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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 19.06.1909
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1909-06-19
- Erscheinungsdatum
- 19.06.1909
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- Deutsch
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139, 19. Juni 1909. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. 7363 Kleine Mitteilungen. Jubiläum. — Die geachtete Firma Franz Leo L Comp. k. u.;k. Hofbuchhändler in Wien kann am 20. Juni d. I. auf vollendete fünfzig Jahre ihres Bestehens zurückblicken und es wird ihr an diesem Ehrentage an Glückwünschen aus nah und fern nicht fehlen. Im Jahre 1850 hatte Herr Franz Leo in Wien ein Verlagsgeschäft unter der Firma seines Namens gegründet, verkaufte es aber am l. Mai 1858 an Franz Selch. Am 20. Juni 1859 kaufte Franz Leo von Franz Selch einen Teil seines früheren Verlages zurück rind gründete damit die Firma: Franz Leo's Verlags-Ex pedition, die die Vorgängerin der heutigen Jubelfirma ist. Bis 1866 führte er diese Firma als reines Verlagsgeschäft, gliederte ihr dann im April 1866 eine Sortimentsbuchhandlung an und firmierte nun Franz Leo (Buchhandlung und Verlagsexpedition in Wien). Am 1. Oktober 1870 nahm er Herrn Carl Konegen aus Braunsberg in Ostpreußen zum Kompagnon, und nun erscheint zum erstenmale die Firma Franz Leo L Comp. Zwei Jahre darauf, 1872, zog sich Franz Leo nach vierzigjähriger erfolgreicher Tätigkeit von seinem Lebenswerk zurück und Carl Konegen wurde Allein inhaber. Im Jahre 1877 verlegte dieser das Geschäft in die Räume des Heinrichshofes am Opernring 3, gegenüber der k. k. Hofoper, in denen es noch heute betrieben wird, und nahm für Verlagsunter nehmungen die Firma Carl Konegeu, Verlags-Conto, an. Die Firma Leo L Comp., deren Kolportage - Abteilung im April 1894 an Huber L Co. in Wien überging, wurde nun als Sortiment weitergeführt und wußte sich im Wiener Buchhandel einen guten Platz zu sichern. Am 1. Januar 1903 wurde sie von den Herren Victor Locker, der schon seit 1896 als Prokurist gezeichnet hatte, und Ernst Stülpnagel übernommen. Der langjährige Inhaber des Geschäftes Carl Konegen ist im Jahre 1903 gestorben. Im März d. I. trat der Gesellschafter Herr Ernst Stülpnagel aus und Herr V'ictor Locker ist jetzt Alleininhaber der Firma. Ihm sprechen wir die herzlichsten Glückwünsche zum Ehrentage seiner Firma aus und sind sicher, daß sie in weiten Keisen des Buchhandels lebhaften Widerhall finden werden. *Znm 1VV Geburtstage des Struwwelpeter-Hossmann«. — Auf den 13. Juni fiel der hundertste Geburtstag des Frankfurter Arztes vr. Heinrich Hoffmann, dessen »Struwwelpeter« - Bilder und -Reime das populärste literarische Erzeugnis der letzten Jahrzehnte darstellt Bei jung und alt wird die Erinnerung an den trefflichen Frankfurter Arzt Zweiter den Weg in ungezählte Kinderherzen gefunden hat und nun durch Generationen bereits Millionen junger Erdenbürger ein erster mahnender und leitender Menschenerzieher geworden ist. Diese ganz einzigartige Mission ist Hoffmann in jener glücklichen Stunde zugefallen, die ihm die geniale Idee seines »Struwwelpeter« eingab, dieses beliebtesten, verbreitetsten und in gewissem Sinne sicher originellsten aller unserer Kinderbücher. Hoffmann, der am 13. Juni 1809, also vor hundert Jahren, in Frankfurt a. M. geboren war und sich in Halle den medizinischen Doktorhut geholt hatte, war seit 18l4 als praktischer Arzt in seiner Vaterstadt tätig. Er wurde im selben Jahre noch der Mitbegründer einer Armenklinik, die sich hauptsächlich dem Landvolke der Umgegend öffnete. 1845 kam er als Lehrer der Anatomie und Nachfolger von vr. Wappes an das Senckenbergische medizinische Institut, eine Stellung, die er im Jahre 1851 nach dem Rücktritt vr. Varrentrapps mit der eines Arztes an der Anstalt für Irre und Epileptische vertauschte. Hier hat er durch lange Jahre eine vielseitige prak tische Tätigkeit entfaltet und insbesondere auch an dem Aus bau der von der Stadt Frankfurt 1864 eröffneten großartigen Irrenanstalt verdienstreichen Anteil gehabt. Seine medizinischen Fachschriften, die sich ebenso durch wissenschaftliche Gründlichkeit wie durch reiches, auf umfassende praktische Erfahrung gestütztes Wissen auszeichnen, sind in den Jahresberichten über die Ver waltung des Medizinalwesens usw. in Frankfurt a. M. seit 1867 und in der Zeitschrift für Psychiatrie erschienen. Hatte diese be rufliche Tätigkeit zur Folge, daß Heinrich Hoffmanns Name bald einer der geachtetsten und angesehensten unter denen