Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 26.08.1909
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1909-08-26
- Erscheinungsdatum
- 26.08.1909
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-19090826
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-190908261
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-19090826
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1909
- Monat1909-08
- Tag1909-08-26
- Monat1909-08
- Jahr1909
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
9700 Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. 197, 26. August 1909. nellen Glieder und durch seine Abtönung der Farben von vorn nach hinten. Mit Bezug aus den Stoff ist zu sagen, daß Harunobu mit Vorliebe Szenen aus dem Luxus-Leben der vornehmen Japanerin darstellte. Auf den heiter ge salbten Bildern sehen wir Mädchen, die Blumen pflücken, musizieren, schreiben, rauchen, malen und ähnlichen Ver richtungen obliegen. Das Favoritthema -Liebe« wird in immer neuen und immer reizvollen Variationen abgewickelt. Seltener sind Schauspielerdarftellungen. Solche finden wir dagegen häufig in dem Kabinett, das der Kunst Shunshos gewidmet ist, des Nachfolgers Haru nobus und führenden Künstlers während der siebziger Jahre des achtzehnten Jahrhunderts. Zwischen diesem und jenem steht der düster prächtige Koriusai, das temperamentvolle Gegenstück zu dem vornehmen Harunobu. Seinen Ruhm verdankt er vornehmlich den dramatisch bewegten, farbig effektvollen Tierbildern, von denen leider in der Münchener Ausstellung Beispiele nicht vorhanden sind. Doch läßt sich aus dem Dargcbolenen das Bild seiner interessanten Persön lichkeit sehr wohl rekonstruieren. Während Shunsho, wie schon erwähnt, mit seiner Kunst die siebziger Jahre beherrscht, konzentrieren sich in den achtziger Jahren die künstlerischen Fäden Japans in dem Namen Kiyonaga. Er ist der letzte große Maler des Torii-Geschlechts und insofern der -Raffael» der japanischen Holzschnittkunst, als er mit ungemeiner Freiheit und Leichtigkeit über alle bisher erfundenen Ausdrucksmittel versügt. Seine Farbendrucke stehen auf einem ungewöhnlich hohen künst lerischen Niveau und dokumentieren den völligen Besitz und die mühelose Beherrschung aller in dem Verfahren ruhenden Darstellungsmittel. Der Entwicklungsgang der japanischen Holzschnittkunft hat indessen damit den Höhepunkt noch nicht erreicht. Noch einmal tritt eine Vorwärtsbewegung ein. Ihr Träger ist der tiefe und feine Utamaro, eine Persön lichkeit von weitem Blick, grandiosem Können, unerschöpflicher Phantasie und hochentwickeltem Schönheitssinn. Er folgt unmittelbar auf Kiyonaga, tritt 1783 zum ersten Mal an die Öffentlichkeit und steigt dann lasch zur dominierenden Stellung empor, die er bis zu seinem Tode 1806, mehr als anderhalb Jahrzehnte, inne hat. Sein Schaffen wird in einer interessanten Kollektion von ungefähr fünfzig Blättern vorgesührt. Da sind die berühmten Uoshiwara-Schönheiten, Dokumente hoher Kunst, in denen Utamaro sich als genialer Frauenbildner offenbart, behende Tänzerinnen, Kurtisanen in allen möglichen Rollen, träumende Mädchen, Damen beim Muschelspiel und anderes. Diese Blätter gehören zu des Künstlers schönsten Gaben. Aber seine hohe Intelligenz und starke Vitalität hat sich darin nicht erschöpft. Sein weit umzirkter Schaffenskreis erstreckt sich auch aus die anderen Gebiete des bunten japanischen Lebens. Ihm verdankt Japan die schönen Bilderbücher über Muscheln, Insekten und Vögel, von denen später noch die Rede sein wird. Ferner die vielen, an intimen und lyrischen Reizen so reichen Schilderungen des Mutterglückes, die prachtvollen Drucke -Nachtfcst auf dem Sumida-Flussc» und »Bergfrau Uamauba, die ihren Sohn Kintoki in ihren Mantel hüllt und an sich drückt« (letzteren aus der Gruppe der Kintoki-Szenen). Auch eine Serie von großen Frauenköpfen (über hundert Blatt) umfaßt sein reiches Werk. Diese Bilder, auf zartschimmernden Mikagrund gedruckt, sind von unendlichem Farbenreiz und lassen er kennen, wie unerschöpflich Utamaro in der Erfindung neuer Farbenprobleme war. Die