Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 02.06.1897
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1897-06-02
- Erscheinungsdatum
- 02.06.1897
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-18970602
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-189706024
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-18970602
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1897
- Monat1897-06
- Tag1897-06-02
- Monat1897-06
- Jahr1897
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Auslande verdankt.*) So kommt es, daß der deutsche Ver leger über einen Apparat für die intensive Verbreitung seiner Erzeugnisse verfügt wie kein Verlegerstand in fremden Ländern, und so kommt es auch, daß er, immer abgesehen von seinem unverbesserlichen deutschen Idealismus, mehr leisten und mehr wagen kann, als sein französischer und englischer Kollege. Ob dies immer so bleiben wird? Ich will mit dem Be kenntnis nicht zurückhalten, daß ich nicht allzu vertrauensvoll in die Zukunft sehe. An mehreren Punkten zugleich zeigt sich eine Wendung zum Schlimmern. Zunächst in dem Mangel an Nachwuchs für die wichtigen Außenposten in der Fremde. Belgien ist nach meiner Erfahrung für die deutsche wissenschaftliche Litteratur zur Zeit nahezu verloren, obwohl es dies bis vor kurzem nicht war. Hier einzugreifen und jungen Sortimentern, die eine tüchtige fachliche Schulung hinter sich haben, die Niederlassung in solchem verlorenen Gebiet zu erleichtern oder sie gar dazu zu veranlassen, wäre eine würdige gemeinsame Auf gabe des deutschen Verlagsbuchhandels. — Sodann flößt die rasche Zunahme der Zentralisation in den letzten 25 Jahren ernste Bedenken ein. Das Wachstum Leipzigs und bis zu einem gewissen Grade auch Berlins als Zentralpunkte des Buchhandels ist unaufhaltsam und ebenso das Bestreben, von dort aus das ganze Land zu versorgen. Freilich läßt sich der im großen und ganzen tüchtige, energische, intelligente Provinzialbuchhändler nicht so leicht vernichten; er hat die nachdrückliche Wahrung seiner Rechte und Interessen in der Gesamtorganisation durchgesetzt. Auch sei es zur Ehre des Verlagsbuchhandels gesagt, daß die weitaus überwiegende Mehrheit ein klares Verständnis für den Ernst der Lage hat und den Provinzialbuchhandel gegen Unterbietung von außen zu schützen sucht. Aber es giebt doch eine Anzahl bedeutender Ver leger, die die Reformbewegung des deutschen Gesamtbuchhandels zum Schutz der Sortimenter nur mit Widerstreben mitmachte. Es ist dies eine Art buchhändlerischer »Uebermenschen«, die sich nur aus sich selbst stellen wollen und der Vernichtung des Provinzial - Sortiments mit manchesterlichem Gleichmut ent gegensetzen. Wir wollen hoffen, daß sie nie in die Lage kommen, das Verlorene zurückzuwünschen. Und wieder andere Verleger können den Verlockungen eines Bestellzettels nicht widerstehen und liefern unter allerlei Gründen an Schleuder firmen, die vom Börsenverein wegen Verletzung der Satzungen ausgeschlossen sind. Wieder andere liefern direkt an Behörden und Publikum, sobald ihnen die Vermittelung des Sortiments überflüssig erscheint. Was soll man aber dazu sagen, wenn Leipziger Kommissionäre, denen die Inter essen ihrer Sortimenter-Kommittenten vor allem heilig sein sollten, den Schutz dieser Kommittenten so lax betreiben, daß dem geächteten Schleuderer direkt Vorschub geleistet wird? Mit Recht fragt im Börsenblatt vom II. März d. I. eine angesehene Verlagshandlung, die es mit dem Schutz des Sor timents und den zu diesem Zweck eingegangenen Verpflich tungen ernst nimmt: »Wenn die Kommissionäre nicht für den *> Nach genauen statistischen Ermittelungen geht von meinem Verlag durchschnittlich ein Drittel direkt ins Ausland, wobei Oesterreich und die Schweiz als Ausland gerechnet sind. Dieses Drittel verteilt sich aus die einzelnen Länder wie folgt (in Klammer der Prozentsatz vom Ganzen): Oesterreich-Ungarn 23,8°/« (7,1°/.) Schweiz .... 4,9°/« (1,6°/«) Großbritannien . 16,3°/« (5,4°/«) Schweden u. Nor- Ver. Staaten . . 12,7°/« (4,2°/«) wegen .... 4,7°/« (1,5°/«> Rußland .... 9,5°/« (3,1°/«) Dänemark . . . 2.2°/« (0,7°/«) Frankreich . . . 9,3°/« (3,1°/,) Belgien .... 0,7°/« (0,2°/«> Italien .... 