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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 06.10.1909
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1909-10-06
- Erscheinungsdatum
- 06.10.1909
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
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232. 6. Oktober 1909. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. 11681 Frage kommenden Instanzen. Zur Beruhigung erhielt man dann die laufenden Zeitschriftcnbestellungen, deren schmaler Verdienst durch die vielen nachzuliefernden »als gefehlt« reklamierten Nummern aufgezehrt wurde. Das sind so die Leiden unserer dortigen Kollegen, wobei erwähnt sein mag, daß die angesehensten Buchhandlungen des »Hi»terhauses« sich in deutschen Händen befinden. Ist schon für jeden rechten Sortimenter das Eintreffen und Auspacken des Leipziger Ballens eine wichtige Angelegenheit, so ist es »dort unten« geradezu ein Ereignis, nicht etwa bloß wegen der vielen Zollschikanen, der vermehrten Arbeit und der zahlreichen — nicht eintreffenden — Bestellungen, sondern auch wegen der unter der Devise: »In die Mitte des Ballens zu packen« ein laufenden Pakete. Die Fundgrube für spürende Zollbeamten, diese Mitte des Ballens! Da ruhen friedlich Thüringer Wurst, Zigarren und; Liköre und andere Kleinigkeiten, auf deren Genuß ständig zu verzichten man nicht geneigt ist, wohl geschützt und verborgen hinter den Erzeugnissen deutscher Literatur. Ich habe noch niemals gehört, daß sich der Forschungseifer der Zöllner bis in die tiefste Tiefe eines so gut verpackten und verschnürten Leipziger Bücher ballens erstreckt hat. Überhaupt diese liebenswürdige Vergeß lichkeit so mancher Zollbeamten! Wenn man recht freundschaftlich bei Mokka und Zigarette mit ihnen plaudert, sind die Herren so eifrig in die Unterhaltung vertieft, daß der Markthelfer, um den Herren die Arbeit zu ersparen, mit dem unberührten Ballen ruhig nach Hause fahren kann. Es kommt nicht oft vor im Jahre, daß Reisende deutscher Verlagsfirmen sich bei den Berufsgenossen des »Hinterhauses« vor stellen. Aber um so schöner ist die Aufnahme, die den Herren be reitet wird. Selbstverständlich verbringt man den Abend gemeinsam am deutschen Stammtisch; denn in der Fremde hört jeder Lands mann gern Neuigkeiten aus dem Reiche — und wenn es auch nur die allerneuesten Witze sind —, im »Hinterhause« ist man für die kleinste Gabe dankbar. Aber man versteht es auch, den Herren »von oben« die Sehenswürdigkeiten und Eigentümlich keiten des Landes vor Augen zu führen. So manch einer dieser Herren mag sich beim Lesen dieser Zeilen in Gedanken die Knie reiben, wenn er sich der ungewohnten Ritte auf gemieteten Zigeunerkrampen in fröhlicher deutscher Gesellschaft erinnert. Aber es tat nie gut, wenn diese Herren im »Europäischen Hinterhause« gar zu wißbegierig sein wollten, da sie sonst sehr üble Erfahrungen sammeln konnten. Noch heute freut man sich in der Residenzstadt eines Balkan - Königreichs über jenen Vertreter eines großen Jugendschriften-Verlages, der, zum erstenmal »dort unten«, es nicht glauben wollte, daß es den Passanten des Nachts auf der Straße streng verboten sei, zu pfeifen, da sich die zahl reichen Nachtpatrouillen der Gendarmerie durch Signalpfiffe ver ständigen. Der unglückselige Ungläubige ließ sich auf eine Wette ein, zu deren Ausfechtung er sich in Begleitung einer »deutschen Gesandt schaft« um Mitternacht auf den Platz vor der Kathedrale stellte und seine Kunst im Pfeifen zum besten gab. Aber nickt lange — denn schon nach wenigen Sekunden kamen aus den Neben straßen Gendarmen zu Fuß und zu Pferde angespritzt, um den Missetäter vor den Pristav zu schleppen, wobei es nicht zu ver meiden war, daß er mit den Nagaiken der über die unnötige Inanspruchnahme ihrer Dienste aufgebrachten Leute recht un liebsam in Berührung kam. Nur die Intervention der dem Polizeioffizier bekannten deutschen Herren schützte den Über mütigen vor weiteren, noch unangenehmeren Folgen. Für die erhaltenen Prügel durfte er nachher auch die verlorene Wette in Gestalt verschiedener Flaschen Sekt begleichen, den Spott gab es zu, und — seit dieser Zeit soll der Herr das Pfeifen verlernt haben. Bei der Gewährung von Kredit kann der Buchhändler des europäischen Orients nicht vorsichtig genug sein, selbst den staat lichen Behörden gegenüber, zumal wenn er, wie es in einigen Staaten das Gesetz vorschreibt, quittierte Rechnungen über die bestellten Bücher vor Empfang des Geldes einzusenden hat. Läßt man derartige Quittungen länger als unbedingt notwendig auf Beamter erklärt, das Geld sei schon