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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 27.05.1909
- Strukturtyp
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- 1909-05-27
- Erscheinungsdatum
- 27.05.1909
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- Deutsch
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120, 27. Mai 1909. Nichtamtlicher Teil. VkrpiütüU s. d. Dachll. Buchhoiüret 6385 Sogleich folgte die weitere Tat. Pape meldete sich in der Kaserne der Dreiundachtziger zum freiwilligen Eintritt in das Ersatzbataillon. Der patriotische Entschluß war leichter gefaßt als ausgeführt. War es schon nicht leicht, den Vor stellungen des Prinzipals (der soeben zwei Gehilfen hatte Weggehen sehen) erfolgreich zu begegnen, so hatte der Jüng ling sich auch das Soldatwerden leichter gedacht, als es ihm gemacht wurde. Köstlich ist es, die humorvoll geschilderten Umständlichkeiten nachzulesen, die der angehende Kriegsmann zu überwinden hatte, die mancherlei militärischen Grobheiten zu hören, die ihm zur Begrüßung dargebracht wurden, bis er endlich in zweierlei Tuch bei der 4. Kompanie des Ersatzbataillons in Reih und Glied stand. Danach freilich flogen beim beschleunigten Drill der Rekruten die Deutlich keiten militärischen Ausdrucks hageldick, begleiteten übrigens von nun an den Freiwilligen und seine Kameraden durch alle Gefahren, Entbehrungen und Sorgen des Feldzugs und fanden erst mit der in Tadel getränkten Abschiedsrede des kommandierenden Generals an die zu entlassenden Re servisten Ende Juli 1871 auf dem Kasernenhof in Kassel ihr Ende. Ein kaum begeisternder Ausklang einer großen Zeit! Schon in Kassel durfte der notdürftig einexerzierte Rekrut bei einer Staatsaktion Mitwirken, einem Ereignis von weltgeschichtlicher Bedeutung. Sedan war geschlagen. Pape stand in der Front der Ehrenkompanie, die dem gefangenen Franzoscnkaiser auf dem Bahnsteig in Kassel die Honneurs zu erweisen hatte. Endlos schien das stundenlange Warten von 1 Uhr mittags, bis nach 10 Uhr abends der ein laufende Zug den Kaiser brachte, damals übrigens (die An schauung hat sich geändert!) sehr zum Verdruß der Kasseler, die die Benutzung ihrer geliebten Wilhelmshöhe zum Staatsgesängnis als eine Entweihung betrachteten. Ein korpulenter kleiner, müder Mann in rcichgestickter Uniform ohne Degen, ohne Unterlaß höflich das Käppi lüftend. Neunmal ist Pape in Wilhelmshöhe auf Wache ge zogen. Selten verließ der Kaiser die Wohnräume des Schlosses zu kurzem Spaziergang im Park. Alle militärischen Ehren wurden ihm erwiesen. Am 17. Oktober zog die Ersatzmannschaft ins Feld. Nicht weniger als 20 Tage brauchten die Eisenbahnfahrten und Märsche bis zur Ankunft in Chartres beim Bataillon, Von jubelndem, auch nur freundlichem Empfang keine Spur! Im Gegenteil, ein Ungcwitter aus dem Munde des Brigade kommandeurs! Mancherlei Unerlaubtes war während der langen Beförderung vorgekommen; aber der Zorn des Gewaltigen gefiel sich in bestürzenden Übertreibungen, in Flüchen und Drohungen, die selbst die umstehenden gaffen den Franzosen nicht als Koseworte empfanden. Schlimmer als die Wallensteiner hätte die Mannschaft unterwegs ge haust, aussehen täten die Leute, als ob sie sieben Feldzüge hinter sich hätten, eine so miserable, malpropre Truppe hätte er überhaupt noch nicht gesehen. Der Zuteilung zu einer vorläufig gesonderten Truppe zweiter Klasse entging Pape nur durch sofortige beredte Einsprache seines Hauptmanns. So kam er sogleich zur mobilen Kolonne in die 8. Kompanie. Vielleicht hat er diesen Vorzug manchmal im stillen bereut, wenn Hunger, Durst, Frost, Übermüdung ihn peinigten, die unerfreuliche Zugabe zu den als selbstverständlich hin genommenen Gefahren des Gefechts. Papes Regiment wurde im Laufe der Unternehmungen gegen Orleans, der weiteren Kämpfe nördlich der Loire und des Vorgehens auf Le Mans bei zahlreichen Gefechten, Märschen, Ausklärungsdiensten, Kämpfen mit Franktireurs rc. rc. besonders hart mitgenommen. Auf 471 Mann gibt der amtliche Standesausweis vom 19. Januar 1871 die arg geminderte Stärke des Bataillons an; Pape versichert aber, daß damals höchstens 70 Mann in der Kompanie marschierten, eine winzige Schar un- Börsmblatt für den Deutschen Buchhandel. 