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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 02.04.1909
- Strukturtyp
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- 1909-04-02
- Erscheinungsdatum
- 02.04.1909
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- Deutsch
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4060 Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. 76. 2. April 1909. die alten Weiber in der Gasse u. a. Mit barbarisch groß artiger Nacktheit sind diese Vorwürfe behandelt. Es ist, als ob das Innerste nach außen gekehrt wäre. Er takelte die Menschen ab bis auf den Kern, zeichnete zu dem wahren inneren Wesen, wie er es begriff, die wahrhaft bezeichnende körperliche Erscheinung. Er zeigte die Fratze, die hinter der Maske steckte. Alles ist auf die einfachste, drastisch überzeugendste Form gebracht. In den engsten Raum preßte er die stärksten Empfindungen. Die starke Subjektivität des Künstlers kam zu Worte in den witzigen Bemerkungen, die er zu den Vorgängen machte, wenn er den eßlustigen Agrarier verspottete, den jämmerlichen Lappen, wie sie in jüngsten Berliner Gerichts verhandlungen zum Vorschein gekommen sind, geißelte, das Liebeswerben der alten häßlichen Jungfer verhöhnte. Mit Vorliebe hielt er sich an das Gesindel der Gasse, zeichnete Lumpe und Vagabunden, Strolche, Klatschbasen und alte Weiber. »Das Ungeziefer einer ruhigen Welt und eines langen Friedens« stand seinem Stifte Modell, abgelumpte, verlorene Existenzen, Vogelscheuchen, wie sie kein menschlich Auge noch gesehen. Hier reizte ihn das optische Phänomen, hier ließ er seiner Feder die Zügel schießen. Eine ungemein reizvolle malerische Strichtechnik kennzeichnet die Art dieser Darstellungen. Alles Feste und Klare, jede Kontur ist verschwunden. Es galt nur die unmittelbare sinnliche Wahrnehmung, der Moment. Neben dem Künstler aber kam auch der Witzbold zu Worte. Wilke hat viele gute Witze gemacht, aber immer lag der Witz in der Zeichnung und nicht in Nebenumständen. Den Künstler Wilke genießt man in seiner wahren Größe auch in einigen Landschaften. Da ist namentlich hervorzuheben die Mühle in Ostfriesland, eine mit wenigen Strichen hingesetzte Landschaftsarabeske. Sie verrät eine fabelhafte Treffsicherheit, eine leidenschaftliche Auffassungsgabe, die nur das Objekt im Auge hat, für alles andere blind ist. Ein ebenso starker impressionistischer Geist spricht auch aus den andern landschaftlichen Darstellungen. Wir sehen, der Künstler stand, als er im vergangenen Herbst — viel zu früh — starb, an der Schwelle reicher Möglichkeiten. Er gehörte zu der Familie der großen Künstler, vor allem der großen Humoristen. Aber nichts lag ihm ferner und war ihm widerlicher als das erbärmliche Pathos des »erhabenen«Humoristen, der zu allem milde die Achseln zuckt, zu jeder Schuld auch eine Entschuldigung findet. Ihm galt es, ein ungeschminktes, witzig pointiertes Spiegelbild des Lebens zu vermitteln, eine Welt, in der das Absurde und Lächerliche, die Resignationen, der arme Trost, der ganze Jammer der lächerlichen Kleinheit des kläglichen Ge schöpfes nicht minder Daseinsberechtigung hat, als die ungetrübte Schönheit der prachtvollen, großschreitenden Individuen. Wer annähernd empfunden hat, was alles in diesem Künstler steckte, der wird sich mit großer Trauer dessen bewußt bleiben, was durch seinen Tod der großen Kunst im weiteren und der Jllustrations- kunst im engeren Sinne verloren ging. Einen Akt des Pietät bedeutet auch die Kollektivausstellung von Zeichnungen des Karlsruhers H. Braun Sie umfaßt etwa vierzig Blätter, prachtvolle Schöpfungen in meisterlicher Schwarz weißtechnik: alte Architekturen, Jnnenräume, Landschaften, Straßen bilder und Garteninterieurs. Weihevoll und feierlich präsentieren sich diese Stätten. Man fühlt, daß der Künstler ein einsamer Sinnierer war, der die Unruhe des lärmenden Alltags mied, dem Gewühl der wogenden Menge aus dem Wege ging. Er verstand es, mit einfachen Mitteln den großen Reiz fein empfundener architektonischer Massen und Verhältnisse wieder zugeben und in jene höhere Kunstregion zu heben, die allein den Wert des echten Kunstwerkes ausmacht. Indem er alle schwächlichen und nichtssagenden Konstellationen ausschied und nur jene Formen festhielt, die ihm für das Erfassen der räum lichen Sachlage von Wichtigkeit schienen, erreichte er bei aller