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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 16.08.1900
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- 1900-08-16
- Erscheinungsdatum
- 16.08.1900
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Blatt umfassende zweite. Das Format ist Folio, die Signatur nach den Buchstaben des Alphabets, und zwar sind für den ersten Teil kleine, für den zweiten Teil große Buchstaben mit Hinzu- fiigung von i, ii, iii und iiii in Anwendung gebracht. Die letzten vier der je acht Blätter eines Bogens sind nicht signiert, der letzte Bogen des ersten Teiles hat zwei Blatt mehr. Der Verfasser ist nirgends genannt. Ein gewisser Leonardo Crasso ließ das Werk auf seine Kosten Herstellen und widmete es dem Herzog von llrbino, wofür er von Giambattista Scita zu Beginn des Textes in lateinischen Versen belobt wird. Das Rätsel der Autorschaft blieb nicht lange ungelöst; stellt man die schönen Initialen der Kapitelanfänge der Reihe nach zusammen, so ergiebt sich das Akrostichon: Uoliaw l?ra,tsr I'rauoiseus Loluwna, psrama- vit, zu deutsch: Innig liebte Bruder Franziskus Colonna die Polin. Die näheren Lebensumständc dieses Colonna, von dem sonst keine littcrarischen Leistungen nachweisbar sind, waren nur in großen Zügen fcstzustellcn. Er ist 1433 geboren, trat zweiund- zwanzigjährig als Novize in den Konvent von San Nicolü zu Treviso ein, erhielt 1473 das Laureat für Theologie an der Universität Padua, begab sich 1485 im Auftrag der Nonnen von San Paolo zu Treviso nach Venedig, um Gelder einzutreiben, hielt sich von 1494 nachweislich wieder in Treviso auf, wo er, 94 Jahre alt, wie man annchmen zu dürfen glaubt, sehr arm und gebrechlich im Jahre 1527 starb. Die Sprache, in der er sein Buch schrieb, ist — wenn man von den vielen hebräischen, chaldäischen, lateinischen, lombardischen und griechischen Brocken, mit denen der Text durchsetzt ist, ganz absieht — ein latinisiertes Italienisch, ein ganz wunderliches Gemisch von italienischen und vulgär-lateinischen Vokabeln. Doch ist für den etwas tiefer in den Geist der italienischen Sprache Eingedrungenen das Verständnis nicht so sehr erschwert, wie dies von manchen, die über das Buch geschrieben haben, behauptet wird. Schon bei diesem Punkte beginnt der Streit: warum, fragt man sich, hat Colonna sich diese Ausdrucksweisc zurechtgelegt? Entsprang es einem von der Eitelkeit diktierten Bestreben, als Sprachreformcr aufzutreten, oder wollte er schwer verständlich sein und so an deuten, daß er sein Werk nicht für die große Masse geschrieben habe? Das letztere ist das wahrscheinlichere. Die typographische Ausführung ist, wie eingangs erwähnt, von hoher technischer Vollendung; die vielen Holzschnitte, die das Werk zieren, sind das Beste, was bis dahin auf diesem Gebiete ge leistet war, sie sind der Gipfelpunkt dessen, was auf dem Gebiete der Holzschneidekunst zur Zeit ihrer höchsten Blüte, dem Ende des 15. Jahrhunderts, geschaffen wurde. Schon diese Illustrationen, die cs zum schönsten Erzeugnis des Rinascimento in Italien machen, sichern dem Buche einen unvergänglichen, hohen Wert, der auch in Ziffern ausgedrückt werden kann — in der Auktion Schcfer, Paris 1899, brachte ein gebundenes Exemplar 2000 Franken ein. lieber Zweck und Inhalt des Werkes herrscht die größte Un klarheit; in Italien und besonders in Frankreich existiert darüber bereits eine kleine Spezial-Litteratur. Das Werk wurde dreimal ins Französische übersetzt, zuletzt 1883 durch Popelin. Zwar dem oberflächlichen Beurteiler mag es ja genügen, festzustellen, daß es eigentlich ein aus zwei