlichkeit aller der Bestrebungen geleugnet werden, die darauf abzielen, die Ergebnisse der Wissenschaft in ehrlicher Weise unter das Volk zu bringen. Die gutgeleiteten deutschen, französischen und englischen Fach-Enzyklopädien, die auf den Hauptgebieten in alpha betischer Anordnung den Inbegriff der betreffenden Wissen schaft kurz und präzis zum Ausdruck bringen, sind eine unentbehrliche und nicht genug zu bewundernde Einrichtung. Noch bewundernswürdiger sind die großen Universal- Enzyklopädien (oder wie wir sonderbarer Weise sagen Konversationslexika), die von Fachmännern verfaßt und auf der Höhe der Wissenschaft gehalten werden Diese Organi sationen sind mustergültig in der Technik ihrer Herstellung und bei weitem das wirksamste Mittel zur Popularisierung der gelehrten Forschung. Wenn es in der Aufgabe unsrer Zeit liegt, Bildung
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