Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 26.03.1909
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1909-03-26
- Erscheinungsdatum
- 26.03.1909
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-19090326
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-190903264
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-19090326
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1909
- Monat1909-03
- Tag1909-03-26
- Monat1909-03
- Jahr1909
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
^ 70, 26. März 1909. Nichtamtlicher Teil. B-iI-nbl«,. d. Dttch». Vuchhand-I. 3743 Französische und deutsche Vuchhandlungs- gehilfen in Paris. Von Ernst Waldmann. Wenn wir auf etwa 30 bis 40 deutscher oder überhaupt ausländischer Buchhandungsgehilfen, die zu ihrer Ausbildung nach Paris kommen, einen französischen nehmen, der zu demselben Zwecke nach Leipzig geht, so werden wir damit ungefähr das richtige Verhältnis treffen. Woher nun dieser starke Unterschied, der um so unbegreiflicher erscheint, als Leipzig in buchtechnischer Beziehung entschieden und mit Recht einen größeren Ruf genießt als Paris? Die Gründe dafür sind recht zahlreich: Erstens hat der Deutsche überhaupt einen gewissen Wandertrieb in sich, eine Eigenschaft, die dem Durchschnittsfranzosen vollkommen abgeht; dann aber übt das Leben in Paris, der Lcuchtenstadt, eine große Anziehungskraft aus, und man wird wohl nicht fehlgehen in der Annahme, daß ein guter Teil der ausländischen Buchhandlungs- bcflisfenen weniger deshalb nach Paris kommt, um den französischen Geschäftsbetrieb kennen zu lernen, als um eine Zeitlang in Paris zu leben. Es ist eben die Stadt Paris, ihr Ruf, der zieht; denn der Andrang nach den französischen Provinzstädten ist gleich null, der nach Belgien und der französischen Schweiz, wo übrigens ein viel besseres und reineres Französisch gesprochen wird als in Paris selbst, ist nur unbedeutend. Diejenigen nun, die weniger dem Seinebabel zuliebe Herkommen, als um sich in der französischen Sprache und besonders in ihrem Beruf weiter zu bilden, werden sich gerade in diesem letzteren Punkte vielfach in ihren Erwartungen getäuscht sehen. Stellen in großen Verlagshäusern, in denen man wirklich einen interessanten, fremdartigen Betrieb beobachten kann, sind, wie ich später ausführen werde, überaus selten, bei Stellen in Sortimenten, Antiquariaten und Kommissionsgeschäften wird man finden, daß dort eigentlich gar nicht so viel zu lernen ist, daß der Betrieb von dem zu Hause Gewohnten nur wenig ab weicht, ja sogar, daß viele buchhändlerische Einrichtungen in Deutschland besser sind als hier. Allerdings bleibt in jedem Falle die französische Sprache und Literatur, und darin kann jeder noch lernen. Als weiterer Nachteil kommt dazu, daß man einen ge naueren Einblick nur in den Betrieb der eigenen Firma gewinnen kann — und auch dort nicht immer —, aber nur sehr selten einen solchen in den Betrieb von andern Häusern. Das hat seinen Grund darin, daß der französische Buchhandel unter sich viel zu wenig organisiert, zu wenig aufeinander angewiesen ist, daß der geschäftliche und persönliche Verkehr unter Kollegen, seien es nun Prinzipale oder Gehilfen, viel zu wenig ausgebildet ist. — Nun sollte man glauben, daß der Franzose, der sich den Buchhandel als Beruf erwählt hat, nichts besseres tun könnte als nach Leipzig zu gehen, wo er den ganzen Buchhandel in allen seinen Arten und in größter Auswahl der verschiedenen Branchen beieinander findet. Man wird mir vielleicht einwenden, es sei für einen Franzosen, der kein Deutsch kann, schwer, in Leipzig Stellung zu finden Gewiß, aber nicht schwerer als für den Deutschen, der kein Französisch versteht, in Paris. Der Grund dafür, daß so viele Deutsche nach Paris kommen und dafür so wenig Franzosen nach Leipzig gehen, liegt einfach darin, daß der Deutsche will, und der Franzose nicht. Es wird diesem sehr sauer, sich in fremde und neue Verhältnisse zu schicken, er hat auch gar nicht das Be dürfnis und das Verlangen, fremde Länder mit andern Lebens- gewohnhciten als den seinigen aus eigner Anschauung kennen zu lernen. Der Durchschnittssranzose der Mittelklasse reist also wenig, sich kenne einen, der im Alter von 43 Jahren noch nie in einem Hotel übernachtet hatte!) und wenn er reist, so geschieht das im eigenen Lande oder in der Schweiz, wo er sicher ist, mit seiner Sprache überall durchkommen zu können. Die natürliche Folge dieser Abgeschlossenheitspolitik, selbst