Leichtigkeit der Zeichnung doch eine enorme Anschaulichkeit und seltene Stärke des Anregungsgehaltes. Den schönsten und un mittelbarsten Reiz aber verdanken die Zeichnungen der meister lichen Behandlung der Luft, jenem malerischen dunkelhellen Dunst, der sich wie ein Schleier um die Gebäudemassen legt und mit seinem Dämmer die winkeligen Stuben und weiten Gelasse er füllt. So verband der Zeichner mit höchsten bildnerischen Qualitäten jenen wahren poetischen Zauber, der nicht durch stoff liche Beimischung, sondern allein durch die verklärende Dar stellungsweise des Gegenstandes sich einstellt. Von den Arbeiten des Künstlers, dem Erfolge zu Lebzeiten nicht beschieden waren, haben die Königliche Graphische Samm lung in München und Private einzelne Blätter erworben. Etwa ein halbes Dutzend der schönsten und interessantesten aber hat die Sezession für ihre Galerie schon vor der Eröffnung der Aus stellung angekauft, darunter die wundervollen Interieurs Klavier spieler und Bibliothek, die in ihrem geheimnisvollen Reiz an Rembrandts Gelehrtenstuben erinnern. Auch hier ist es das Licht, das vor allem fesselt, das alles lebendig macht, aber nicht jenes goldige Licht, das an den Gegenständen auf- und nieder gleitet und sich mit hundert Reflexen gleichsam umzieht zwischen all den Kanten und Ecken, sondern mehr ein gleichmäßiges Schattenweben, durch das die Gegenstände wie durch Nebel ver hüllt, fast geisterhaft, durchblicken. Auf einem anderen Blatt Düne mit Schiffen, nun ebenfalls im Besitze der Sezession, ist die Kunst des Auslassens noch weiter getrieben und die Wirkung fast noch lebendiger und stärker. Zu den vielbewunderten Werken der Frühjahrsausstellung gehören Heinrich von Zügels Tierzeichnungen, Studien nach der Natur, mit einer Sicherheit und Konzentration hingesetzt, die sie zu vollgültigen Kunstwerken stempeln. In der Durchbildung des Gegenstandes geht er, bei allem Festhalten des Eindrucks des Momentanen, bis zur größtmöglichen Bestimmtheit und Genauig keit der Formen. Alles ist bis auf den letzten Stich richtig und sprühend von Leben. Ein großer Könner ist auch Hugo von Habermann, von dem eine Reihe von meisterhaften farbigen und schwarzweißer' Handzeichnungen ausgestellt ist, weibliche Figuren und Akte, an denen wir vor allem den dem Künstler eigenen flotten Schwung des Vortrags bewundern. Julius Diez hat eine Anzahl Skizzen zu Figurinen und Szenendekorationen für »Maß für Maß« und »Was ihr wollt« ausgestellt, außerdem die Entwürfe zu den Mosaiken in der Münchener Universität. Der Leipziger Alois Kolb glänzt mit einer Reihe von Original-Radierungen, die die Erinnerung an Max Klinger wachrufen, ernstes künstlerisches Streben, ent wickelten Geschmack und eminentes technisches Können verraten. Raffiniert und voll tiefsinniger Bedeutung ist die Bleizeichnung mit dem Kennwort »Wahl«, eine bildliche Variante auf das Goethesche Wort von den zwei Seelen in des Menschen Brust. Über dem Künstler, der die Harfe schlägt, schwebt der Adler, neben ihm lauert die jugendliche Sirene. Interessant ist hier die stoffliche Behandlung, insbesondere die Art, wie der jugendliche straffe Frauenleib mit dem weichen Teppich, auf dem er ruht, kontrastiert. Die Liste der Zeichnungen umfaßt über 200 Nummern. Außer den Genannten sind zahlreiche ältere und jüngere Meister vertreten, so Eugen Kirchner, Oskar Graf, C. Th. Meyer- Basel, Müller-Dachau, Otto Bauriedl, Eugen Oßwald, W. L. Lehmann, Hans von Hayck und viele andere. Eugen Rentsch. Verbote und Verbotsaufhebungen deutscher Bücher in Rußland. <Vgl. ISag, Nr. IS, 32, Sg d. Bl.) Dezember 1908. Ganz verbotene Bücher. Antimilitarismus und Hochverrat. Das Hochverratsurteil gegen Karl Liebknecht, nebst einem kritischen Beitrag zur Natur geschichte der politischen Justiz. Gr. 8". 34 S. Berlin 1908, Buchhandlung Vorwärts. 60 A Auf der Schwelle möglich gewesener Ereignisse. Gedanken und Beobachtungen eines russischen Jmperialisten-Revolutionärs. Von R. O. Gr. 8°. VII, 191 S. Berlin 1909, Hermann Walther. 2 Bebel, August, Glossen zu Poes Auyots und Sigismund Lacroix' »Die wahre Gestalt des Christentums« (Ltuäes 6ur les äoctrines sociales äs cbristianisme). Nebst einem Anhang: Uber die gegenwärtige und zukünftige Stellung der Frau. 4., durch gesehene Aust. 8'. 54 S. Berlin 1908, Buchhandlung Vor wärts. 75 H.
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