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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 21.04.1909
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1909-04-21
- Erscheinungsdatum
- 21.04.1909
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- Deutsch
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4792 Börsenblatt s. d. Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. ^ 90. 21. April 1909. die Schundliteratur, die außer mit einstweilen sehr viel höheren Auslagen mit einem sehr viel schnelleren und müheloseren Umsatz rechnet, nur kleine Honorare zahlt und auf gute Ausstattung nicht das geringste Gewicht legt. Wenn die guten billigen Bücher außerdem noch illustriert sein sollen, so erhöhen sich die Kosten dadurch natürlich noch mehr. Und gerade die Illustrierung wenigstens von Erzählungen erscheint mir unbedingt notwendig. Gewiß kann man vom rein ästhetischen, d. h. hier vom streng literarischen Standpunkte aus zweifelhaft darüber sein, ob es sich empfiehlt, ein Dichterwerk mit Bildern oder auch nur mit Buchschmuck ver sehen zu lassen. Wir müssen jedoch mit dem volkspädagogischen Gesichtspunkte rechnen, daß jedes Bild auf die große Menge starke Anziehungskraft ausllbt. Die Phantasie der meisten Menschen ist nun einmal nicht so entwickelt wie die der Dichter selbst und mancher Ästheten, die das, was ihnen der Dichter schildert, sogleich auch im Geiste vor sich sehen. Die Mehrzahl unserer Mitmenschen braucht die Unterstützung der Phantasie durch Illustrationen, ja sie verlangt gierig danach. Jeder Volksbibliothekar weiß, wie gern illustrierte Bücher genommen, wie unendlich häufig sie ge radezu gefordert werden, und daß ein Buch, von dem eine Aus gabe mit Bildern und eine nicht illustrierte Ausgabe vorliegen, fast immer in der ersteren gewünscht wird. Aus diesen Erwägungen hat die Deutsche Dichter-Gedächtnis- Stistung im Herbst 1908 beschlossen, nachdem sie schon früher mit dem 1. Bande der »Hausbücherei« (Kleists »Michael Kohlhaas«, illustriert von Professor Ernst Liebermann, München) einen solchen Versuch gemacht hatte, nunmehr auch von ihren »Volksbüchern«, insbesondere von den neuerscheinenden Heften, verschiedene illustrieren zu lassen. Der Erfolg hat schon nach kurzer Zeit be wiesen, daß eine wahre Leidenschaft für illustrierte Bücher besteht. Die Stiftung wird daher auch einige ihrer schon früher erschienenen »Volksbücher«, sobald sie in Neuauflage hergestellt werden, mit Abbildungen versehen lassen. Alle Vorteile und Erfahrungen stimmen darin überein, daß ein erfolgreicher Weg, die Schundliteratur zu bekämpfen, in der Verbreitung guter billiger Bücher gegeben ist. Leider konnten wir bisher auf diesem Wege nur sehr langsam vorwärts schreiten. W i e viele gute billige Bücher erscheinen denn jährlich im Vergleich zu der Unmasse von Heften der Hintertreppenromane und von Nick-Carter-Heften? Gegen diese verschwinden die guten billigen Bücher allzu sehr. Und während die Schundliteratur hefte spielend Auflagen von mehr als 10 000 Exemplaren erreichen, muß sich auch die erfolgreichste Sammlung der guten Literatur jahrelang abmühen, bis sie es auf eine so hohe Zahl gebracht hat. Von den »Volksbüchern« der Deutschen Dichter-Gedächtnis- Stiftung z. B., deren erste Hefte 1905 erschienen, hat noch keins das 30. Tausend überschritten, und von ihrer »Hausbücherei« ist bisher nur der 3. Band (Deutsche Humoristen 1. Band), der bereits 1903 erschien, bis zum 35. Tausend gekommen. Schundliteratur hefte erzielen einen solchen Absatz in wenigen Wochen, allermin destens in einigen Monaten, denn weiter gibt man sich mit ihrem Vertrieb nicht ab, weil man es lohnender findet, sich dann neuen Erscheinungen zuzuwenden. Die Gründe für dieses langsame Vordringen und den schwächeren Absatz der guten Bücher sind in wenigen Worten zu geben: geringere Reklame, weil Geldmittel fehlen, Verzicht auf die Reizung niedriger und verbrecherischer Instinkte, geringerer^ Ilmsang bzw. höherer Preis, weil es unmöglich ist, Gutes zum selben Preise zu liefern wie Schlechtes. Ein sehr gewichtiger Grund aber ist noch nicht genannt wor den: der Kapitalmangel der Sammlungen guter und billiger Bücher, soweit sie von gemeinnützigen Gesellschaften her gestellt werden. Gerade unter den eigentümlichen Wirtschafts formen der Gegenwart