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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 16.09.1909
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1909-09-16
- Erscheinungsdatum
- 16.09.1909
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- Deutsch
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/1L 215, 16 September 1909. Fertige Bücher. Evangelienharmome von Hans Benzmann Nachwort: Dem Christentum stand ich niemals fremder gegenüber als in jenen vergangenen Jahren, in denen mir Christus selbst allmählich näher und näher kam Ich suchte ihn nicht, er trat wie ein fremder Wandrer mir bisweilen in den Weg und war mir gleich merkwürdigen Erlebnissen die zu heimlichen unruhigen Fragen der Seele werden. Nur dem Rätsel seines Wesens, seiner Natur und ihrem Grunde versuchte ich also nachzuspüren. Was war das Göttliche an ihm, war es angeborne oder erkämpfte Reinheit? Oder hatte seine ungeheure Sensibilität andere, ganz andere verborgene menschliche Ursachen? War er ein Genius oder ein Kranker? Diese Fragen wurden mir gleichsam unter der Land zu einzelnen Gedichten. — Um dieselbe Zeit — es sind wohl fünfzehn Jahre her, soweit liegen die ersten Anfänge dieser „Evangelienharmonie" zurück — erschien Christus mir auch gleichsam mitten im Getriebe der Weltstadt als ein ganz schlichter Mensch, der nur trösten will. Und als ein noch andrer zeigte er sich mir: als der Glaube, dem Ahasverus, die Vernunft, feindselig gegenübersteht Dies sind die Gedichte, die ich mit einigen späteren in den ersten Abschnitten dieses Buches gesammelt habe. Jesus aber ließ mich nicht los; es war, als reinigte er sich selbst in mir von allem fremden, allem falschen Wesen, und so ward es mir allmählich deutlich, daß er in uns wahrhaftig lebt: als das Gesundeste, als ein Ursprüngliches und als das edelste, als das lebenbejahende Element unseres Wesens, — wie er einst wahrhaftig in menschlicher Gestalt auf Erden gewandelt ist Kein Mensch nämlich kann das erfinden, was die Evangelien erzählen, kein Mensch konnte diese lebendige Persönlichkeit jemals erdacht haben Sie hat in ihrer einzigen Größe, Reinheit und Lauterkeit einmal gelebt und hat sich mehr wie jede andere große Persönlichkeit der Weltgeschichte als ein Typus — ja als ein Prototypus — des idealsten Menschentums offenbart Nur so ist ihre Wirkung durch die Jahrtausende, ihre ewige Wiedergeburt erklärlich. Und nun erschloß sich mir des Leilands wahres Wesen immer mehr; aber dies konnte zunächst durchaus nicht anders stattfinden als in persönlichsten Erlebnissen; ich möchte dies einen Ausgleich der Empfindungen und Gedanken nennen. Und wenn ich dies allgemeiner fassen darf, so möchte ich mich auf jenes Recht des Dichters berufen, das ihm gestattet, ja ihn zwingt, in seinen Gestalten eigenes Erleben, eigenes Empfinden, eigene Weltanschauung zu versinn bildlichen. Die Gedankenwelt eines Dichters spiegelt sich mehr oder weniger, getrübt oder hell erleuchtet und verklärt in seinen Schöpfungen. Das ist eine allgemein bekannte Wahrheit, die aber hier doch mit Bezugnahme aus einige ganz subjektiv gehaltene Gedichte betont werden muß. Ich hatte überdies niemals die Absicht, etwa ein Christusep o s zu schreiben. Alle Gedichte — mit Ausnahme weniger, die einen Übergang darstellen oder schließlich eingeschoben wurden, um das Netz zu verdichten — ergaben sich mir ungezwungen; ich kann auch sagen: sie zwangen sich mir auf - , jedes stellt daher ein in sich ganz selb- ständiges Gedicht dar. Allmählich fügten sich Gruppen zusammen, allmählich gewann die Persönlichkeit des Leilands eine gewisse Geschlossenheit, und endlich durfte ich, einem Lieblingsgedanken folgend, die so verschieden gestimmten Gedichte zu einem Ganzen, das vielleicht auch nur ein vorläufiges Ergebnis ist, zusammenfügen. So sind also die verschiedensten Elemente einer persönlichen Christusauffassung in diesen Gedichten vereinigt, und zwar, wie ich hoffe — da alles aus eines Menschen Seele geflossen ist — doch zu einer harmonischen Gesamt wirkung vereinigt. Erscheint Jesus hier ganz losgelöst von seiner Zeit, so befindet er sich dort in seiner historischen Leimat Ist Christus hier ganz deutsch — im Sinne der Legende und des deutschen Lolzschnitts, so wird er dort im Sinne der Gegenwart gedeutet. Er ist der Mensä) seiner Zeit und aller Zeiten. Unsere Zeit hatte übrigens eine vielfache Ähnlichkeit mit der seinen. In dem Zyklus „Die Wüste" habe ich ihn zu allen ideellen Vorstellungen und Philosophemen seiner Zeit in Beziehung gebracht und habe nur danach gefragt, ob es möglich ist, daß er dies innerlich durchleben konnte:. Ja, ich bin weiter gegangen, ich habe ihn Gedanken einer späteren und unserer Zeit durchdenken lassen, in der Überzeugung, daß einerseits die Bedürfnisse und Fähigkeiten der Seele von keiner Zeit abhängig sind und daß andrerseits das, was heute und morgen denkbar ist, auch gestern und seit Anbeginn zu denken möglich ist. — Zu dem Zyklus „Die Wüste" möchte ich hierbei noch bemerken, daß die einzelnen Gedichte und ihr gedanklicher Inhalt keine zeitliche Folge darstellen, sondern eher ein Nebeneinander von inneren Erlebnissen, daß ich allerdings den Endpunkt der Entwicklung nicht in den dualistischen Ideen der Gedichte „Geist desZarathustra" und „Gebet an Mithras", sondern in dem durchaus monistischen Gedankeninhalt des Gedichtes „Astarte" gefunden haben möchte. Ich versuchte es aber weiter und vor allem, diesen ewigen Menschen und seinen lebenbejahenden Idea- durch ihr Leben und Landein und mittelbar durch die Formeln und Symbole ihrer Aussprüche — wie z B- in der „Bergpredigt" kund tat, für unsere Zeit zu deuten. Endlich aber wurde mir die Reihe dieser Dichtungen zu einem Spiegel des typischen ebenso wie des besonderen bedeutsamen Menschenlebens, zu einem Spiegel der sich entwickelnden Menschenseele. Ich will das nur kurz andeuten; doch es wäre mir eine Genugtuung, wenn man z. B. beim Lesen der Gedichte des Abschnittes „Kindheit" die jenigen Mächte herausfühlte, die die Seele des Kindes und des besonderen Kindes beeinflussen, die Mächte der Liebe, der Phantasie, des Märchens wie des Volksliedes, der Einsamkeit und der Natur, der Sehnsucht und des Schmerzes, der Musik und des Weltalls, des großen allgemeinen Lebens wie des rätselhaften gewaltsamen Todes Und wenn ich die so selbstverständlichen Kämpfe des Jünglings — in dem Abschnitt „Die Wüste" übergehe, so möchte ich doch um so mehr aus die Ergebnisse dieser seelischen Läuterungen Hinweisen, auf das soziale und ethische Denken und Landcln des Mannes, das hinwiederum Läuterungen eigner Art durchzumachen hat und sich endlich gleichsam selbst überlebt, so daß das Wesen des Menschen sich in der Reife wie eine dürre Fruchtkapsel auflöst, der Same aber selbständig in alle Winde weht . . . Diesem Knaben-, Jünglings- und Mannesschicksal gegenüber wird das Schicksal des Mädchens, des Weibes und der Mutter in Maria in seinem natürlichsten, d. h. bedeutsamsten, in seinem ewig herrlichem Verlaufe angedeutet. Zu alledem fand ich einen begleitenden - wie ich besonders betone — ergänzenden bildlichen Schmuck nirgends besser, nirgends anschaulicher — wenn man dies recht versteht —, nirgends tiefsinniger, nirgends unzeirlicher als in den alten Symbolen und Lolzschnitten deutscher Meister. V Fritz Eckardt Verlag /. Leipzig Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 76. Jahrgang. 1382
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