7S. Jahrgang. verwüstlicher, wetterhartec, kriegserprobter Männer, eine Elitetruppe, die am 12. Februar, geführt von Kronprinz Friedrich, vor Kaiser Wilhelm in Versailles einziehen und höchste kriegerische Ehren empfangen durfte. Zahlreiche kleinere Gefechte, dann die blutigen Tage von Poupry-OrÜans, von Dillermain- Cravant, die Kämpfe bei La Fourche, Ballon, Beaumont, Alenhvn, Le Mans, schließlich ein Vorstoß nach Norden bis Pont-Audemer, nahe der Seinemündung, der Einzug in Versailles und ein langes Feldlager im Norden vor Paris während des Kommuneaufstands bezeichnen im großen das Eingreifen der Dreiundachtziger in die Geschicke des Feld zugs, von zahllosen Kreuz- und Quermärschen, auch gelegent lichen Rückmärschen hier nicht zu reden. Bemerkenswert ist, wie langsam der unmittelbar beteiligte Soldat von Sieg oder Niederlage erfährt, wobei er selbst doch Leib und Leben für den Sieg eingesetzt hat. Ein so unzweifelhaft großer Erfolg wie bei Sedan war dem Heere des Großherzogs Friedrich Franz von Mecklenburg, auch denen von der Tanns und des Prinzen Friedrich Carl eben nicht beschicken. Der zweite, siegreich behauptete Stoß auf Orleans und ebenso das planvolle Vorgehen der Heeresteile gegen Le Mans kosteten lange Tage und Nächte ununterbrochenen Ringens, beide gegen große zahlenmäßige Übermacht zwar ungeübter, aber kampfbegeisterter Patrioten, unterstützt durch ausgedehntes hinterhältiges Treiben der Franktireurs. Wenn aber die pfeifenden Chassepotkugeln, das Krepieren der Granaten und Shrapnells, das Heulen der Mitrailleusen (letzteres immer der Abschiedsgruß des zurückgehenden Feindes, daher von den Unseren scherzend der -Abendsegen« genannt), wenn das lautlose Hinstnken getroffener Kameraden, der An blick gräßlich zerschmetterter Toten, die Jammerrufe verlaßen liegender Verwundeten nicht imstande waren, den gegen solche Eindrücke schließlich abgestumpften Krieger zu er schüttern, wenn es manchen sogar zunächst gleichgültig ließ, ob sich der Tag zu Sieg oder Niederlage geneigt hatte — sicher wußte es selten einer —, nicht gleichgültig ließen ihn Hunger, Durst, die furchtbare Winterkälte und die Sorge um ein leidliches Obdach zur Nacht. Das schauderhafteste Quartier unter Dach und Fach war immer noch dem Biwak auf freiem Felde vorzuziehen, vollends gar der Wache auf Vor posten, elfteres oft, letztere immer ohne die Wohltat leidlich wärmenden Feuers. Quartiere in Dörfern oder Farmen waren meist übervoll belegt, viele Gegenden hatte zudem einige Wochen zuvor die Kriegsfurie durchlobt, das wenige Eß- und Trinkbare genügte zu wirklicher Sättigung kaum für den zehnten Teil der Hungernden, die Proviantkolonnen staken irgendwo hoffnungslos im Schnee, durch marschierende Heeres- maffen am Vorrücken gehindert. Da war es kein Wunder, daß ein starkes, rücksichtsloses, zumeist auch eigenmächtiges Requirieren anheben mußte. Findigen Leuten — auch Pape gehörte zu diesen Begnadeten — gelang es, manchen ver borgenen Schatz zu heben, manchen wohlvermauerten Wein keller zu entdecken, sogar ein Sektlager edelster Marken, dessen Überfluß den knurrenden Magen besänftigte, natürlich auch den Kopf über Gebühr beschwerte. Die Mannszucht lockerte sich unter den angedeuteten Umständen bisweilen bedenklich; von Vorgesetzten — auch diese kannten den Hunger — wurden oft beide Augen zugedrückt. Auch in bezug auf die äußere Erscheinung des Soldaten mußte manches Dienst widrige ungeahndet hingehen. Der überanstrengte Körper ver langte sein Recht, zumal bei der eisigen Kälte, die innere Erwärmung gebieterisch forderte, und daß bei wochenlangen Märschen, beim Herumliegen in Schützengräben, bei der Unsauberkeit der Quartiere, Heuböden, Ställe, Biwaks Kleidung und Schuhzeug nicht präsentabel oder auch nur brauchbar bleiben können, scheint einleuchtend. Scheint! Denn keineswegs einleuchtend war es dem gestrengen Komman- 828
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