bei Leuten, die eine tadellose Schulbildung genossen haben, ist ein staunenswertes Maß von Unkenntnis über alles, was außerhalb der französischen Grenz pfähle vor sich geht, und diese Unkenntnis hat einen empfindlichen Einfluß auf den Absatz von französischer Literatur im Auslande. Zwar ist jetzt die französische Sprache nicht mehr so weit ver breitet wie früher, aber sie ist auch heute noch die Sprache der Diplomatie, der internationalen Gesellschaft und vornehmen Welt, zum Teil der Gelehrten, kurz derjenigen Kreise, die als Bücher- käuser am ersten in Betracht kommen. Leute die französisch sprechen, gibt cs auf der ganzen Welt, und mehr als jede andre Literatur hätte die französische ein Anrecht darauf, von jedem auch nur einigermaßen bedeutenden Sortiment geführt zu werden. Ebenso sollte man glauben, daß gerade der Franzose, eben wegen der leichteren Absatzsähigkeit seiner Bücher, sich eher dazu ent schließen würde, Buchhändler zu werden, als andere Leute. Wenn wir aber näher Zusehen, so werden wir finden, daß unter allen Nationen des europäischen und überseeischen Auslandes gerade die Franzosen am schwächsten als Buchhändler vertreten sind, — kaum einer aus hundert. Auch diejenigen Buchhändler, die die besten Geschäfte in den französischen Kolonien machen, sollen nicht Fran zosen, sondern Ausländer sein. Trotz dieser ungünstigen Sachlage ist es mit dem Export von französischer Literatur ins Ausland verhältnismäßig nicht gerade schlecht bestellt; aber dieser Export wäre, bei entsprechend ausgebildetem Gehilsenmaterial, das den ausländischen Markt und seine Aufnahmefähigkeit aus eigner An schauung kennen würde, noch sehr steigerungssähig. Woher kommt es, daß der Absatz von französischer Literatur in Deutschland so sehr viel größer ist, als der Absatz von deutschen Büchern in Frankreich? Das hat mit der mangelhaften Organisation des französischen Buchhandels so gut wie nichts zu tun; denn selbst wenn der französische Sortimenter beruflich auch besser ausgebildet wäre, so würde der Absatz von deutscher Literatur in Frankreich deswegen nur unwesentlich wachsen, weil eben wenig Nachfrage vorhanden ist. Wohl aber ist es aus Rechnung der durchschnitt lich ungenügend ausgebildeten Gehilfen zu setzen, wenn der Absatz von französischer Literatur im Ausland nicht größer ist, wo er doch bei geringer Anstrengung vergrößert werden kann. Der Deutsche entschließt sich schneller dazu, die französische Sprache zu lernen, als der Franzose zur Erlernung der deutschen; er kennt infolgedessen Frankreich auch besser, als der Franzose Deutschland kennt. Und doch fließt, wenigstens im Buchhandel, viel mehr Geld von Deutschland nach Frankreich, sei cs nun für Bücher, llber- setzungsrechte oder Theatertantiemen, als umgekehrt. Nun kommt beim französischen Gehilfen noch etwas hinzu, was ihn wesentlich vom deutschen unterscheidet: Der Franzose wird nur in den seltensten Fällen aus wirklicher Liebe zum Beruf in den Buchhandel eintreten; es wird ihm weniger darauf ankommen gerade in einer buchhändlerischen Firma zu arbeiten, als darauf, überhaupt ein Unterkommen zu finden; es ist ihm daher auch ganz gleichgültig, ob er mit Büchern handelt oder mit Eisenwaren. Demzufolge fehlt auch das Gefühl der Zusammengehörigkeit, des Berussbewußtseins, und häufig genug auch der Berufsstolz; ja vielen unter ihnen mag auch der Begriff des Buches als Ware noch ziemlich unklar -sein. Was ich hier sagte, bezieht sich zwar meistens auf jüngere Gehilfen in untergeordneten Stellungen, die aber doch die Absicht haben, srüher oder später einmal vorwärts zu kommen und immerhin den Nachwuchs im Buchhandel bilden. Die älteren haben sich ihre Fachkenntnisse weniger aus eignem Antrieb, weniger durch eine Tätigkeit in verschiedenen Häusern erworben, als durch die Macht der Gewohnheit. Die wenigen Posten, die wirkliche und tüchtige Berufskenntnisse voraussetzen und die eine gewisse Verantwortung tragen, sind immer in festen Händen; ein Wechsel darin kommt nur sehr selten vor. Die übrigen Posten dagegen, für die eigentlich nur eine allgemeine kaufmännische Vorbildung nötig ist, werden oft mit Kräften besetzt, die häufig genug vom Buchhandel keine Ahnung haben, die srüher in einem andern Berufe tätig waren und, wenn es ihnen im Buchhandel nicht gefällt, wieder in ihren früheren oder irgend einen andern Beruf zurückkchren. Unter diesen Umständen ist es 487»
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder