Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 23.07.1909

oss 168, 23, Juli 1909, Nichtamtlicher Teil, Börsenblatt f, d, Dtschn. Buchhandel. 8611 zal'len, wen» der Lehrling ohne Zustimmung der Firma oder ohne daß ein wichtiger Grund im Sinne von §§ 70 bis 72 des H.-G.-B, »erliegt, die Lehre vor Ablauf der festgesetzten Zeit verläßt, § 8. Der Lehrling ist verpflichtet, auf Wunsch der Firma nach Ablauf feiner Lehrzeit wenigstens noch ein Jahr in der Firma als Gehilfe gegen ortsüblichen angemessenen Gehalt zu arbeiten, dagegen erklärt sich die Firma ausdrücklich bereit, den Lehrling, falls er sich während der Lehrzeit und nach derselben im Ge schäft und außerhalb durch Fleiß, gutes Betragen und Erfüllung seiner Verpflichtungen würdig erwiesen hat, ein Lehrzeugnis und ein Gehilfenzeugnis auszustellen und ihm bei seinem Fort kommen und bei seiner weiteren Ausbildung durch Rat und Fürsprache behilflich zu sein, § 9. Soweit nicht im Vorstehenden gesetzlich zulässige, abweichende Bestimmungen getroffen sind, sollen die Vorschriften des Handels gesetzbuchs für das Lehroerhältnis Geltung haben, § 10, Beide Parteien sind mit allen Punkten des vorstehenden Vertrages, über welchen sie sich allenthalben klar sind, einver standen, sichern sich die getreulich? Festhaltung nochmals aus drücklich zu, entsagen allen ihm entgegenzustellenden Aus flüchten und Rechtsbehelfen und haben sich zum Zeichen dieses beiderseits zugleich mit dem Lehrling unterschrieben. ' . ' Ob es nun richtig ist, sich mit drei Lehrjahren zu be gnügen, kann wohl fraglich erscheinen. Es kommt dabei mit darauf an, ob die Lehre wie in Leipzig durch eine vorzügliche Fachschule unterstützt und ergänzt wird oder nicht. Ich möchte fast sagen, daß vier Jahre dort notwendig sind, wo solche Unterstützung fehlt; man könnte die betreffenden jungen Leute im vierten Jahre durch eine angemessene Entschädigung in eine Übergangsstellung zum Gehilfen versetzen und ihnen dadurch die Mittel gewähren, Privatstunden in für den Beruf wichtigen Fächern zu nehmen, wozu man ihnen auch die nötige Freizeit gewähre, alles natürlich unter steter Überwachung, Vom Tage des Eintritts in die Lehre an wird sich nun eine Trennung nach zwei Lehrplänen notwendig machen, von denen ich nur den für Leipziger Verhältnisse aufzustellen ver suchen möchte, wobei ich als selbstverständlich voranssetze, daß es hier keinen Lehrherrn mehr geben sollte, der seinen Lehrling mit gewöhnlicher Vorbildung nicht in die Buchhändlerlehr anstalt schickt. Wir Chefs hier sind ja in einer außerordentlich günstigen Lage, wir haben eine Fachschule zur Seite, die uns viel verantwortungsreiche Arbeit abnimmt, um die uns in der Tat andere Städte und auch das gesamte Ausland vom Fach be neiden, ja, die ich sogar nach meinen Kenntnissen gewisser Gebiete für andere Berufe als vorbildlich hinstellen möchte. Wir brauchen in vielen Dingen nur praktisch anwenden zu lassen, zu überwachen und zu ergänzen, was unsere Lehrlinge in der Schule lernen. Was wir Leipziger hier unserem Direktor Herrn vr. Frenzei mit seinem Lehrstab und dem Schulausschuß unter der aufopfernden Leitung des Herrn Johannes Hirschfeld getrost bei der Ausbildung unserer sämt lichen Buchhändlerlehrlinge, seien sie vom Antiquariat, Kommissionsgeschäft, Sortiment oder Verlag, überlassen können, das muß natürlich der Verlagschef in anderen Orten selbst'oder durch seine Vertreter dem Lehrlinge beizubringen versuchen; selbst Berlin bietet lange nicht das. Man kann ja gewiß auch mit Volksschulbildung und Fortbildungsschule ohne das eine oder andere, was die Leipziger Buchhändler- Lehranstalt lehrt, eine tüchtige Lehre durchmachen und es zu etwas bringen; aber einen Vorspung vor anderen haben die Leipziger