ist es unmöglich, solche Sammlungen schnell und erfolgreich weiter zu entwickeln, wenn nicht größere Kapitalien dafür vorhanden sind. Wie müssen sich aber gemein nützige Vereine abmühen, um auch nur die nötigsten Summen zu erhalten! Die Deutsche Dichter-Gedächtnis-Stiftung z. B., die außer der Veröffentlichung guter und billiger Bücher auch die Unterstützung kleiner ländlicher Bolksbibliotheken (von denen wir allein im Deutschen Reiche etwa 5000 besitzen) mit guten Büchern und die Massenverbreitung guter Bolksliteratur überhaupt (auch durch Krankenhaus-Büchereien und aus mannigfachen andere» Wegen) auf ihre Fahne geschrieben hat, verfügt nur über ein sehr kleines eisernes Kapital (gegenwärtig etwa 13 500 Mark), aus dessen Zinsen (etwa 400 Mark jährlich) natürlich Nennenswertes nicht geleistet werden kann. Ihre jährlichen Beiträge verwendet sie für ihre allgemeinen Zwecke, insbesondere zur Unterstützung länd licher Bolksbibliotheken. Um gute billige Bücher drucken zu können, hat sie die mannigfachsten Anstrengungen gemacht, Kapital geschenkt zu erhalten, und doch ist ihr dies trotz eifrigster Tätigkeit und trotz der warmen Anerkennung, die sie gesunden hat, nur in einem einzigen Falle gelungen: eine Hamburger Stiftung, die Peter Averhoff-Stiftung, wendete ihr eine Summe von 3000 Mark zum Druck eines neuen Bandes zu. Die Deutsche Dichter-Ge< dächtnis-Stistung konnte daher neue Bände ihrer »Hausbllcherei« oder ihrer »Volksbücher« nur drucken, wenn sie in jedem einzelnen Falle ein Darlehn von etwa 2—3000 Mark aufnahm, das ver zinst und innerhalb weniger Jahre zurllckgezahlt werden muß. Nur aus diesem Wege ist es ihr überhaupt möglich gewesen, die beiden Sammlungen zu schassen. Ein wohlhabender, gemein nützig denkender Mann könnte sich daher das größte Verdienst erwerben, wenn er der Stiftung entweder ein größeres Kapital zur Fortsetzung ihrer Tätigkeit schenken oder es ihr wenigstens zum gleichen Zwecke leihen wollte; im letzteren Falle würde er nicht einmal einen Zinsverlust zu tragen haben, sondern sein Geld nur, statt etwa in Form einer Hypothek auf ein Haus, in Form einer Hypothek auf Bücher anlegen. Ist es nicht ein betrübender Zustand, daß ein rein gemein nütziges Unternehmen unter Ausschluß aller privaten Erwerbs interessen wie die Deutsche Dichter-Gedächtnis-Stiftung es trotz aller Anstrengungen erst dahin gebracht hat, daß die Gesamt- summe ihrer Einnahmen und Ausgaben für ihre ganze weitver zweigte Tätigkeit (Abteilung für Volksbibliotheken, Berlags-Ab- Leitung, Abteilung für Krankenhaus-Büchereien, Ortsgruppen- Abteilung usw.) sich im letzten Jahre (1908) auf 188 756,93 Mark stellte, während der Durchschnittsumsatz eines einzigen Hinter treppenromans sich aus 250 000 Mark zu belaufen Pflegt? Wir müssen auch in Deutschland dahin kommen, sllr unser ge meinnütziges Leben breitere Grundlagen zu schaffen. Wer die Verhältnisse in England oder in den Ver- einigten Staaten kennt, wird dort mit Bewunderung und mit Neid beobachtet haben, daß die gemeinnützigen Einrichtungen, wenn sie sich einigermaßen bewährt haben, über Mittel verfügen, wie wir sie in Deutschland einfach nicht kennen. Werden solche Dinge bei uns in der Öffentlichkeit geschildert, so ist die Antwort fast stets: »So etwas können wir in Deutschland natürlich nicht schaffen, denn wir haben nicht so ungeheuer reiche Leute wie die Engländer und die Nordamerikaner.« Ich halte dies n i ch t sllr richtig. Ge wiß fehlen uns die Milliardäre im Stile Carnegies — aber reiche und überreiche Leute fehlen uns nicht. Wohl gibt es darunter eine große Anzahl, die sich für gemeinnützige Bestrebungen interessieren. Aber die Mehrzahl unserer Reichen zeigt doch bei weitem nicht , die offene Hand, wie sie in England und Nordamerika nicht nur die überreichen Leute, sondern auch der ganze wohlhabende Mittel stand bis hinunter in die ärmeren Volksschichten bewährt. Und daß nun gar ein reicher Mann die Förderung eines bestimmten Gebietes des gemeinnützigen Lebens als seine Lebensaufgabe be trachtete, das ist bei uns in Deutschland einstweilen noch eine große Seltenheit. Wir müssen in dieser Beziehung auf eine recht baldige Amerikanisierung unserer Kultur hoffen! W! Solange den gemeinnützigen Gesellschaften, die sich mit der
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