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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 21.04.1909
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1909-04-21
- Erscheinungsdatum
- 21.04.1909
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- Deutsch
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Nichtamtlicher Teil. Schundliteratur und Buchhandel. Von Or. Ernst Schnitze in Hamburg-Großborstel. Zur wirksamen Bekämpfung der Schundliteratur müssen die verschiedensten Wege gleichzeitig eingeschlagen werden: die Auf klärung der Menge, der Boykott von Handlungen, die sich mit dem Vertriebe von Schundliteraturhesten befassen—vor allem müssen jedoch positive Maßregeln ergriffen werden. Unter diesen ist eine der wichtigsten die Förderung der Volksbibliotheken und Lese hallen. Daneben aber muß namentlich auch darauf hingewirkt werden, daß an Stelle der schlechten Bücher nunmehr gute nicht nur gelesen, sondern auch gekauft werden. Auch das läßt sich erzielen, da der deutsche Verlagsbuchhandel innerhalb der letzten zehn Jahre eine ganze Zahl billiger Sammlungen guter Bücher geschaffen hat. Man denke nur etwa an die Reclamsche und die Hendelsche Sammlung, die beide schon mehrere Jahrzehnte bestehen, ferner aus neuester-Zeit an die »Hausbücherei« der Deutschen Dichter- Gedächtnis-Stistung, an ihre »Volksbücher«, an die »Wiesbadener Volksbücher«, an die »Rheinische Hausbücherei«, an die »Deutsche Bücherei«, an Max Hesses »Volksbücherei« und wie alle diese Sammlungen heißen. Auf populärwissenschaftlichen! Gebiete leistenstVorzügliches die allbekannte Sammlung »Aus Natur und Geisteswelt« der Teubnerschen Verlagsbuchhandlung, die gleich artige Sammlung »Wissenschaft und Bildung« der Verlagsbuch handlung Quelle und Meyer in Leipzig, die »Bibliothek der Volks bildung« der Firma Ernst Heinrich Moritz in Stuttgart. Diese Sammlungen arbeiten indessen, soweit sie von gemeinnützigen Gesellschaften herausgcgeben werden, mit geringem Kapital und können das Interesse der großen Menge nicht durch dasselbe ver werfliche Mttel — durch die Spekulation auf Sinnlichkeit und Grausamkeit — auf sich ziehen wie die Hefte der Schundliteratur. Man müßte den Sammlungen guter Bücher also zu Hilfe kommen. Dies könnte geschehen, indem in allen städtischen Ge bäuden — vor allem im Rathaus, aber auch in de» Polizeiwachen, in den Volksschulen, in den höheren Schulen, in den städtischen Saalbauten, in Standesämtern und Steuerbureaus usw. — Plakate der Samnilungen guter Bücher angebracht würden. Das Schlechte findet überall seine Ankündigungsmittel: wo das nächste Tingeltangel oder der nächste Tanzboden ist, das wissen die Fabrik mädchen der Großstadt und unsere jungen Leute im Handumdrehen. Umso wichtiger ist es, daß auch das Gute ihnen allenthalben unter die Augen tritt. Da dieses aber niemals über so große Mttel ver fügt wie alles Sensationelle oder dem bloßen Vergnügen Dienende, so ist es namentlich eben den Sammlungen guter billiger Bücher einfach nicht möglich, große Summen für Ankündigungszwecke auszugeben. In den öffentlichen Gebäuden aber stehen Wand- slächen genug zur Versügung. Wie viele freie und unbenutzte Minuten bringt hier der Steuerzahler zu, der sich zur Steuer kasse begibt, oder der Familienvater, der aus dem Standesamte zu tun hat, oder der Bürger, der aus dem Polizeibureau eine Mel dung zu machen oder etwas zu fragen hat! Wäre an den freien Wandflächen hier und da eine Anzeige über gute Bücher befestigt, so würde die Aufmerksamkeit der großen Menge tausendfach mehr darauf gelenkt werden, als dies heute geschieht. Und kosten würde dies tatsächlich niemanden etwas. Die Anzeigen können auch sehr gut so untergebracht werden, daß sie die Ankündigungen der Be hörden keineswegs beeinträchtigen oder stören, in deren Räumen sie Gastfreundschaft genießen sollen. Ich brauche kaum zu erwähnen, daß auch die Lehrer der städtischen Schulen — der höheren wie der Volksschulen — ge beten werden müßten, in den oberen Klassen aus die billigen Sammlungen guter Bücher hinzuweisen und die Schüler und Schülerinnen zu veranlassen, ihren Eltern ein Verzeichnis solcher guten Bücher zu übergeben. Lehrer und Lehrerinnen würden sicher mit Freuden dazu bereit sein; vielfach geschieht es ja schon. Alles das könnte dazu dienen, in den weitesten Kreisen un seres Volkes die Neigung, Bücher zu kaufen, zu stärken. Ich will hier nicht die Frage untersuchen, ob die Deutschen als Volk gute Bücherkäufer sind. Wer die Verhältnisse genauer übersieht, wird diese Frage zum mindesten nicht mit einem einfachen Ja beantworten mögen. Zweifellos ist, daß in allen Schichten unserer Bevölkerung — nur den gebildeten Mittelstand ausgenommen — sehr viel mehr Bücher gekauft werden könn ten, als gegenwärtig geschieht. Der Kamps gegen die Schund literatur legt uns aber ganz besonders nahe, dahin zu streben, daß auch in den weniger wohlhabenden Volkskreisen mehr Bücher zum eigenen Besitz angeschafst werden. Üben doch schließlich nur diejenigen Bücher eine tiefgehende Wirkung aus uns aus, die wir nicht einmal, sondern mehrmals lesen. Solche Bücher aber sollte man selbst besitzen. Die Möglichkeit dazu ist einerseits durch die Entstehung der billigen Sammlungen guter Literatur gegeben, von denen eben die Rede war — andererseits durch die Entwicke lung des Volkswohlstandes, der sich in den letzten vier Jahrzehnten in gar nicht zu verkennender aussteigender Linie bewegt hat. Die Notwendigkeit, die Schundliteratur auch durch Ver breitung guter Bücher zu eigenem Besitz zu bekämpfe», ist schon seit längerer Zeit empfunden worden. Die Verbreitung guter Schriften ist daher in Deutschland seit vielen Jahrzehnten auf den verschiedensten Wegen und mit den verschiedensten Mitteln versucht worden. Die Ökonomische Gesellschaft« im Königreich Sachsen hatte schon vor der Gründung ihrer volkstümlichen Leseanstalten <im dritten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts) populäre Schriften zu ver- breiten und auch nachher dafür zu wirken gesucht, so z. B. im Jahre 1834 die Preisaufgabe der Bearbeitung einer populären Ge schichte der sächsischen Landwirtschaft gestellt. Und in den folgen den Jahren fand der Gedanke der Verbreitung nützlicher und guter Bücher — Preusker, der damalige Vorkämpfer der Volksbiblio theken, nannte sie eine »Heidenbekehrung neuerer Zeit« — in deutschen Landen große Verbreitung. In Zwickau wurde 1841 ein »Verein zur Verbreitung guter und wohlfeiler Volksschristen« (gewöhnlich Zwickauer Volksschristenverein genannt) gegründet, der schon in seinem ersten Jahresberichte mitteilen konnte, daß er 7000 Mitglieder besitze. In der Schweiz wurde bald darauf ein Zschokkeverein zum gleichen Zwecke begründet, in Württem berg 1843 ein Württembergischer VolksschriftenvereinH sodann ein Badischer Volksschristenverein, ein norddeutscher 1848, ein Allgemeiner Deutscher Volksschristenverein in Berlin 1847, ein Verein in Wien 1849 usw. Dieser Aufschwung vollzog sich gleich zeitig mildem ersten Aufschwung der Volksbibliotheken in Deutsch land und ließ mit diesem im nächsten Jahrzehnt außerordentlich stark nach. Dann haben abermals seit den siebziger Jahren — in der zweiten Blütcperiode unserer Volksbibliotheken — mancherlei Vereine und Gesellschaften gelegentlich die Herausgabe guter volks tümlicher Schriften und manchmal auch ihren Vertrieb in die Hand genommen. Auch der Buchhandel tat — wie übrigens auch schon in der ersten Hälfte des Jahrhunderts — viel dafür. Man denke z. B. an alle die billigen und guten Ausgaben der besten Werke der deutschen und ausländischen Literatur, man denke an die Sammlungen von Reclam, Meyer, Hendel usw. die das Menschenmögliche leisten und die uns schon ganz zum Lebens element geworden sind, ohne die wir gar nicht mehr auskommen könnten. Am 28. April 1889 wurde in Weimar ein »Verein sür Massen verbreitung guter Schichten« gegründet, dessen Protektorat der Großherzog von Sachsen-Weimar übernahm und der schon nach zwei Jahren mehr als 5000 Mitglieder zählte. In derselben Zeit war es ihm gelungen, gegen 4L0 OM Einzelheste unter das Volk zu bringen, durchweg gute Sachen. Aber bald schon ging der Verein zugrunde, und heute ist von ihm keine Rede mehr. —
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