Lehrlinge doch, besonders im Verlag. Selbst wenn unsere Fortbildungsschulen bei weiterem Ausbau in den zahl reichen Plätzen, wo dafür Bedarf ist, mehr auf Buchhändier- fachklassen Bedacht nehmen sollten, ohne die oft nicht genug beachtete Erziehung zur Persönlichkeit und die allgemeinere Bildung zu vernachlässigen, so wird das noch lange keinen Ersatz für die Leipziger Buchhändlerlehranstalt geben, Lehrgang, Ein fortschrittlich geleiteter Verlag wird außer mit dem Sortiment, den Autoren und Redaktionen auch mit Privat leuten verkehren, vor allem wenn er Zeitschriften verlegt und Jahrbücher, Adreßbücher, Kalender usw, herausgibt, für die z. B, Fragebogen hinausgehen, (Erstes Halbjahr.) Der Lehrling lerne also zunächst ordentlich und richtig Briefumschläge beschreiben, sauber die Zirkulare einlegen und nach Inland und Ausland scheiden. Er übt dabei die Handschrift, lernt Titel richtig benutzen, lernt Personen und Firmen kennen und treibt praktisch Geographie, wobei er gleich von Anfang an sich angewöhnen soll, sich bei jeder Arbeit Rechenschaft über das Wie und Wo abzulegcn. Er kopiere und registriere die Kopierbücher und Strazzen. Bei dieser Beschäftigung kommt er mit der Propaganda, der Jnseratenabteilung, der Redaktion, der Expedition und Korre spondenz in Berührung, wird mit der Eigenart des be treffenden Geschäfts etwas vertraut, um nach einem halben Jahre die Portokasse übernehmen zu können. (Zweites und drittes Halbjahr.) Dort gewöhnt man ihn an den Umgang mit Geld, auch mit größeren Summen, an gewissenhaftes Arbeiten und Rechnen, an unerschütterliche Ruhe, auch wenn die Stunde des Geschäftsschlusses naht und Expedition und Markthelfer zur Post drängen. Selbstverständlich muß jeden Morgen als erstes die Portokasse nachgerechnct und eine stete Kontrolle, am besten abwechselnd durch verschiedene andere Angestellte, geübt werden. Mit der Portokasse lasse man auch die Kasse für kleine Ausgaben (Frachten, Kontorutensilien, Gas rechnungen rc.) führen, der Lehrling bekommt dabei einen nützlichen Einblick in die hohen Ünkosten, muß die betreffenden Lieferungen und Berechnungen prüfen und vei suchen, nötig werdende Beanstandungen durchzusühren. Die Verwaltung der Geschäftsformulare, Kontorutensilien rc, besorge er eben falls, Soweit Zeit bleibt, helfe er in der Registratur aus, wobei er Gelegenheit hat, Einblick in die Korrespondenz zu tun und zu sehen, wie Briefe abgesaßt werden, (Viertes Halbjahr.) Jetzt geht es zur Expedition, beginnend mit dem Heraus schreiben der Fakturen aus den Auslieferungsbüchern, später Einträgen in die Auslieferungsbücher oder Strazzen an der Hand der Bestellungen, Vergleichen (Konferieren) aller Sen dungen, Aussetzen, Ordnen des Handlagers, Studium der Ver kehrs-Ordnung und -Wege, Hier soll er auch, wenn sich nicht schon im ersten halben Jahr dazu Gelegenheit geboten hat (vielleicht war er noch nicht kräftig genug), entschieden lernen, ein Paket, eine Kiste, einen Ballen ordentlich zu packen, damit er später auch hierüber wirklich urteilen kann, (Fünftes Halbjahr.) Bei der Buchhaltung wird er dann bei dem Übertragen auf die Konten mit den Sortimentsfirmen und sonstigen Kunden und, aus den Bezügen erkenntlich, mit deren Be deutung im allgemeinen und für den speziellen Verlag, auch mit ihrer besonderen Richtung vertraut. Er lernt, wenn der Verlag etwa durch einen Kommissionär nebenbei mit aus liefern läßt, den Verkehr zwischen diesem und seinen Kunden, in diesem Falle also dem Verleger, kennen. Er schließt Buchhändlerkonten ab, verschickt Rechnungen, Auszüge, Post aufträge, zieht Wechsel ein, kommt in Berührung mit dem Verkehr mit den Rechtsanwälten, führt Absatzlisten, hilft bei den Ostermeßarbeiten und bei der Jahresinventur, Beim 1117»