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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 31.08.1906
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1906-08-31
- Erscheinungsdatum
- 31.08.1906
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
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- Saxonica
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202, 31. August 1906. Nichtamtlicher Teil. 8225 Kirchlein, das den Palmpark begrenzt, unter den grünenden Eiben, Buchen und Birken hebt sich das Denkmal hoheitsvoll ab. Eine vieltausendköpfige Menge hatte den Festplatz bereits be lagert, als der Festzug anrückte, den die Musikkapelle und eine Feuerwehrabteilung eröffncten. Es folgten dann die Schuljugend mit ihren Fähnlein, der katholische Gesellenverein, der Militär- Veteranenverein und der Kriegerverein von Braunau am Inn, ferner die Beteranen- und Kriegervereine von Simbach, die Schützen- vcreine von Braunau und Simbach, die Turnvereine von Braunau und Simbach, die verschiedenen Gesangvereine, die die Feier durch einen Vortrag verherrlichen halfen, der Verein »Palm» aus München mit Banner, dann die Festgäste, darunter die An gehörigen Palms, die Gemeindevertretung mit dem Bürger meister usw. Am Palmplatz angelangt, hielt zunächst Bürger meister Max Fink die Begrüßungsansprache. Er hieß die Gäste freudig und herzlich willkommen, alle, die aus nah und fern ge kommen waren, von dies- und jenseits des Inn. Er dankte allen, insbesondre dem Landeshauptmann, für den Besuch des Festes. Vor 100 Jahren, sagte Redner, sei hier auf Napoleons Befehl ein Mann erschossen worden, der nichts andres verbrochen hatte, als daß er deutsch fühlte, deutsch dachte und deutsch handelte. Manches sei seit dieser Zeit anders geworden in der kleinen Grenzstadt, wo heute das erhabene Fest gefeiert werde, aber eins sei geblieben, der echte deutsche Sinn der Bürgerschaft. Er sei überzeugt, daß es heute in Braunau Männer gebe, die ebenso handeln würden wie Palm. Redner gedachte auch des Priesters Pöschl, der als echter deutscher Mann Palm in den letzten Stunden zur Seite stand. So müssen im Glück und Unglück alle Deutschen eingedenk sein, daß sie Söhne einer großen Nation seien. Noch mals bot Redner einen herzlichen Willkommgruß mit der Hoff nung, daß die heutigen Stunden für alle Gäste eine angenehme Erinnerung bleiben werden. (Lebhafte Heil- und Hochrufe.) Sonach wurde von den Schülern der Braunauer Schulen der Chor »Ans Vaterland, ans teure, schließ dich an-, komponiert von dem Lehrer Wilhelm Mayr aus Moosbach, vorgetragen, der sehr hübsch gesungen wurde. Zwei Söhne der Stadt Braunau hatten diesmal zur Verherrlichung des Festes wesentlich beigetragen. Es waren dies der königliche Hofschauspieler Ludwig Kaser, der, so wie vor 40 Jahren bei der Enthüllung des Denkmals von Palm, auch diesmal wieder die wirksame Festrede hielt. Vor 40 Jahren hielt er sie als junger Notariatskandidat (er war damals in Steyr), heute sprach der württembergische Hofschauspicler Kaser begeisternde Worte. Der zweite Sohn Braunaus, der sich in den Dienst seiner Vaterstadt gestellt hatte, ist der Komponist Josef Reiter aus Wien, der den von ihm komponierten mächtigen Festchor selbst dirigierte. Kaser hielt folgende, von oftmaligem Beifall unterbrochene Festrede: »Heute vor 100 Jahren hauchte Johann Philipp Palm, niedergestreckt von den Kugeln französischer Musketiere, hier zu Braunau sein Leben aus. Gefühle des Schauders und Entsetzens über diese ruchlose Tat, aber auch Gefühle der Bewunderung, der Verehrung und des Dankes ließen dieses herrliche Denkmal ent stehen. Und ebensolche Gefühle und hierzu die Gefühle der Er hebung, der Anspornes und der Nacheiferung haben uns heute hier zusammengeführt in weihevoller Stundei Buchhändler Palm wurde zu einer Zeit, in der Frankreich mit dem römisch-deutschen Reiche im vollsten Frieden lag und wo niemand als sein Magistrat und dann der römisch-deutsche Kaiser über ihn urteilen und richten durfte, aus der Reichsstadt Nürnberg, aus der Mitte seiner Familie und seiner Mitbürger gerissen und auf direkten Befehl des französischen Despoten Napoleon ans Blutgerüst ge schleppt. Der freche Korse hatte das römisch-deutsche Reich zu tiefer Knechtschaft erniedrigt, Freiheit und Unabhängigkeit der Staaten waren Chimäre geworden, Eigentum und Leben der Bürger hatte er seinem alles zerschmetternden Zepter unterworfen, sie waren für ihn ein Spielball seiner grenzenlosen Selbstüber hebung und seines schrankenlosen Machtgefühls. Was war für ihn, der sich ein Weltenherrscher dünkte, der Hunderttausende von Menschen geopfert, was war für ihn das Leben eines einzelnen?! Was fragte er nach dem herzbrechenden Schmerze einer liebenden Gattin? Was galt ihm das Schluchzen und der Jammer un schuldiger Kinder, denen er den Vater raubte?! Philipp Palm mußte hingeschlachtet werden wegen einer Flugschrift, die er nicht einmal selbst verfaßte, sondern als Buchhändler nur versandte, Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 73. Jahrgang. ein abschreckendes Beispiel sollte an ihm gegeben werden, weil ein andrer es wagte, den deutschen Fürsten einen Spiegel vorzuhalten, wie sie sich und ihre Untertanen unter das Joch des französischen Tyrannen beugten. Mit Entsetzen sah ganz Europa dem Morde zu, der am 26. August 1806 zu Braunau verübt wurde, das Herz jedes ein zelnen krampfte sich zusammen und bäumte sich auf in Wut und Weh über diese Frcveltat. Und diese Gefühle erfassen uns auch heute noch, nach 100 Jahren! Zu diesen Gefühlen des Schauders und Entsetzens gesellen sich auch Gefühle der Bewunderung und Verehrung. Treue Gattenliebe, innig besorgte Vatertreue ver einigten sich in ihm mit echtem und rechtem Bürgerstolze, Opfer fähigkeit und kerndeutsche Treue paarten sich in seiner Brust mit der heißen Liebe zu seinem deutschen Vaterlande. Und diese war es, die ihn aufrecht hielt bis zu seiner letzten schweren Stunde. Ein einziges Wort, die Nennung des Verfassers der Flugschrift, hätte ihn retten können; dies eine Wort, er sprach es nicht und starb voll Mannesmut für einen andern! Müssen uns für diesen Mann, den wir bewundern und verehren, nicht auch heiße Ge fühle der Dankbarkeit ergreifen? Deutschland, das durch die Un einigkeit seiner Fürsten zur Ohnmacht, ja zum Marasmus herab gesunken war, wurde durch Palms Tod aufgerüttelt aus seinem Stumpfsinn und seiner Gleichgültigkeit. Endlich fühlte man, daß diese freche Verhöhnung aller Völkerrechte nicht länger zu ertragen sei, daß bürgerliche Freiheit, persönliche Sicherheit und alle Nationenrechte von dem fremden Despoten mit Füßen getreten und die ehrwürdigsten Bande der Weltgesellschaft zerrissen werden. Und so kam es, daß Palms Blut, das zu Braunau in den Sand verrieselte, nicht zum geringsten den Kitt gebildet, der die deutschen Stämme zusammenband. -Nach engem Zusammenschluß aller Regierungen, nach deutscher Einigkeit ging der Hilferuf und der Notschrei durch alle deutschen Gaue und über Palms Leiche dämmerte das Morgenrot der deutschen Freiheit! In den Befreiungskriegen hat sich's gezeigt, was deutsche Einigkeit vermag, und zu Leipzig hat sie den fremden Koloß in den Staub geworfen. Sind es endlich nicht Gefühle der Erhebung, des Anspornes und der Nacheiferung, die uns zu Füßen dieses Denkmales ergreifen? Scheint dieser Mann aus Erz, mit der Hand auf seinem deutschen Herzen, nicht die Lippen zu bewegen und uns zuzurufen: Seid einig, einig, einig!? " »Und dringt dieser Mahnruf nicht zunächst uns Deutsch österreichern in die Ohren, in die Herzen? Gerade jetzt, wo durch unser österreichisches Vaterland ein gellender Kriegsruf tönt, der Kriegsrus der Parteien und der Nationalitäten? Der Wellengang des österreichischen nationalen Lebens und des Verfassungslebens ist ja stürmischer denn je. Unsre heutige Feier, eine Friedens feier von ausgeprägt nationalem Charakter, fällt in eine Zeit, wo an alle Deutschen in Österreich der Mahnruf geht, sich enge zusammen zu schließen, um freche Angriffe abzuwehren und einen Haß zu bekämpfen, der dem Stamme gilt. Gerade jetzt, wo der Krieg nationaler Meinungen mitunter in einen Kampf der Fäuste auszuarten droht, haben alle Deutschen in Österreich sich überall und zu jeder Zeit als Deutsche zu bekennen und nach Gemein bürgschaft und Einigkeit zu streben! Dieser Mahnruf geht aber auch an alle Angehörigen des großen, weiten Deutschen Reiches, wo trotz dem herrlichen Gefüge, das Kriegsruhm und weise Politik geschaffen, Sonderinteressen und Sondergelüste sich hie und da zu rühren wagen, fragwürdiger Partikularismus mitunter gar wunderliche Blüten treibt oder wo gar oft uferlose Träume von einem nebelhaften Zukunftsstaat das hehre Ideal des gutgesinnten deutschen Volkes, das ich mit den Worten umschreiben möchte: das geeinte Deutsche Reich mit seinem Kaiser an der Spitze, zu stören oder zu zerstören versuchen. Dieser Mahnruf geht aber in Deutschland nicht nur gegen die Feinde im Innern, sondern auch gegen die Feinde von außen. Noch sind die Gegensätze zwischen Deutschland und den westlichen Nachbarn nicht beseitigt. Kaum ein Jahr hat sich gewendet, seit dieser Gegensatz der Welt so ersichtlich wurde, daß sie von der Ahnung einer drohenden, den allgemeinen Frieden störenden Weltkatastrophe erfaßt wurde und man nach träglich erst erkannte, wie nahe ganz Europa am Rande eines furchtbaren Krieges vorübergegangen war. Da hat es sich wieder gezeigt, wie notwendig eine geschlossene, der ganzen Welt impo nierende Einheit ist! 1082
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