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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 21.04.1909
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1909-04-21
- Erscheinungsdatum
- 21.04.1909
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
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/V 90, 21 April 1S0S. Nichtamtlicher Teil, Börsenblatt f. b. Dtschn. Buchhandel- 4791 Woran liegt diese betrübende Erscheinung? Meines Erachtens an dem Umstand, daß der Verein von Ansang an sogleich zu groß angelegt war und daß man sich finanziell nach bestimmten Rich tungen zu sehr verpflichtete, indem inan Romane auf Bestellung schreiben ließ, die sich nachher als nicht gangbar erwiesen. So ist der Verein, der so schön begonnen hatte, wieder zugrunde ge gangen, obgleich seine Tätigkeit so dringend notwendig war. Vorzügliches haben alsdann auf begrenztem Gebiete die schweizerischen »Vereine zur Verbreitung guter Schriften« ge leistet, deren Zentralstelle sich in Zürich sWaldmannstraße) be- sindet. In Deutschland hat im letzten Jahrzehnt der »Wiesbadener Volksbildungsverein« bahnbrechend gewirkt, der seit dem Jahre i960 die Herausgabe guter und billiger Volksbücher in die Hand nahm. Die »Wiesbadener Volksbücher« sind heute ja allenthalben in Deutschland bekannt. Nach ihrem Muster sind später die »Volks- bücher« der Deutschen Dichter-Gedächtnis-Stistung, die Max Hessesche »Volksbücherei«, die »Rheinische Hausbücherei« und ähnliche Sammlungen entstanden. Dagegen war es ein wenig glücklicher Gedanke, die schlechte Kolportageliteratur durch li terarisch höher stehende Kolportagehefte in schlechtem Gewände zu verdrängen. Nach dem Muster des zugrunde gegangenen Weimarer Vereins ries dessen Begründer im Jahre 1903 eine neue Organisation ins Leben, den »Verein für Massenverbreitung guter Volksliteratur«, Die erheblichen Mittel, die durch geschickte Agitation hierfür zu sammengebracht wurden, haben leider in den ersten Jahren keiner lei wirkliche Leistungen für die eigentlichen Zwecke des Vereins hervorgebracht; später hat alle Tatkraft des neuen Leiters den Verein nicht mehr halten können. Ein allzu großer Teil der Mittel war eben dadurch verbraucht worden, daß man dem Wahnbilde nachgejagt war, die schlechte Kolportageliteratur auf dem schon geschilderten Wege bekämpfen zu können. Es war ein Preisaus schreiben für einen großen Bolksroman erlassen worden, welches drei Preise von insgesamt 38 000 Mark aussetzte. Was Kenner der Verhältnisse voraussahen, ist natürlich eingetrosfen: kein einziger der drei Preise hat verteilt werden können. Ein guter Roman läßt sich eben nicht auf Bestellung schreiben. Übrigens ist es ja gar nicht nötig, daß man, um einen guten Volksroman zu verbreiten, einen solchen erst schreiben läßt; die deutsche Literatur ist glücklicherweise reich genug an ausgezeichneten volks tümlichen Erzählungen und Romanen, Ob sie sich überhaupt in Kolportageform verbreiten lassen und in dieser den gewünschten Erfolg erzielen können, ist sehr fraglich. Eins der wesentlichsten Kennzeichen der Kolportageromane besteht doch immer darin, daß ihre Hefte nicht nach Kapiteln, sondern nach Seiten gegeneinander abgegliedert sind. Wo die Kapitel aufhören, ist dem Kolportageverleger ganz gleichgültig. Ihm kommt es nur darauf an, daß die Spannung des Lesers gegen Schluß des Heftes wächst. Das läßt sich am besten dadurch erzielen, daß die Erzählung mitten im Satze abbricht. Kann man nun im Ernst daran denken, eine gute Erzählung, einen guten Roman in gleicher Weise in bestimmte Abschnitte zu zersägen? Es ist schon störend ge nug, daß Erzählungen und Romane in Zeitungsfeuilletons in Ab schnitten erscheinen müssen. Aber hier werden sie doch wenigstens nur in Kapitel zerlegt, und der Abschnitt wird nicht mitten im Satze gemacht. Bei Kolportageromanen aber wird die Trennung mitten im Satze vorgenommen. Wenn die Form der Kolportage hefte also für gute Erzählungen und Romane angenommen wird, so wird man, auch wenn man den Abschnitt bei Absätzen macht, sich doch mit der Barbarei des Zerhackens nach dem Zentimeter maß in bestimmte Abschnitte abfinden müssen. Nur daß der beabsichtigte Zweck damit trotzdem nicht erzielt wird! Denn man wird unmöglich so weit gehen können, auch wenn man einen Roman aus Bestellung