lose zusammenhängenden Erzählungen bestehender Liebes- und Abenteuer-Roman ist, um den es sich im Grunde genommen handelt. Allein diese Liebesgeschichte giebt sozusagen nur das Gerippe her, sie ist besonders im ersten Teile nur in großen Umrissen durchgeführt, bloß der Rahmen für eine Unmenge aller möglichen Beschreibungen, Studien, Erzählungen wunderbarer Begebenheiten und Visionen, Darlegungen der ver schiedensten Kenntnisse; es ist, als ob so die Gelehrsamkeit der damaligen Zeit in ihrer Gesamtheit hätte dargestellt werden sollen, lind dies soll auch wirklich dem Colonna nach manchen Forschern als Zweck bei der Abfassung der U^pnsrotowavbia vorgeschwebt haben. Andere aber behaupteten, es solle eine 8uwwa pbilooopküro, eine Erschließung des Steins der Weisen, eine allegorische Verherrlichung der christlichen Religion im mythologischen Gewände sein. Ein französischer Bearbeiter erklärte es vom heraldisch-freimaurerischen Standpunkt aus, ein anderer -wies nach«, daß es ein Geschichts werk sei. Das sind die Ansichten von Leuten, die das Werk ge lesen haben; im allgemeinen wurde es für das Produkt eines Narren, für einen gewöhnlichen Ulk und für — eine Briefsammlung gehalten. Nun, was von alledem ist es denn eigentlich? Die Erklärung Gnolis hat viel für sich. Ihr zufolge ist Polia, die Heldin der Liebesgeschichte, die symbolische Gestalt der Wahrheit, der Poliphilus unausgesetzt nachjagt, die er liebt (daher Poli- philus). Als sicherster Weg, sich ihr zu nähern, um sie zu ge winnen, erscheint ihm das Studium des Altertums; durch die prachtvollen Thore der klassischen Litteratur tritt er in ihr Be reich, den sich ihm entgegenstcllenden Drachen — die Vorurteile — überwindend. Hatte somit Colonna schon in mehr als einer Beziehung ein ungewöhnliches, allgemeine Beachtung verdienendes Werk geschaffen, so wurde es durch die Zeichnungen, mit denen es ein unbekannter Meister zierte, besonders für Architekten zu einer wahren Augen weide und war bestimmt, auch in dieser Hinsicht, auf den Geschmack und das Kunstverständnis fördernd einzuwirken. Wem wurden diese Zeichnungen nicht schon zugeschricbcn! Sogar dem Raphael! Der Ilmstand, daß viele derselben am Rande ein L. aufweisen, schien zu der Annahme zu berechtigen, daß Vernardus pictor, Giovanni Bellini oder Jacopo de' Barbari ihr Schöpfer sei. Die Sujets sind mannigfach; Skulpturen, Erzeugnisse der Goldschmiedekunst, Trophäen, Obelisken, Nymphen, Tiere, Landschaften, Tempel, Triumphzüge, Ruinen, Monumente, Fontänen, geometrische Kon struktionen der verschiedensten Art ziehen in bunter Wechselfolge an dcni Auge des Beschauers vorüber. An Wert werden alle über ragt von den architektonischen Zeichnungen. Welche Kühnheit der Erfindung, welche Leichtigkeit der Konstruktion, welche Reinheit der Formen! Störend wirkt bei den Fontänen, z. B. bei jener sonst wundervollen Zeichnung, wo das Wasser den Brüsten dreier Frauengestalten entspringt, daß die betreffenden Strahlen in gleicher Stärke, wie die Konturen des Brunnens selbst gezeichnet sind, wodurch die Form beim ersten Anblick ziemlich plump er scheint, und man sich erst diese Strahlen wegdenken muß, um das Kunstvolle der Komposition voll genießen zu können. Auch an erotischen Sujets fehlt cs nicht ganz, eine Darstellung des priapischcn Kultus gehört zu den besten Bildern und wurde auch in ckslla Ltawps, vol rinasoiwouto italiaao- (Venedig 1894, II, p. 93) reproduziert, aber fürsorglich nicht ohne Einschränkung. Im großen ganzen herrscht die Ornamentik vor; reich verzierte Säulen, Sockel, Kapitälcr, Thore, Hallen zeugen von dem Be streben des