7,4°/« (2,4°/„) Die übrigen Länder 3°/, (1°/«) Niederlande. . . 6,2°/« (2°/«) Dies stellt natürlich nicht den Gesamtbedarf des Auslandes dar, da außerdem eine Anzahl großer Exportbuchhandlungen in Leipzig und fast alle Universitätsbuchhandlungcn beträchtliche Lieferungen ins Ausland machen. Schutz des Provinzialsortiments Opfer bringen wollen, wer sollte es dann noch thun?« Außerdem stellen sich noch andere Schwierigkeiten ein. Zunächst das Entstehen zahlreicher Zwischenhändler in Leipzig. Eine Anzahl davon üben an und für sich sehr nützliche Funktionen aus, weil sie sich loyal in den bestehenden Orga nismus einordnen; andere aber sind unkontrollierbar und unter minieren von Leipzig aus, das auf Kosten der Gesamtheit zum Centrum gemacht ist, den Provinzialbuchhandel. Wenn z. B. die Studenten der Schweiz, wie es heißt, eine Genossen schaft gründen wollen, um ihren Bücherbedarf mit Umgehung des schweizerischen Sortimentsbuchhandels direkt von Leipzig, und zwar von einem solchen Zwischenhändler zu beziehen, zu Bedingungen, die allen Anordnungen des Verlegers und der buchhändlerischen Korporationen zuwiderlaufen, so fordert dies den intensivsten Schutz des Verlagsbuchhandels für das schweizerische Sortiment heraus. Oder will man ruhig Zu sehen, wie der Sortimentsbuchhandel eines ganzen Landes lahm gelegt werden soll und damit auch der ganze Vertrieb wissenschaftlicher Litteratur? Der Rückschlag auf den Verlags buchhandel würde nicht ausbleiben, so wenig wie vorher in England und Frankreich. Hier bestehen also nach meiner Ansicht wichtige moralische Verpflichtungen der Verlagsbuchhandlungen (bei den Kommis sionären verstehen sie sich von selbst), die sich freilich weniger durch Gesetzesparagraphen als durch ernsten Willen jedes Einzelnen durchführen lassen: unnachsichtliche Bekämpfung der unlauteren Elemente in den Zentren; ehrliche Durchführung der vom Börsenverein beschlossenen Sperrmaßregeln gegen Schleu derer und ihre Helfer; Vermeiden direkter Lieferungen an Be hörden nnd Private. Ich hoffe es noch zu erleben, daß die Gesamt heit der Verlagshandlungen sich der freiwilligen Kontrolle eines Ehrenrats von Verlegern unterzieht, der auch ihre Pflichten gegenüber der Gesamtheit wenigstens moralisch festlegt. Denn wenn auch theoretisch nichts dagegen einzuwenden ist, daß der Verleger sich in das Versügungsrecht über sein Eigentum nichts hineinsprechen zu lassen braucht: jeder, der in einer Gesamt heit steht und dessen Gedeihen auf dem Organismus dieser Gesamtheit beruht, hat Pflichten gegen diese Gesamtheit. Wenn es daher vorkommt, daß ein Verleger Manipulationen vornimmt, die diesen Organismus schädigen, wenn z. B. ein Verleger ein neues Werk schon bei Erscheinen teilweise »ver ramscht«, so daß es vom ersten Tage an zu zweierlei Preisen feilgeboten wird, so sehe ich mich vergeblich nach einer börsen- vereinlichen Instanz um, die ein solches, gegen die guten Sitten verstoßendes Verfahren rügt und brandmarkt. Hat nicht der Verlagshandel ebenso das Recht und die Pflicht, wie jede andere Vereinigung, seinen Stand rein zu halten von querköpfigen, schädigenden Elementen? Aber der Schutz des Sortiments in seiner bisherigen Dezentralisation ist nicht nur eine innere buchhändlerische Frage, sondern geht auch weitere Kreise an. Es mag für manchen Gelehrten und Bibliothekar ganz profitabel erscheinen, sich die mühsamen und wenig einträglichen Dienste der ört lichen Sortimenter gefallen zu lassen, alle teureren Werke, deren Einsicht vielleicht erst durch diesen Lokalbuchhändler ver mittelt wurde, mit etwas höherem Rabatt von Leipzig zu beziehen. Und es scheint neuerdings bei der preußischen Regierung für volkswirtschaftlich richtig zu gelten, Volks schaffen, die sie veranlaßt hat, mit Umgehung des Sortiments buchhandels an die Schulen und ans Publikum zu bringen. Solches Verfahren kann nicht tief genug beklagt werden. Der Gelehrte, der Bibliothekar und die Regierung arbeiten damit an der Zertrümmerung des Sortiments, folglich in direkt an der Einengung des Verlags und fördern Zustände, ähnlich den geschilderten in andern Ländern, die wahrlich als abschreckendes Beispiel wirken sollten.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder