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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 30.07.1909
- Strukturtyp
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- 1909-07-30
- Erscheinungsdatum
- 30.07.1909
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- Deutsch
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8818 Börsenblatt s. d Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. ^ 174. 30. Juli ISVS äußerlichen Mache abhold. Seine Forrnensprache und Ton gebung ist so knapp und einfach wie möglich, aber seine ganze Darstellungsweise von einer solchen Innerlichkeit be seelt, der Charakter seiner malerischen Mittel von solcher Zartheit und Feinfühligkeit, daß über seine Bilder ein ganz eigener Reiz gebreitet ist. Bei ihm macht sich eine Innig keit des Sichversenkens in die Natur gellend, die wenige ihr eigen nennen. Sie bildet den Grundzug seines künstlerischen Wesens. Bei der Wahl seiner Motive zieht ec alles in den Bereich seiner Darstellung, was die umgebende Natur ihm darbietet, gleichviel ob es sich um landschaftliche, figür liche oder architektonische Objekte handelt. Obwohl man sieht, daß seine Schilderungen entweder der Natur unmittel bar Entnommenes oder Erlebtes wiedergeben, er also als ein Realist im eigensten Sinne des Wortes anzusehen ist, so wird man unter seinen Arbeiten doch vergeblich nach einer nüchternen, der Wirklichkeit sklavisch nachgehenden Dar stellung suchen; vielmehr ist in seinen Bildern, auch bei dem unscheinbarsten Motiv, der verklärende Schein echter Poesie zu finden. Schinnerer gehört zu jenen Wenigen und Aus erlesenen, die uns erkennen lassen, daß es in der bildnerisch schildernden Kunst einzig und allein darauf ankommt, wie die Natur gesehen, wie die Erscheinungswelt erfaßt, un geschaut und dargestellt ist. Ernst Kiesling. Gute und schlechte Kriminalliteratur. Von vr. Ernst Schulhe in Hamburg-Großborstel. Auf keinem Gebiete feiert die Schundliteratur größere Triumphe als auf dem der Kriminalliteratur. Woran liegt das? Haupsächlich ist die Erklärung darin zu suchen, daß der Reiz der Aufregung und die Lesewut von Kindern und Erwachsenen in gewissen Zeitaltern dazu führen, bestimmte Literaturgattungen ganz besonders zu bevorzugen. Und augenblicklich wird von der großen Menge wohl kein Literaturgebiet mit größerem Interesse verfolgt als die Kriminalliteratur, weil die Einförmigkeit unseres modernen Berufslebens die Sucht nach Aufregung in anderer Form ganz besonders großgezogen hat. Zwar hat das Verbrechen von jeher das Interesse der Menschen magisch auf sich gezogen, und wenn nun gar ein großer Dichter es zum Gegenstände seiner Schilderung macht, so können wir unsere Blicke kaum davon abztehen. Allerdings, der gewöhnliche Verbrecher, der seine Absichten auf gemeine und durch keine besondere Eigenart aus gezeichnete Weise verfolgt, hat niemals das Interesse und die Bewunderung größerer Kreise gefunden und ist auch niemals zum Gegenstand literarischer Verherrlichung gemacht worden. Immer waren dies vielmehr Verbrecher, die durch die Kühnheit ihrer Pläne und die Geschicklichkeit ihrer Aus führung über das Durchschnittsmaß hervorragten. Die ästhetische Freude am Verbrechen ist vielleicht zu keiner Zeit mehr in die Erscheinung getreten als in der Renaissance. Man denke an die Gestalten, die Macchiavelli mit so großer Liebe und Meisterschaft zeichnet: an einen Castruccio, an den schrecklichen Cesare Borgia, an Castracane usw. — alles die Bilder machtvoller, überlegener Verbrecher und Blut- mcnschcn. Auch Shakespeare hat solche Tiere in Menschen gestalt mit Vorliebe geschildert: Lady Macbeth und Richard III. werden für alle Zeiten Vorbilder für die geniale Zeichnung von Verbrechertypen bleiben. Die Aufklärung des achtzehnten Jahrhunderts erzeugte ein noch tieferes Interesse für den Verbrecher. Montesquieu und Rousseau