Illustrators, möglichst vielen derartigen Schmuck an- zubringcn, sogar die Brüste der Frauen sind großenteils und sehr zierlich durch einfache Spirallinien angedeutet. Um zum unterhaltenden Teile überzugehen, sei vorausgeschickt, daß sich der erwähnte Liebesroman einerseits leicht aus den Kapitel-lleberschriften zusammenstellen läßt und anderseits in einem, im Exemplar der Münchener Hof- und Staatsbibliothek rückwärts cingeheftetcn, sonst wohl am Anfang befindlichen Resumö zusammengefaßt ist. Ich will mich nur auf eine ganz kurze Wieder gabe beschränken. Poliphilus, traurig wegen seiner unglücklichen Liebe zu Polia (von der der zweite Teil handelt) schläft ein und sieht nun im Traume viele wunderbare Sachen. Er sieht sich zuerst auf einer blüten reichen einsamen Ebene, kommt dann in einen dichten Wald, aus dem er sich erst wieder herausfindet, nachdem er Jupiter um Hilfe gebeten. Halb verdurstet, will er aus einem Flüßchen trinken, vernimmt aber in demselben Augenblick einen so lieblichen Gesang, daß er das Wasser wieder seiner Hand, mit der er cs geschöpft, entfließen läßt. Dem Gesänge nachgehend, wird er müde und schläft auf einer Wiese ein. Er sieht sich jetzt in eine köstliche grüne Landschaft versetzt, die nur durch einen Wolf ungemütlich gemacht wird, der sich aber bald entfernt. Dann erblickt Poliphilus zwischen zwei steilen Bergen ein ungeheures Gebäude, bestehend aus einer säulengetragenen Pyramide, gekrönt von einem Obelisken. Davor ein wildes Pferd, das mehrere Kinder zu besteigen suchen, ein großer Elefant mit einem Obelisken ani Rücken und eine kolossale, am Boden liegende Statue. Poliphilus geht weiter, und wunderbare Sachen sind es, die er sieht und be schreibt. Cr tritt durch eine herrliche Pforte, die nach der Inschrift von Baccchus und Ceres zu Ehren von Venus und Amor errichtet wurde. Die fünf Sinne stellen sich ihm in Gestalt von fünf Nymphen vor, Pyramiden, prachtvolle Schlösser, ganz aus Edel metallen und Edelgestein, ein herrlicher Wald, eine großartige Fontäne, ein Palast, in der die Königin des freien Willens wohnt, ein Nymphenball, ausgeführt als Schachspiel, drei Gärten, einer von Glas, einer von Seide und der dritte ein Labyrinth, der das menschliche Leben darstellt, ein kreisförmiger Säulengang mit der Darstellung der Dreieinigkeit in Hieroglyphen in der Mitte, ägyptische Skulpturen und vieles, vieles andere Schöne und Inter essante sieht er da. Er hält schließlich vor drei Thüren an, die die Inschriften 6Ioria Osi — tlloria, Nancki — Natsr ^.moris tragen, und wählt letztere zum Eintritt. Eine Nymphe, unter der er seine geliebte Polia vermutet, empfängt ihn, läßt ihn einem Triumph zuge berühmter Liebespaare beiwohnen und geleitet ihn zu einem Tempel, wo ein Priester ihr die Erlaubnis, ihn zur Mutter der Liebe zri führen, erteilt, nachdem er ein Opferfest für Priap ge sehen. Um den Liebeskranken zu zerstreuen, leitet sie ihn an, in einer Ruine am Meere nach Altertümern zu forschen, wo er sich vor der Darstellung einer Hölle in Mosaik (die einzige Stelle des Werkes, wo von Malerei die Rede ist) entsetzt. Er besucht noch die Totenstadt der an Liebe zu Grunde Gegangenen, bis endlich Anior in seinem von sechs Nymphen gezogenen Gefährt erscheint. Polia und Poliphilus stcigeu ein, Amor erzeugt mit seinen Flügeln eine Brise, und so gelangen sic zur Insel der Venus. Dort be steigt Amor mit Psyche und Nymphen sein Wägelchen, bindet die beiden Liebenden rückwärts daran und führt sie zum Tempel der Venus, wo die aus den schäumenden Wellen steigende Göttin sie
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