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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 25.05.1909
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1909-05-25
- Erscheinungsdatum
- 25.05.1909
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- Deutsch
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ns, 25. Mai ISOS. Nichtamtlicher Teil, v-i,<°»l»uDich», 6281 Nichtamtlicher Teil. Zur Geschichte des Papiers. Eins der interessantesten Kapitel unserer Zivilisation ist die Geschichte des Papiers. Es ist falsch, wenn man, wie es gewöhnlich geschieht, an die Erfindung des Buchdrucks den Beginn eines neuen Zeitalters knüpft. Man übersieht dabei einerseits, daß die Idee des Druckes eine uralte ist, daß jede Münze, jeder Stempel aus ihr hervorgeht, daß auch das älteste Exemplar der gotischen Bibelübersetzung, der sogenannte Oockex ^r^outeus, mit Hilfe glühender Metalltypen auf Pergament gedruckt ist; anderseits, daß, lange ehe der eigentliche praktische Buchdruck begonnen hatte, die bedeutendsten Erzeugnisse mittelhochdeutscher Dichtung in wohlfeilen Papierhandschriften verbreitet und daß vom Europa, in die Volkssprachen übersetzt, den breiten Massen zu gänglich war. Als die entscheidende Voraussetzung unserer neuen Welt und unserer neuen Weltanschauung ist somit nicht die Erfindung des praktischen Buchdrucks anzusehen, vielmehr eine ältere industrielle Errungenschaft, die Einführung des Papiers. Hier ist der Angelpunkt der ganzen neuern Geschichte, hier wurzeln die unge heuren Kräfte, die das stolze Fundament römischer hierarchischer Gewalt ein- für allemal unterminierten. Houston Stewart Chamberlain sieht in der Einführung des Papiers das folgenschwerste Ereignis unserer gesamten industriellen Geschichte, einschneidender noch, als die Erfindung der Dampfmaschine, da diese nicht direkt, sondern nur indirekt zur Vermehrung des geistigen Besitzes beiträgt. Es war in den letzten Jahren des zwölften Jahrhunderts, als die genaue Kunde, wie Papier zu bereiten sei, von Samarkand und Bagdad her über das maurische Spanien nach Europa ge langte. Chamberlain meldet, daß das neue Gewerbe sich wie ein Lauffeuer durch alle Länder verbreitete, daß in wenigen Jahren die einfachen Geräte des Orients schon nicht mehr ge nügten und eine Verbesserung der andern folgte. »Im Jahre 1290 stand schon die erste regelrechte Papiermühle (in Ravens burg); kaum 100 Jahre dauerte es, bis der Holzdruck (auch ganzer Bücher) sich eingebürgert hatte, und in weiteren fünfzig Jahren war der Buchdruck mit beweglichen Typen schon im Gang.« »Sobald das Papier da war, erfolgte durch alle Länder Europas.,die mehr oder weniger ausgesprochene Empörung gegen Rom und sofort, als Reaktion darauf, das Verbot des Bibellesens und die Einführung der Inquisition. Doch die Sehnsucht nach geistiger Befreiung, die gewaltige Gärung jenes Geistes, den wir heute an seinen seither vollbrachten Taten erkennen, ließen sich nicht bemeistern und eindämmen. Das Verlangen nach Lesen und Wissen wuchs mit jedem Tage; noch gab es keine Bücher (in unserm Sinne), und schon gab es Buchhändler, die von Messe zu Messe reisten und massenhaften Absatz ihrer sauberen, billigen Ab- schriften auf Papier erreichten. Die Erfindung des Buchdrucks wurde geradezu erzwungen.« Man muß sich dies vergegen- wärtigen, um die enorme Tragweite der europäischen Papier- Manufaktur voll zu ermessen, um zu begreifen, mit welch großer Gewalt sie auf alle Lebenszweige einwirkte und welch hohe Be deutung sie vor allem für das religiöse, bürgerliche und intellektuelle Leben des späteren Mittelalters gewann. In erschöpfender Weise finden wir dieses Problem erörtert in dem bei I. M. Dent L Co. in London kürzlich erschienenen Buche »^. uovv liZüt ou tbe Ueuaissauee« (Eine neue Beleuchtung der Renaissance), das den Engländer Harold Bayley zum Verfasser hat. Auf Grund des Studiums und des Vergleiches von tausend und aber tausend Papierzeichen, jener mysteriösen Marken, mit welchen die mittelalterlichen Papiermacher ihre Erzeugnisse kennt lich machten, die dann in vielen Variationen und Modifikationen ganz Europa durchwanderten uud sich bis auf den heutigen Tag im Gebrauche erhalten haben, auf Grund eingehenden Studiums dieser Wasserzeichen und des durch sie dargestellten Inhalts