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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 23.09.1909
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1909-09-23
- Erscheinungsdatum
- 23.09.1909
- Sprache
- Deutsch
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aus, als Ihr denkt, seine Kollegen am Orte sagen ohne Neid von ihm: »Er ist eine Persönlichkeit«. Und richtig, kommt man zu ihm in den Laden, ist er eine straffe, elastische Gestalt mit lebendig-feurigem Auge. Die Haltung zeugt von Nasse — nicht zu verwechseln mit der Korrektheit des Reserve - Offiziers —, und er spricht das so selten zu hörende Wort: »Ich verkaufe ineinen Kunden, was ich will.« Dazu gehört allerdings viel, viel mehr als eine Suada, es gehört dazu das Vertrauen des Käufers. Er verrät mir sein Rezept. Ich gewinne mir die Jugend durch guten Rat, und wenn sie in Amt und Stellung kommt, bleibt sie mir treu, auch wenn sie an fernen Orten wohnt. Blick für das Leben begabten Menschen vor sich zu haben, er interessiert sich lebhaft für die technische Seite der Abbildungen. Es stellt sich heraus, er sammelt selbst Bücher und anderes. Kurz, wir scheiden mit der Einladung, daß ich, wenn mich der Weg wieder einmal herführt, Gast in seinem Haus sein soll. Das Gegenstück »der Lebemann« als Sortimenter ist ebenso selten zu finden, er existiert nur in der Großstadt. Er hat dann ein größeres Geschäft mit zahlreichem Personal und ist wenig orientiert. Er vermeidet möglichst das Sachliche, ist etwas Zyniker, der sich im Stillen über das Publikum lustig macht, aber von unterstrichener Liebenswürdigkeit jedem Kunden gegenüber ist. Ohne Händeschütteln geht es nicht ab. Natürlich geht er auch zur Jagd. Nicht zu verwechseln mit ihm ist der »joviale Herr«, der sich als reinster Typus im katholischen Sortiment konserviert, das zugleich mit Wachskerzen und Muttergottesbildern handelt. Seine geistliche Kundschaft hat auf ihn abgefärbt. Eigentlich traue ich mich ihm gar nicht zu sagen, daß ich der berüchtigte einzige mo dernistische Verleger Deutschlands bin, dessen Löwe sogar an den Kaznpf gegen den Papst durch Zähnefletschen mit teilnimmt. Aber ich wage es, und seine Antwort ist: »Damit werden Sie wohl keine Geschäfte machen«. Ich bringe noch mehrmals dieses Thema in streng katholischen Geschäften aufs Tapet, und deutlich scheiden sich zwei Richtungen. Die eine überhörtes, die andere sagt: Ja, es wäre wohl gut, wenn ein frischer Luftzug in den Katholizismus käme, aber wir müssen uns vor jedem Anstoß hüten. Ordentlich erfreut ist man als »Buchhandlungsreisender«, wenn man in eine Universitätsstadt kommt. Ich stehe nicht an, zu erklären, daß dort das allgemeine Niveau des Sortimenters guten Handlung zu unterhalten. Die reicheren Kenntnisse, die größere Solidität des Charakters finden sich aber als Typus — natürlich von Ausnahmen abgesehen — in der Universitätsstadt. Platzes ist mehr oder weniger von seiner Laufkundschaft abhängig. Der Universitätsbuchhäudler ist darin ein Mustersortimenter: Alles, was gut ist, setzt er aucb ab. Nur in der Universitätsstadt passiert es mir, daß mir der Sortimenter sagt: »Das ist ja famos, daß Sie die altdeutsche Malerei bringen. Das hat längst gefehlt. Ich bestelle nicht nur die Höchstzahl zum Vorzugsrabatt, sondern setze Ihnen bis zu Weihnachten sicher noch mehr ab.« Das war in einer kleinen Stadt, und die künstlerisch interessierten Menschen sind dort dünn gesät. gegenüber. Eine gewisse Ängstlichkeit haftet ihm an wie dem Gelehrtentypus, denn er ist Stubenmensch. Selbstverständlich gibt es viele Nuancen. Der eine sagt: Natürlich lese ich die guten Romane, denn sonst kann ich sie nicht mit Erfolg empfehlen. Der andere meint: Dazu habe ich keine Zeit, ich muß mein Urteil erst vom Publikum lernen. Und das Publikum spielt hier geradezu die Rolle eines Götzen. Ja, sagt man mir, Ihr Unternehmen ist wohl gut, aber man muß abwarten, wie das Publikum sich dazu stellt. Die Folge ist: es herrscht eine ausgesprochene Scheu vor Barbestellungen. Lieber weniger Verdienst, aber kein Risiko ist die Parole. Selbst der zeitgemäße Hinweis, daß Zeppelin ja seine voneinander, ohne tief in den Beutel zu greifen, mit beider seitigen Hoffnungen. Weniger harmonisch ist das Auseinandergehen bei dem Typus des »Nur-Buchhändlers«. Glücklicherweise ist er nicht in der Mehrzahl