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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 22.11.1909
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1909-11-22
- Erscheinungsdatum
- 22.11.1909
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- Deutsch
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^ 271, 22 November 1S0S. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. 14357 lichen Konflikt gerieten. Die Frucht der römischen Jahre war Rhythmus und Harmonie gewesen; daher jene Schöpfungen, gesättigt von Wohlklang, jene ätherischen Mädchengestalten, bei denen dem Schmelz der Linien lieber ein Teil der Wahrheit geopfert wird. Unter dem grauen Himmel des Nordens schienen jene lieblichen Kinder der Muse langsam wieder zu entschweben; der Realismus verlangte seine Rechte. Dieses erneute Naturstudium, das Bedürfnis, wieder an der Quelle zu schöpfen, mag durch die Arbeit an Schillers Büste angeregt worden sein. So sehen wir fernerhin die beiden Elemente in stetem Ringen begriffen, bis sie auf dem Höhepunkt der Entwicklung in einigen wenigen Meister werken ihre unübertroffene Einigung erfahren. Die Büste Lavaters lenkte zum erstenmal die Auf merksamkeit weiterer Kreise, auch des Auslandes, auf Dannecker, und seither mehrten sich auch die Aufträge für ihn. Ohne äußeren Anlaß schuf er aber seine berühmte Ariadne, die siegesgewisse Bacchusbraut, die im Triumphe von dem Panther dem erlösenden Gotte entgegengelragen wird. Dannecker führte das Werk in Marmor aus für den Frank furter Bankier Simon Moritz von Bethmann, dessen Familie es noch jetzt im Besitz hat. Schillers Tod hatte Dannecker in die größte Erregung versetzt. »Ich glaubte, die Brust müßte mir zerspringen, und so plagte mich's den ganzen Tag<, schrieb er an Wolzogen. Aus dieser tiefen Erschütterung wurde die Idee geboren, dem dahingegangenen Freunde ein Denkmal zu setzen, das der Zeiten Wechsel überdauern sollte. »Ich will Schiller lebendig machen, aber der kann nicht anders lebendig sein als kolossal. Schiller muß kolossal in der Bildhauerei leben, ich will eine Apotheose.« Diese Büste vollendete er etwa 1810 in Marmor. Es wurde eine große Anzahl Gipsabgüsse hergestellt, die den Namen des Künstlers durch ganz Deutschland trugen. Das herrliche Marmororiginal wurde tragischcrweise später von dem Künstler, in Umnachtung des Geistes, seiner Locken beraubt. Die Augenzeugin Anna Jameson berichtet, wie der alte Künstler zu ihr sagte: -Ich mutz das lange Haar weg meißeln; er trug es nie so; wissen Sie, es ist nicht mehr Mode«. Die Gruppe der Wasser- und Wiesennymphe am oberen Anlagensee in Stuttgart hat trotz ihrer Schönheit nie den selben Ruhm erlangt wie die Ariadne. Spemann sieht in ihr die Krone aller Danneckerschen Schöpfungen: »der große Wurf ist gelungen, Stil und Naturstudium sind zu einer wunderbaren Einigung gelangt». In seinen arbeitsreichsten Jahren schuf der Meister zahl reiche Porträtbüsten von fürstlichen und andern vornehmen Persönlichkeiten. Diese Werke sind naturgemäß nicht alle von gleichem Werte, aber manche gehören zu den besten ihrer Art, und wir können uns noch heute an ihren edlen Linien erfreuen. Kein Glück hatte Dannecker mit seinem Plan zu einem großen Siegesdenkmal der Schlacht bei Leipzig. Er ließ durch den Fürsten Metternich den verbündeten Monarchen einen Entwurf vorlegen. Er reiste auch in Begleitung Cottas im September 1814 während des Kongresses nach Wien, um die Ausführung des Monuments zu betreiben; aber der verfehlte Plan fiel mit der Rückkehr Napoleons zusammen und wurde nicht wieder ausgenommen. Sein letztes großes Werk, das ihn wie kein anderes in Anspruch nahm und das er selbst als sein höchstes Meister stück betrachtete, war seine Christusstatue, deren Marmor original nach Zarskoje-Selo gekommen ist. Allein die Ent stehungsgeschichte dieses Werkes ist eine künstlerische Leidens geschichte und zeigt schon das Erschlaffen der produzierenden Kraft. Der Plan, eine Goethe-Büste zu schaffen, ließ sich in- BürsenLlatt für den Deutschen Buchhandel. 