richteten ihre Angriffe gegen den Formalismus des römischen Rechts, Voltaire setzte alle seine Kraft daran, den an dem Kaufmann Jean Calas verübten Justizmord aufzudecken, Gottlieb Meißner begann in Deutschland Kriminalgeschichten zu schreiben. Der französische Rechtslehrer Pitaoal gab eine Sammlung merkwürdiger Kriminalfälle heraus, die es auf 20 Bände brachte und das Vorbild für zahlreiche ähnliche Sammlungen wurde, die seither die Sammelbezeichnung -Pitaoal, zu führen pflegen. Eine deutsche Übersetzung der Pitavalschen Sammlung erschien 1792—95, die Vorrede schrieb kein Geringerer als Schiller. Die Dichter des Sturms und Drangs behandelten (stehe z. B. Goethes »Faust« und Bürgers Ballade -Die Pfarrers tochter von Taubenhain«) das Problem der Kindesmörderin. Man hielt das Verbrechen, gestützt auf die Theorien des Italieners Beccaria, für eine Verirrung der von Grund aus guten menschlichen Eigenschaften. Die Literatur brachte immer mehr Kriminaldichtungen hervor: man denke etwa an E. Th. A. Hoffmann, an Dickens' -Oliver Twist-, an zahlreiche Romane Victor Hugos, insbesondere auch an seinen »Letzten Tag eines Verurteilten«. Vor allem aber sei auf die großen deutschen Kriminaldichtungen hingewiesen: auf Schillers -Räuber», auf Kleists -Michael Kohlhaas«, auf den »Sonnenwirt» von Hermann Kurz und auf den zwei bändigen Roman -Ein Kampf ums Recht« von Karl Emil Franzos. Es ist hier nicht der Ort, eine ausführliche Schilderung der Krrmtnaldichtung zu geben; ich gedenke dies in einer besonderen Schrift zu tun.") Ich muß mich hier darauf be schränken, zu erwähnen, daß das Verbrechen in allen seinen mannigfaltigen Formen in der Dichtung der letzten Jahr zehnte eine bedeutende Rolle spielt. Ganz neue Formen der Kriminaldichtung sind entstanden, seit der amerikanische Dichter Edgar Allan Poe seine Novelle »Der Mord in der Spitalgasse» und seine weiteren Kriminalnooellen schrieb. Poe schuf den Detektiv Dupin, nach dem dann der er folgreichste Kriminalschriftsteller der Gegenwart, der Eng länder Conan Doyle, seinen Sherlock Holmes bildete. Nach dem »Faust» hat keine Gestalt der Dichtung bei allen weißen Völkern, ja in allen Ländern der Welt — denn auch die Chinesen und Japaner lesen bereits Sherlock Holmes- Geschichten — so große Volkstümlichkeit erlangt wie diese erdichtete Figur. Dieser edle Detektiv ähnelt zwar ein wenig dem Amadis von Gallien und dem edlen Räuber späterer Zeiten: er weiß alles, er kann alles, er ist ein Aus bund von Edelmut, von Freundestreue, Verschlagenheit, Geistesgegenwart, kurzum, der hervorragendsten Eigenschaften. Aber es ist dennoch falsch, wie es zuweilen geschieht, den Sherlock Holmes-Erzählungen jeden literarischen Wert ab zusprechen oder sie gar mit der Schundliteratur in einen Topf zu werfen. Sie weisen außer großer schriftstellerischer Gewandtheit doch auch manche literarisch wertvollen Züge auf, wenn sie auch nicht als Dichtungen im höheren Sinne zu bezeichnen sind. Und zur Schundliteratur gehören sie nun ganz und gar nicht. Schon ihre äußere Form, ihr flüssiger und eleganter Stil sondern sie scharf davon ab. Aber auch ihr Inhalt und ihre Behandlungsart ziehen eine scharfe Grenze zwischen beiden. Verderblich können die Sherlock Holmes-Geschichten niemals wirken, zum mindesten sind sie völlig unschädlich; ja sie können gute Folgen nach sich ziehen, da sie den Geist des Lesers von Anfang an stark beschäftigen, ihm Rätsel ausgeben, an deren Lösung sie ihn beteiligen, und indem sie stets auf der Seite der Gerechtigkeit stehen und gegen das Verbrechen Stimmung machen. Die außerordentliche Beliebtheit der Sherlock Holmes- Erzählungen hat dazu geführt, daß die Gestalt des erdichteten *> Zunächst wird der »Kunstwart« in zwei seiner nächsten Hefte einen Aussatz aus meiner Feder über Kriminalliteratur bringen.
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