der Frank furter Ärzte wurde, so gewann er an Popularität noch weit mehr durch seine frische poetische Begabung, die sich in mancherlei von herzhaftem Humor durchtränkten Gelegenheits dichtungen kundgab, wie sie u. a. von Hoffmann bei Jubiläen ärztlicher Berufsgenossen geradezu als Spezialität gepflegt wurden. Eine charakteristische Sammlung solch humoristischer Poetereien enthalten die 1847 herausgegebenen »Humoristischen Studien«. Schon 1842 hatte Hoffmann einen Band Gedichte veröffentlicht, der später (1873) vermehrt unter dem Titel »Auf heiteren Pfaden« erschienen ist. Das Werk, das Heinrich Hoffmanns Namen Un vergänglichkeit sichern sollte, brachte zuerst 1846 der Band: »Lustige Geschichten und drollige Bilder«. Als »Struwwelpeter« ist es in unserer Kinderliteratur zu klassischer Bedeutung und bei spielloser Popularität gelangt. Das Buch ist eine Gelegenheits dichtung im eigentlichsten Sinne; als Weihnachtsgabe für Hoff manns ältesten Sohn entworfen, war es für den engsten Kreis des eigenen Heims bestimmt. Aber in raschem Siegesläufe eroberte es sich die ganze Welt. In alle Kultursprachen wurde es übersetzt; schon im Jahre 1876 waren allein in Deutschland 100 Ausgaben erschienen, und noch heute wächst ihre Zahl mit jedem neuen Jahre stetig. Jetzt hat es nach 64 Jahren 300 Auflagen erlebt und ist in etwa 900 000 Exemplaren verbreitet, ungerechnet die zahllosen Übertragungen in die Kultursprachen aller Erdteile und die noch weniger kontrollierbaren, mehr oder minder plumpen Nach ahmungen. Hoffmann erzählt die Entstehungsgeschichte dieses Buches in folgender Weise: Vor Weihnachten 1844 ging er aus, ein Bilderbuch für den dreieinhalbjährigen Sohn und ein halbjähriges Töchterlein zu kaufen. Nach langem vergeb lichen Suchen brachte er ein leeres Zeichenheft nach Hause. Die Bilderbücher mit den moralischen Versen paßten ihm nicht. Die Mahnungen: Sei reinlich! Sei folgsam! und so weiter sind leere Worte für das Kind. Aber das Abbild des Schmutzfinken, des brennenden Kleides, des verunglückenden Unvorsichtigen er klärt sich selbst und belehrt. Die Struwwelpeter-Motive hatte der Arzt oft gezeichnet, wenn es galt, kleine weinende Patienten zu beruhigen und freundlich zu stimmen. In der ersten Auflage bildete der »Struwwelpeter« die letzte Seite des Buches; in der zweiten war er bereits auf das Titelblatt avanciert. Für 80 Gulden verkaufte Di-. Hoffmann sein Manuskript; ursprünglich wurden die Bilder lithographiert. Der Malerdichter berichtet: »Ich mußte aber den Zeichner täglich überwachen, daß er meine Dilettanten gestalten nicht etwa künstlerisch verbesserte und in das Ideale ich revidierte jede Steinplatte. Dann gab ich den Herren noch einige praktische Ratschläge. .Kinderbücher', sagte ich, .müssen solid aussehen, aber nicht sein; sie sind nicht allein zum Betrachten und Lesen, sondern auch zum Zerreißen bestimmt.' . . . Nach vier Wochen waren die ersten 1500 Exemplare vergriffen, sie ver schwanden ,wie ein Tropfen Wasser auf einem heißen Steine'. Niemand war, das kann ich ehrlich versichern, über das blitz ähnliche Einschlagen der bunten Geschichten mehr ü.berrascht als ich; das hätte ich mir im Traume nicht eingebildet. Später hat man auch sogenannte unzerreißbare Exemplare angefertigt; sie mögen wohl recht wetterhart sein, ich bezweifle aber, daß sie je die Dauer ägyptischer Papyrusrollen erreichen werden, denn Kinder bücher gehen ja reißend ab. . . .« Derzeit wird das Buch mit Kupferklischees nach Holzschnitten gedruckt, das Kolorieren der Bilder mittelst Schablonen besorgen die jungen Mädchen eines Marktes im Nheingau, das Einbinden mehrere Buchbinder; derzeit existiert eine veritable Struwwelpeter-Fabrik. Der »Struwwelpeter« wurde nachgeahmt, in Musik gesetzt und auf die Bühne gebracht. In Nordamerika wird er lustig nachgedruckt. Es gibt Struwwelpeter-Porzellan und Struwwelpeter-Spiel karten. Die naiven, unkünstlerischen Darstellungen haben die Malerei lebhaft angeregt und gefördert. Wilhelm Busch und Adolf Oberländer empfingen hier ihre Anregungen. Hoffmann sah mit stiller Freude die Erfolge seines bescheidenen Unter nehmens von Tag zu Tag wachsen. »Am Ende ist es doch ein wohltuendes Gefühl, so vielen Tausenden und vor allem der gold gelockten Kindheit fröhliche Stunden verschafft zu haben, ein Bewußtsein, welches für manches Unerreichte und Ungenügende im Leben trösten kann, und für diese Schickung werde ich der gütigen Vorsehung mit bescheidenem Sinne dankbar bleiben«, schrieb der Greis. 956*
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