kommt Bayley zu ganz neuen bemerkenswerten Ergebnissen für die Beur teilung der Renaissance. Seine Schlußfolgerungen, kurz zusammen- gefaßt, lauten: 1. die merkwürdigen, in Form von Wassermarken in Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 76. Jahrgang. das Papier eingelassenen Zeichen bilden von ihrem ersten Er scheinen im Jahre 1282 an bis in die erste Hälfte des acht zehnten Jahrhunderts eine fortlaufende, ununterbrochene Kette von Emblemen; 2. diese Embleme sind sinnbildliche Darstellungen von Ideen, Bestrebungen und Überlieferungen der im mittel alterlichen Europa weit verbreiteten mystischen und puritani schen Sekten; 3. die Papiermarken sind somit historische Doku mente von höchster Wichtigkeit, da sie nicht nur die Entwick lung des europäischen Denkens und Forschens, sondern auch manches dunkle Problem der älteren Vergangenheit in ein neues Licht rücken; 4. aus den Papiermarken geht hervor, daß, nachdem die Papiermanufaktur in Europa eingeführt war, dieser Industriezweig in erster Linie von den protestantischen Sekten der Vor - Reformation gepflegt wurde, in Frankreich von Geschichte verschwunden waren; 6. die bei den Druckern gebräuch lichen Ornamente und Verzierungen sind ebenfalls auf die Embleme der Papiermacher zurückzuführen, da ihnen eine ähn liche Denkweise zugrunde liegt und sie eine ähnliche Auffassung verraten; 7. das bekannte Erwachen der Renaissance ist das direkte Resultat eines wohlüberlegten, überlieferten Einflusses durch die Papiermacher, Drucker und anderer Berufsklassen; 8. somit ist der eigentliche Nährboden der Renaissance und der mit ihr auf das Italien, sondern die proven^alischen Distrikte Frankreichs, die Heimat der unglücklichen unter dem gemeinschaftlichen Namen Albigenser (von der Stadt Albi) zusammengefaßten proreforma- torischen Sekten. Vergegenwärtigen wir uns zunächst die geschichtliche Situation. Im Süden Frankreichs, in der Provence und den Nachbar distrikten, blühte im frühen Mittelalter eine unvergleichliche Kultur, die das übrige Europa leuchtend überragte. Dort hatte sich unter dem schönen, sonnenreichen Himmel ein wohlhabender Bürger stand gebildet, freie Institutionen und republikanische Städte verwaltung hatten Selbständigkeit im Tun und Denken erzeugt und die Reste griechischer und römischer Kultur, verbunden mit germanischem und spanisch-arabischem Wesen, eine eigentümliche Bildung und eine Fülle heiterer Dichtung und praktischer Wissenschaft hervorgebracht. Auch blühte dort die heitere proven^alische Poesie der Troubadours, die ihre Laune und ihren satirischen Mutwillen an Bischöfen und Priestern aus ließen. Dieses blühende Land, wo die ewigen Gegensätze, die sinnliche Lebenslust und die strengste Askese gleich tiefe Wurzeln hatten, war der Sitz der aus Spanien herübergekommenen Albigenser. In ihrem Charakter vereinigte sich unermüdlicher Fleiß mit herzlichem Gemeinsinn, glühender Mystizismus mit scharfem Verstand. Es waren selbständige, im Tun und Denken unabhängige Kernnaturen. Sie verwarfen die Autorität des Papstes, bestritten die durch die Scholastiker ausgebildeten Satzungen und betrachteten als die einzige Quelle des Glaubens die Heilige Schrift. Diese Proven<?alen, Männer der eigenen Kraft, waren der römischen Kurie ein Dorn im Auge. Zudem stand Rom ander Wende des 12. und 13. Jahrhunderts gerade auf dem Zenith seiner politischen Macht. Der große Papst Jnnocenz III. hatte eben den kurulichen Stuhl bestiegen, jener Papst, der die denkwürdigen Worte gesprochen hat: LZo 8um eaesar! e^o 8uiu Imperator! Mit ihm begann das Regiment des römischen Absolutismus, auch auf dem Gebiet, wo bisher verhältnismäßige Toleranz geherrscht hatte, auf dem Gebiet der allerinnersten Religionsüberzeugung. Seine Unduldsamkeit richtete sich natürlicherweise zuerst gegen die Albi genser. Er ließ gegen sie das Kreuz predigen. Sofort zogen Scharen wilder Krieger, vor denen fanatische Mönche mit dem Kreuz einherschritten, in das blühende Land, zerstörten die reichen Städte, prunkenden Paläste, die stolzen Burgen, mordeten Schuldige und Unschuldige, ließen Scheiterhaufen lodern und füllten alles mit Verwüstung, Mord und Raub. Zwanzig Jahre dauerte der verheerende Krieg (1209 bis 1229), der die schöne 814
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