76. Jahrgang. folge der weiten Entfernung von Weimar und anderer miß lichen Umstände leider nicht verwirklichen. Nach dreiunddreißigjähriger glücklicher Ehe verlor Dan necker 1823 seine Frau, und er sühlte sich so vereinsamt, daß ec noch eins zweite Ehe einging, und zwar mit der vier- undzwanzigjährigen Friederike Kolb. Die letzten Jahre seines Lebens war seine Geisteskraft geschwächt; aber in vollem Frieden ruhte er von seinem Lebenswerk aus, treu gepflegt von seiner Gattin und seinen Verwandten. Er verschied an einer Lungenlähmung am 8. Dezember 1841, dreiundachlzig Jahre alt. Mit ihm ver lor Stuttgart sein charakteristisches künstlerisches Gepräge aus lange Zeit. Der Name des Meisters aber blieb der Stolz der Stadt; Gustav Schwab und namentlich Grüneisen sorgten für die literarische Würdigung des Meisters. Aus dem Gesamturteil Spemanns über Dannecker sei hier nur ein kurzer Auszug wiedergegeben: -Er war nicht das, was man eine originale Kraft nennt; die leichtflüssige Phantasie Thorwaldsens geht ihm ebenso ab wie die tech nische Virtuosität Canovas oder die erstaunliche Produktivität und der kraftvolle Realismus des alten Schadow. Er war im letzten Sinne eine weibliche Natur, mehr rezeptiv, ein außerordentlich feiner Anempfinder. Er braucht die An regung — fast bei allen seiner besten Werks läßt sich ein Er lebnis, ein Eindruck Nachweisen, welcher die belebende Wirkung ausübte —: ein Künstler, der die Muse nicht zu komman dieren vermag. Bei allem Temperament des Menschen fließt das Blut des Künstlers langsam. Nur in ganz seltenen Fällen gelingt ihm der Wurf auf das erste Mal; das lang same Ausreifen der Gedanken läßt sich an den wenigen er haltenen Zeichnungen verfolgen. lind dann die strenge Selbstkritik, das liebevolle Sichversenken, das Sich-nicht-genug- tun-können, was vielleicht einerseits dem Werke den originalen Schwung nehmen mag, auf der anderen Seite aber durch eine Durcharbeitung, eine Reife und Feinheit entschädigt, welche sich erst langsam erschließt, aber eben den Wert dieser Schöpfungen ausmacht. . . . Dannecker ist ein Mensch, den man unwiderstehlich lieb gewinnt, und es ist schwer, wenn man den Menschen einmal kennen geleint hat, dem Künstler gegenüber objektiv zu bleiben. Selbst wo seine Schöpfungen unsere Ansprüche nicht vollauf befriedigen, spricht doch der in ihnen sich manifestierende Künstlergeist so bedeutsam zu uns, daß wir das Gefühl der Befremng erleben, das die unaus bleibliche Wirkung jeder echten Kunst ist.« Schon aus diesen wenigen Zeilen ersteht man, welche ehrliche Begeisterung für Dannecker aus dem ganzen Buche spricht. Und doch verschweigt der Verfasser gelegentlich die menschlichen Schwächen des Künstlers nicht, so wie er auch die stilistischen Verirrungen erwähnt, die wir gelegentlich bei ihm finden. Der Verfasser bezeichnet sich zwar in dem Vorwort als Nichtkünstler, und er gesteht, er sei vor seiner schweren Auf gabe oft zurückgeschreckt, und nur die Absicht, das wertvolle, mit der Zeit immer mehr schwindende Material zu sammeln, habe ihn der ursprünglichen Absicht treu bleiben lassen. Dieser Eifer verdient alle Anerkennung, um so mehr, als das Werk auch den strengen Anforderungen entspricht, die man an die Monographie eines Kunsthistorikers von Fach stellen kann. Seine Bewertung der einzelnen Werke Danneckers bezeichnet er selbst als subjektive, und wenn auch, was ja bei der Verschiedenheit des Geschmacks un ausbleiblich ist, einzelne Kunsthistoriker nicht mit allen seinen Ansichten übereinstimmen sollten, so vermag dies doch dem Wert des gesamten Werkes keinen Abbruch zu tun. Alles Material, sowohl was das Leben und die äußeren Umstände, als was die künstlerische Tätigkeit Danneckers betrifft, hat der Verfasser geschickt verarbeitet. l8S2
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