ausgezahlt worden (wobei es freilich in die falsche Tasche geraten ist). Wie bereits gesagt, unterscheidet sich der interne Geschäfts- Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 76. Jahrgang. betrieb der Buchhandlungen in den Hauptzentren des europäischen Orients wenig von dem der internationalen Sortimentsgeschäfte in den westlichen Ländern. Aber Geschäftsreisen wie die nach stehend geschilderte gehören heute noch zu den mitunter weniger angenehmen Tätigkeiten bei Ausübung des Berufs. Für die Stadtbibliothek der bulgarischen Grenzstadt Köstendil hatten wir eine größere Bestellung zu effektiveren. Der Senior chef meiner Firma, ein hervorragender Kaufmann, der sich haupt sächlich dem Exportbetrieb des Geschäftes widmete, hatte damals auch die Absicht, in der Nähe jener Stadt, in den Schluchten des Rilogebirges nach angeblichen Graphitlagern, deren Vorhanden sein er durch Bauern erfahren hatte, zu forschen. Mir selbst, als dem Leiter der buchhändlerischen Abteilung unseres Hauses, lag viel daran, die bestellten Bücher abliefern zu können und gleich zeitig auch von dem Bürgermeister jener Stadt den ziemlich hohen Betrag der Rechnung ausgezahlt zu erhalten. Es wurde daher beschlossen, die bevorstehenden Osterfeiertage zur Erledigung dieser Angelegenheiten zu benutzen. Schon einige Tage vor unserer Abreise ließ ich auf einem Büffelwagen die Bücher, in Ballen verpackt, auf den Weg bringen. Der Bauer, der den Auftrag übernommen hatte, sollte die Ballen bei einem dort wohnhaften uns bekannten deutschen Ingenieur abliefern; eine Ablieferung an die Auftraggeberin war nicht empfehlepswert, denn einmal im Besitz der bestellten Bücher, hätte diese tausend Gründe gefunden, die Zahlung der Rechnung in die Länge zu ziehen. Wir selbst brachen am Sonnabend vor Ostern auf. Morgens um fünf Uhr stand der Hausdiener mit den gesattelten Pferden der einheimischen zähen Gebirgsrasse vor der Tür; es war noch stock finster, als wir beide in Begleitung unserer Hunde durch die Sofianer Ebene am Fuße des massiven Witoch-Gebirgsstocks auf der alten türkischen Heerstraße unserem Reiseziel zutrabten. Zahlreiche Bauern und Bäuerinnen aus der Umgegend, die auf Büffelwagen oder inmitten kleiner Herden von Schafen uns entgegenkamen, um zum Ostermarkr der Hauptstadt zu eilen, erschwerten des öfteren unser Vorwärtskommen; der Weg war durch die Regengüsse der vorhergehenden Tage vielfach auf geweicht, ein scharfer Nordost wehte uns vom Gebirge entgegen, so daß man unseren Osterausflug keineswegs als harmlose Land partie ansprechen kann. Bei schlankem Trabe erreichten wir nach zwei Stunden den Fuß des Gebirges, und der langwierige Aufstieg auf steil sich emporwindenden Serpentinwegen begann. Man macht sich bei uns noch vielfach ganz falsche Vorstellungen vom Balkan gebirge. Man denkt an ein wildes, unwegsames Gebirge, in dessen Tiefen Räuber und Banditen dem ahnungslosen Wanderer auf lauern. Davon kann keine Rede sein. Der Balkan ist durchaus sicher und nicht schlechter zu durchqueren als andere Gebirge auch. Räuberbanden sind gänzlich unbekannt; ich habe tagelang die einsamsten Gegenden im Süden Bulgariens und in Mazedonien zu Pferde durchstreift, ohne jemals auch nur den geringsten Un annehmlichkeiten seitens der Einwohner ausgesetzt gewesen zu sein. Stundenlang reitet man, ohne nur der Spur irgend welcher menschlichen Tätigkeit zu begegnen, und freut sich, wenn man als Weggenossen einen der intelligenten Gebirgsbewohner auf einsamem Pfade trifft. Man reist hier sicherer als in gewissen nördlichen Gegenden von Groß-Berlin. Wenn man Waffen trägt, so geschieht es nur, um einer Begegnung mit Wölfen nicht wehrlos gegenüberstehen zu müssen, ein Fall, der übrigens nur im Winter zu befürchten ist Wir haben inzwischen die Paßhöhe erreicht; vor uns im Süden breitet sich die langgestreckte, schneebedeckte Masse des Rhodopegebirges mit dem Rilo-Dagh aus: unser Reiseziel, das wir aber erst am nächsten Tage erreichen werden. Zu Mittag machen wir eine längere Rast bei einem Handschi auf der Land straße Hungrig fallen wir über das uns vom Wirt Vorgesetzte Sammelsurium von Lammfleisch, Paprika, Kohl und anderen Zutaten her; einige Glas des hier meist schlechten Landweins vorzüglicher türkischer Kaffee und gute Zigaretten beschließen das einfache Mahl. Die Pferde haben gefüttert, und bald sitzen wir wieder im Sattel; wir befinden uns auf einer Hochebene; der Wind weht bitter kalt, es beginnt zu schneien. Auf alten türkischen Brücken passieren wir verschiedentlich kleine Gebirgsbäche. Manches alte 1518
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