ideale Ausnutzung aller Mög lichkeiten der Holzschnititcchnik erreichte bei ihm den Höhe punkt. Daniit war aber auch zugleich die Entwicklung der bildlichen Darstellung der traditionellen japanischen Kunst erschöpft. Eine Erweiterung und Bereicherung innerhalb des eng gestellten stilistischen Rahmens der altjapanische» Schule war nicht mehr möglich. Jeder Versuch mußte zur Künstelei, zur Sterilität, zum starren, seelenlosen Ornament führen. Symptome dieser Art zeigt bereits der Zeitgenosse Utamaros Ueishi, der in einem besonderen Kabinett mit guten Arbeiten vertreten ist. Es sind meist Kurtisanenbilder, Uoshiwara-Schönheiten, Teehausszenen. Das den Schöpfungen Utamaros eigene starke vitale Leben ist darin erstorben, es ist dem Streben nach Verfeinerung, Edelkultur geopfert. Das Lineament zeigt eine kühle Leidenschaftslosigkeit, ebenso das Kolorit. Das Feuer höherer Intelligenz bricht nirgends durch. Was wir in den Blättern Ueishis und seiner Schüler vergeblich suchen, den Atem persönlichen Lebens, das finden mir dagegen in hohem Maße bei einem andern Zeitgenossen Utamaros, bei dem genialen Karikaturisten Sharaku, einem Künstler von der Art und der Wucht Daumiers, einer ganz flüchtigen Erscheinung, die plötzlich auftaucht und nach einer Augenblicksexistenz wieder verschwindet. Dis Münchener Ausstellung hat von ihm ungefähr 2b Blätter aufgebracht, ausschließlich Schauspielerdarstclluugen, darunter 18 Blätter aus der berühmten Folge der großen Köpfe auf dunklem Mikagrunde von 17S3, die Akteure von Uedo in dem bekannten Ronin-Drama darstellend. Diese prachtvollen Drucke legen Zeugnis ab von der enormen zeichne rischen Begabung des Künstlers, von der karikaturistischen Schlagkraft seines Stils und der meisterlichen Simplizität seiner Physiognomik. Die Verachtung und der geradezu monumentale Hohn gegen das gefallsüchtige und überhebliche Wesen der Vulgärschauspieler, die sich darin äußern, sind ge würzt mit scharfem Esprit. Im Kolorit sind großdekorative, plakatartig einfache Wirkungen angestrebt. Farbenwahl und Tongeschmack aber sind durchaus japanisch im herkömmlichen Sinne. Neu dagegen ist der krasse Naturalismus chcr Zeich nung, der nicht so sehr in der Mikagrundserie als vielmehr in den beiden Schauspielerserien von 1790 und 1795 sich kundgibt. Hier kündet sich schon der llniversalismus des neunzehnten Jahrhunderts an, hier spüren wir den Atem des großen Realisten Hokusai, der über das nationale Element hinweg mit aller Tradition brach und die Holzschnittkunst wieder der Malerei zuführte. Hokusais kühne Impressionen und realistischen Schilde rungen des Volkslebens waren es, die die Kunst des Libelleneilandcs dem Westen zuerst vermittelten und die bei den Japan-Ausstellungen der achtziger und neunziger Jahre im Vordergründe standen. Auch in der Münchener Aus stellung nehmen sie einen dominierenden Platz ein und geben einen fesselnden und überaus lehrreichen Überblick über das reiche Werk des Meisters, das sich zeitlich über die ganze erste Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts, stofflich über alle Gebiete des Lebens, über alle Zweige der Kunst erstreckt. Da sind zunächst die wundervollen Variationen zum Fuji- Thema, erst sechsunddreißig — dann hundertmal die Schönheit des heiligen Berges preisend. Dann Blätter aus der Folge der -Wasserfälle» und der -Brücken», weiter kunstgewerbliche Entwürfe, Romanillustrationen, Genre szenen, Skizzenbücher, Neujahrsgrüße usw. Japankenner haben nachgewiesen, daß das Lebenswerk Hokusais nicht weniger als 30000 Entwürfe und LOO Buchioustrationen umfaßt. Bedenkt man dies, dann ist man doppelt ver wundert über die künstlerische Schönheit und starke Suggestio- kraft aller seiner Arbeiten. Mit der Kunst des 18. Jahr hunderts, den im Lineament, in der Farben- und Seelen stimmung so wundervoll temperierten Drucken dieser Zeit, haben sie allerdings nichts mehr gemein. An die Stelle der Ruhe ist die Bewegung getreten, an die Stelle des ideal ver klärten Trugbildes des Daseins das Leben selbst mit seinen
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder