Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 13.04.1907
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1907-04-13
- Erscheinungsdatum
- 13.04.1907
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-19070413
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-190704135
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-19070413
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1907
- Monat1907-04
- Tag1907-04-13
- Monat1907-04
- Jahr1907
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
85. 13. April ISO?. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt s. d. Dtschn. Buchhandel. 3845 angemessenem Tone spricht, so wollen wir eine gewisse Mit verschuldung unsrerseits nicht in Abrede stellen. Wenn eine Nation die ausgeprägten akademischen Berufe so sehr bevorzugt; wenn diese Bcrufsarten auch finanziell verhältnismäßig solche Vorteile bieten, daß der wünschens werte Abfluß akademisch gebildeter Kräfte in die Berufs presse gehemmt wird; wenn sich unter solchen und weiter hinzutretenden andern Umständen stillschweigend die An schauung herausbildet, daß es zum guten gesellschaftlichen Ton gehöre, in der Berufspresse nicht tätig zu werden, ja überhaupt womöglich für sie nicht zu arbeiten; wenn also, deutlich gesagt, die Nation selbst einen so wichtigen Kultur faktor wie die Presse so wenig befruchtet, so darf sie sich nicht wundern, wenn nicht alle Früchte reifen. In diesem Sinne erfüllt sich das bekannte Wort, daß jede Nation und jedes Publikum die Presse besitzen, die sie verdienen. So sehr es nun wünschenswert ist, daß die Berufs presse in der Person ihrer Redakteure über ausgedehntere fachliche Kenntnisse, insbesondre auch auf juristischem Feld, verfügt, so ist es doch bei genauer Berücksichtigung ihrer Verhältnisse ausgeschlossen, daß sie auf allen Gebieten, die sie zur Mitarbeit berufen, hinreichende eigne Fachkenntnisse besitzen könnte. Vielmehr wird sie immer auf die Heran ziehung von Sachverständigen angewiesen sein und auch auf dem häufig besonders wichtigen Gebiet der Tatsachen dringend ihrer Gewährsmänner bedürfen. Freilich könnte zum mindesten von den Sachverständigen die Anonymität öfter aufgegeben werden, da die häufige Wirkungs losigkeit solcher Veröffentlichungen gerade mit dieser Anony mität im Zusammenhang steht, sofern der Leser sich im unklaren bleibt, ob ein Berufener das Wort führt Ebenso kann aber darüber nicht der mindeste Zweifel be stehen, daß es bei der anerkannten Aufgabe der Presse eine nicht geringe Anzahl von gerade besonders wichtigen Fällen gibt, in denen, auch bei der Abneigung bestimmter Kreise gegen solche Publikationen, sowohl die Sachverstän digen als die Gewährsmänner der Tatsachen nicht erkannt sein wollen, wennschon sie wertvolle sittliche Güter in Schutz nehmen. In diesem Punkte ist nun die Analogie mit den Bestimmungen der Strafprozeßordnung heranzuziehen und zu entscheiden, ob hier nicht ebenfalls der allgemeinen Zeugnispflicht ein höheres Recht gegenübersteht. Die sittliche Evolution der Menschheit und eines Volkes be ruht auf dem Prinzip des Fortschritts. Jeder Fort schritt aber bricht mit einer bisherigen Anschauung. Der Staat, innerhalb dessen sich die sittliche Aufwärtsbe wegung vollzieht, hat alle Ursache, den Fortschritt als seinen eignen Vorteil zu erkennen und zu begünstigen. Für ihn ist das Prinzip des Fortschritts gegenüber der allgemeinen Zeugnispflicht zweifellos ein höheres Recht, das der Anerkennung als solches bedarf. Unter Berücksichtigung der Analogie kann also sehr wohl ein Zeugnisverweigerungsrecht des Redakteurs, Ver legers und Druckers über die Person des Verfassers und Einsenders eines in der Druckschrift veröffent lichten Artikels, dessen Inhalt den Gegenstand einer Strafverfolgung bildet, begründet werden. Wenn Schwarze (Reichspreßgesetz) die analoge Anwen dung insbesondere gegenüber dem Zeugnisverweigerungsrecht des Beichtvaters verneint, so ist es richtig, daß die Beichte in der Absicht erfolgt, die gebeichtete Tat solle verschwiegen bleiben, während der Anonymus gerade