Zuerst findet er es richtig, den Eindringling etwas warten zu lassen. Kurz angebunden und zweifelnd hört er ihn an, um zu entscheiden, daß es schon viel dererlei Sachen gäbe und er kein Publikum dafür habe. Es würdigt die Bilder kaum eines Blickes, denn eben kommt jemand in den Laden, um sich sein Journal zu holen. Ich denke im Innern: O du (!) wenn du ahntest, welche Anstrengungen es für einen Verleger erfordert, Ideen auf die Beine zu stellen, bis sie Bücher werden, wie oft er aus Gewissenhaftigkeit Manuskript um Manuskript umsonst in seinen Abendstunden liest, wo andere zum Vergnügen gehen, wie oft er seine Zeit mit jungen Schriftstellern vertrödelt, die doch nichts werden, dann würdest du dir wohl weniger wichtig als Vertreiber der Wissen schaft Vorkommen. Natürlich bin ich viel zu höflich, ihm das zu sagen, und empfehle mich ihm nur kurz mit der Bemerkung: Wenn er von meiner Firma eine Gefälligkeit wünsche, würde es ihr ein Vergnügen sein usw. In der Regel gehört jener Herr der älteren Generation an und wohnt entweder in einer kleinen Gasse oder einer kleinen Stadt. In erfreulichem Gegensatz zu ihm steht der junge Sorti menter, der sich erst vor ein paar Jahren selbständig gemacht hat und der überarbeitet ist, denn er ist ganz allein. Im Winter, erzählt er mir, arbeite ich immer bis 11 Uhr nachts, denn am Tage muß ich bedienen. Ein gutes Stück deutscher Idealismus ver körpert sich in ihm. Er kennt sein Publikum ganz genau, hat Sinn für das Gute in der Literatur, und ich bin des öfteren überrascht, wie der Absatz meiner Verlagswerke im Verhältnis zu seinem kleinen Laden viel größer ist als der des großen Sorti menters der gleichen Stadt. Sein Geschäft liegt in der Regel an der Hauptstraße oder in einer verkehrsreichen Passage. Ich komme in eine abgelegene Straße einer Großstadt. Im Schaufenster machen sich Bücher von Firmen breit, die ihren Verleger unter einem allgemeinen Gesellschaftsnamen verbergen. Auf den Titelblättern gepeitschte Nonnen und ähnliche »kultur geschichtliche« Darstellungen Manchmal kehre ich um, manchmal gehe ich hinein, denn die Firma hat Absatz für meinen Verlag, und da möchte ich doch dahinter kommen. Ich erkundige mich nach dem Wie und erfahre, daß »Plato, Gastmahl« sehr gut geht. Jetzt begreife ich, warum mein Übersetzer so viele Briefe von Homosexuellen empfängt, die ihn für einen »Liebling« halten. O du göttlicher Plato, ist es nicht zum Schämen, daß das Sorti ment mit seinen großen Schaufenstern nichts für dich übrig hat und daß die Sortimenter gezählt sind, die dein unvergängliches Meisterwerk über den Eros gelesen haben! Es ist das schönste Buch, das man einer Frau, also jedem unphilosophisch gearteten Menschen, wegen seiner Poesie empfehlen kann. Aber ja, das Publikum hat sich noch nicht dafür entschieden, also ab warten! Darum erfüllt auch jene Buchhandlung in der Gasse eine Mission, denn alles Reine und Hohe durchtränkt mit lichtem Scheine auch den Schmutz. Ja, die Frauen im Buchhandel! Sie spielen nicht nur als Konsumenten, sondern auch als Mitarbeiter eine Rolle. Am meisten fällt es an der Sprachgrenze, z. B. in Luxemburg auf. In sämtlichen Buchhandlungen dort ist die Frau mit im Laden, der Mann, dem ich die »Altdeutsche Malerei« vorlege, zeigt ihr stets den Band und beide zusammen bestimmen die Bestellung, die freilich mehr auf Prospekte hinausläuft, denn in Luxemburg habe man wenig Interesse für Kunst. Man kann dort überhaupt gut be obachten, wie in einem kleinen Lande, dem Aufgaben fehlen, das geistige Leben stagniert. Ich glaube nicht, daß die dort mehr französische Art des Sortiments für uns Anregung geben kann. Aber auch in Deutschland kann man die Wirksamkeit der Frau empfinden. Es war ein kleines Sortiment, Mutter und Sohn. Der Sohn bestellte trotz Widerspruch seiner Mutter, und jener blieb nichts weiter übrig, als die »Altdeutsche Malerei« zu durch blättern und empört zu sagen, diese Bilder gefielen ihr gar nicht. Ich war zuerst fassungslos und konnte auch nichts weiter darauf erwidern, als daß Dürer und Genossen wohl nicht an sie gedacht hätten, als sie ihre Bilder malten. Es würde noch eine Farbe auf der Palette fehlen, wollte ich nicht den Empfang berühren, den ich da fand, wo ich selbst als Gehilfe hinter dem Pult einst gestanden hatte. Man war in der
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