schreiben läßt, dem Schriftsteller vorzuschreiben, er müsse an bestimmten, mit dem Längenmaße zu berechnenden Stellen dafür sorgen, daß sich die Spannungs kurve hebe, da hier ein Heft zu Ende gehen und ein neues anfangen solle! Wenn aber nicht mit solchem Maße gearbeitet wird, so ist es unvermeidlich, daß einmal ein Höhepunkt in der Handlung, also ein Wellenberg der Spannungskurve, nicht gerade an das Ende des Heftes fällt, sondern vielleicht in seine Mitte, das Wellental der Spannungskurve dagegen an das Ende des Heftes, Das würde, wenn man sich aus die Form der Kolportageheste versteift, die Gefahr mit sich führen, daß eine ganze Anzahl von Lesern das fol gende Heft nicht erwirbt. Kann man also gute Erzählungen wirk lich in dieses Prokrustesbett des Kolportageromans spannen? Will man im Ernst versuchen, sie gewaltsam zu dehnen oder ihnen die Füße abzuhackcn, um sie genau in das passende Format zu zwängen? Ich halte die äußere Form des Kolportageromans auch aus dem weiteren Grunde für ungeeignet, weil die Kreise, in denen die Hintertreppenromane ihren Absatz finden, durchaus das Ge fühl haben, daß Kolportageromane etwas Minderwertiges dar stellen, Stößt man in einer Fabrik, in einer Arbeiter- oder Bauern wohnung aus einen Kolportageroman, so wird er mit verlegenem Lächeln beiseite gesteckt. Ein Glück, daß wir endlich s o weit sind, daß wenigstens das Gefühl von der Nichtsnutzigkeit dieser literari schen Ware verbreitet ist! Waruni soll inan das wieder zerstören, indem inan die Achtung vor dem Kolportngeroman wieder steigert, indem man gute Literatur in ähnlicher Weise herausgibt? Soll man sich außerdem in der A u s st a t t u n g guter Kol portageromane an die der schlechten anschließen? Zuweilen wird dies allen Ernstes gefordert. Und es scheint säst, als wenn gar nichts anderes möglich ist, wenn man mit dem Umsang der be stehenden Kolportageromane in Wettbewerb treten will. Früher betrug dieser sür das Zehnpfennigheft in der Regel 16 Seiten, während er seit einigen Jahren auf 24 Seiten gestiegen ist. Selbst verständlich sind Papier und Druck denkbar schlecht, der Umschlag scheußlich, das Bild, das bei keinem Hefte fehlen darf, unbeschreib lich häßlich und geschmacklos. Ist es überhaupt möglich, ein Heft von gleichem Umfange in dieser Preislage in anständiger Ausstattung zu liefern? Die Her stellungskosten dürfen allerhöchstens die Hälfte des Verkaufs preises betragen, weil der Kolporteur möglichst 50A, sür seine Be mühungen beansprucht. Anderthalb engbedruckte Bogen auf holz freiem Papier mit anständigem Umschlag und einem erträglichen Bilde sür 4 bis b Pfennige zu liefern, ist aber so gut wie ausge schlossen, Die Auslage müßte gegen 100 000 Exemplare betragen, um die Kosten einigermaßen zu decken, von Gewinn würde über haupt keine Rede sein, und an Honorarzahlung für den Verfasser wäre schon gar nicht zu denken. Man würde also die schlechten Kolportageheste durch besser ausgestattete nur ersetzen können, wenn man sich darauf gefaßt machte, stets bedeutende Zuschüsse zu leisten. Dazu wird aber kein Verein dauernd in der Lage sein, und wenn er ganze Goldgruben besäße. Kurzum, jener Plan ist schlecht überlegt und unausführbar. Man soll den Teufel nicht mit Beelzebub austreiben. Es gibt so viele andere Möglichkeiten, gute Literatur ins Volk zu bringen, daß es bedauerlich wäre, wollte man die Verfolgung eines bisher nur mit Mißersolg beschrittenen Weges wieder aufnehmen. Dagegen ist es eine Forderung von ausschlaggebender Be deutung, daß den schon bestehenden Sammlun gen guter billiger Bücher die Möglichkeit gegeben werden sollte, sich kräftig weiter zu entwickeln. Eigentlich sollten sie in den Stand gesetzt werden, ohne Gewinn zu arbeiten, also durch den Verkauf der schon gedruckten Hefte stets nur wieder so viel Geld hereinzubringen, daß eine neue Auflage davon gedruckt werden kann. Denn wenn die Ausstattung der Heste eine ge diegene, ja auch nur eine anständige sein, wenn der Inhalt wert voll sein soll, wenn also an den noch lebenden Verfasser oder, falls der Verfasser seit noch nicht 30 Jahren tot ist, an seine Erben Hono- rar zu zahlen ist, so ist es sür die Sammlungen guter Bücher un möglich, zum gleichen Preise den gleichen Umfang zu bieten wie 622»
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