die Veröffentlichung seines Artikels wünscht. Hierin ist aber, wie wir ent wickelt haben, der Vergleichspunkt gar nicht zu suchen. Ausschlaggebend ist nur, ob der allgemeinen Zeugnispflicht ein höheres Recht gegenübersteht, was beim Geistlichen Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 74. Jahrgang. und beim Redakteur zutrifft. Schwarzes weitere Be merkung, das Verhältnis des Beichtvaters zu seinem Beichtkinde sei grundverschieden von demjenigen des Redakteurs zu seinem Gewährsmann, fußt also insoweit auf einer nicht erschöpfenden Auffassung der Presse. Man kann einwenden, daß die anonyme Veröffentlichung in vielleicht nicht wenigen Fällen ein wertvolles sittliches Gut gar uicht in Schutz nimmt, ja, daß sie einen nicht sittlichen Zweck verfolgt, und daß dann der allgemeinen Zeugnispflicht ein höheres Recht gar nicht gegenübersteht. Dasselbe Bedenken für den konkreten Fall könnte aber auch den von der Strafprozeßordnung im Prinzip bereits anerkannten Be freiungen von der Zeugnispflicht entgegengehalten werden. In wie vielen Fällen würde der Zeugniszwang gegen den Angehörigen die Bande der Familie und Bluts verwandtschaft gar nicht verletzen, weil diese Beziehungen seitens des Beschuldigten schon lange mit Füßen getreten sind! Wie oft mag die Beichte einer Straftat ohne Gefühl der Reue und nur gewohnheitsmäßig, also ohne wahrhaftes religiöses Bedürfnis erfolgen! Wenn sich der Beschuldigte oder der Verletzte in die Behandlung des Arztes begibt, werden sie meist gar nicht daran denken, daß der Arzt das Zeugnis verweigern darf. Wie oft werden also diese Maßnahmen des Staates einem Nichtwürdigen zuteil werden! Gleichwohl erkennt der Gesetzgeber mit Recht die von uns dargelegten sittlichen Güter im Prinzip als die höheren an und läßt sich durch die Berücksichtigung des Einzelfalls von seinem sittlichen Standpunkt nicht abbringen. Nicht anders liegt es bei dem Verhältnis zwischen Redakteur und Verfasser bezw. Einsender. Das sittliche Prinzip ist gegenüber den konkreten Fällen un verrückbar gegeben. Das sittliche Prinzip allein vermag das Zeugnisoerweigerungsrecht des Redakteurs usw. zu tragen, wie es die übrigen Befreiungen vom Zeugnis trägt. Der Gesetzgeber kann in Verfolgung sittlicher Grundsätze nicht deuteln und wählen. Es gibt nur eine unteilbare Sittlichkeit. Der Staat schädigt sich selbst, wenn er eine Differenzierung vornimmt. Er ist es aber, der seinen Angehörigen, auch der Presse, das sittliche Beispiel zu geben hat. An dieser Beurteilung kann auch die Erfahrung nichts ändern, daß die Presse selbst in ihrer Allgemeinheit für diesen Standpunkt nicht immer das richtige Verständnis zeigt und leicht geneigt ist, ihrem politischen Gegner das Zeugnis verweigerungsrecht abzuschneiden. Andrerseits ist aber der gegen die Presse geübte Zeugniszwang meist tatsächlich er folglos gewesen. Soviel man hierbei auch auf Rechnung einer gewissen Widersetzlichkeit gegen die Behörden setzen will, so kann man doch ein Standesbewußtsein sowie die Achtung einer Berufspflicht und eines Vertrauens verhältnisses als mitwirkende Faktoren keineswegs aus- scheiden. Da der Redakteur, der das Zeugnis verweigert, nach dem Gesetze meist selbst die Strafe auf sich nehmen muß und in der Praxis auch auf sich nimmt, so kann auch insoweit ein sittliches Bedürfnis für sein Zeugnisoer weigerungsrecht nicht in Abrede gestellt werden. Damit kommen wir zu einem weiteren wichtigen Punkte. Während nämlich bei den bereits anerkannten Be freiungen vom Zeugniszwang ein Mittel, eine verübte Straftat gleichwohl zur gerichtlichen Aburteilung zu bringen, im Mangel andrer Beweismittel vielfach nicht gegeben ist, haftet der verantwortliche Redakteur als Täter oder Teilnehmer, wenn nicht durch besondre Umstände die An nahme seiner Täterschaft ausgeschlossen ist (H 20 des Paß gesetzes). Hat also der Redakteur den Artikel gelesen und ausgenommen, so ist er zur strafrechtlichen Verantwortung zu ziehen. Freilich können ihn von der Täter- oder Teil- 504
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder