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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 21.01.1910
- Strukturtyp
- Ausgabe
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- 1910-01-21
- Erscheinungsdatum
- 21.01.1910
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868 Börsenblatt f. d. Dlschn. Bnchyandel. Nichtamtlicher Teil. ZF 16, 21. Januar 1910. Symbole auch einer tiefer dringendem Schristforschung gegen über zur gesetzlichen Autorität stempelt. Außerordentlich tüch tige und sympathische Persönlichkeiten wirken vor und neben ihm; im Unterschiede zu dem großen Ostsriesen alle, aus dem Kreise der einheimischen Geistlichen und Lehrer hervorgehend: vor ihm Bincentius Schmuck und Heinrich Hopfner, neben ihm Johann Benedikt Carpzow der Altere und Martin Gein: sämt lich ausgerüstet mit hervorragenden geistigen Qualitäten, aus gezeichnet mehr oder weniger durch eine überraschende Weit herzigkeit und erfüllt mit dem Sinne der Gerechtigkeit und Milde. Am Schlüsse des Jahrhunderts ratzen als die wissen schaftlichen Säulen der Fakultät Johann Olearius <1677—17I3> und Johann Benedikt Carpzow II: Olearius ein Geist der Sophrosyne, Carpzow ein Mann von maßloser Leidenschaft, engherzig und ungerecht bis zur Verfolgnngssucht, persönlichem Neide nicht fremd, nicht bedenklich in der Wahl der Mittel; jener seinen Gelchrtenruhm der neutestamentlichen Exegese und der Bemühung um ihren philologischen Unterbau verdankend, dieser seinen hebräischen Studien, mit denen er Leipzig zu einem Sitze hebräisch-talmudischer Gelehrsamkeit machte, mochte es auch eine pedantische Gelehrsamkeit sein, in der seine exegetischen und homiletischen Exerzitien einhergingen. Im Eingang des achtzehnten Jahrhunderts steht Gottfried Olearius <gest. 1716): ein frühreifes Talent und ein neuer Typus theo logischer Gelehrsamkeit: die philologischen und historischen Grundsätze in die biblische Exezese übertragend, »im Grunde der erste Gelehrte modernen Stils in einer Fakultät, in der lange die Tradition ein lastendes Schwergewicht gebildet hatte«. In den folgenden Jahrzehnten übt den größten Einfluß aus die Studierenden der Theologie Johann Gottlob Pseisfer <1723 bis 1740), als Autor verhältnismäßig wenig fruchtbar, aber eine Richtung tiefer und freier, den Geist des Pietismus atmender Vernünftigkeit vertretend und fortgeschrittenes historisches Urteil und systematisches Denken beweisend. Nach solchen Vor läufern geben dann seit.den die Fakultät gänzlich umgestaltcnden 1760er Jahren dem theologischen Studium in Leipzig sein Gepräge Christian August Crusius <1751—1775) und vor allem Johann August Ernesti <1759—1781), dessen Wirken »einen Höhepunkt in der Geschichte der Fakultät bedeutet«, den aber freilich wohl, wenn dieser Geschichte der Leipziger Theologen eine solche der Leipziger Philologen zur Seite stände, diese letztere eigentlich mit größerem Rechte für sich beanspruchen würde. Crusius' Antlitz glatt, rund und wohlgenährt, von fast kindlicher wohlwollend-liebenswürdiger Vergnügtheit, das Wort in seinem alten Sinne genommen; dasjenige von Ernesti sachlich, kritisch anschauend und verarbeitend, gefurcht und gesaltet, die klar und sinnend blickenden Augen unter feste Denkerwülste ein gesetzt. Crusius die Mysterien der göttlichen Ofsenbarung deu tend, den Gang der göttlichen Heilsgeschichte zu ermitteln be müht, der geschlossenen Methode entbehrend, in beschwingten Anregungen wirkend, die mehr dem religiösen Leben als der Wissenschaft zugute kamen; Ernesti das von Gottfried Olearius geahnte ^Prinzip unbefangener grammatisch-historischer Exe gese znr.herrschenden Regel erhebend. Nebenbei: ob es ganz richtig akzentuiert ist, den Umstand, daß Ernesti 1775 als theo logischer Dekan das Verbot der »Leiden des jungen Werthers« beantragte, mit dem »damaligen Stande des literarischen Ge schmacks« zu erklären? Dem »damaligen literarischen Geschmack« war, wie die Aufnahme von »Werthers Leiden« beweist, der Weither aus der Seele geschrieben. Der staatlich-kirchliche Ge schmack, dieser war es, der anders beschaffen, zugleich aber — denn der kirchliche ist es einigermaßen gewiß heute noch — mit einer ganz andern Praxis der Bevormundung verschwistert war. In den ersten Jahrzehnten des neunzehnten Jahrhunderts stehen der sowohl als Schriftsteller wie als Lehrer vielseitige und einflußreiche Johann August Heinrich Tittmann und Hein rich Gottlieb Tzschirner, von denen besonders der letztere durch seine Gelehrsamkeit, seine Rednergabe, seinen Freimut und sein recht eigentlich publizistisches Talent vielgekannt und weithin geschätzt war. In dem mit den dreißiger Jahren be ginnenden und bis zu unsrer Gegenwart reichenden Zeiträume treten bei Kirn besonders hervor in den Anfängen Georg Bene dikt Winer <1832—1858), in dem die Bestrebungen Ernestis wieder auflebten, und sodann Karl Friedrich August Kahms <1851—1888), Christoph Ernst Luthardt <1856-1902), Julius Franz Delitzsch <1867—1890) und Gustav Adolph Fricke <1867 bis 1908): Kahnis ausgezeichnet durch vortreffliche, persönliche Eigenschaften, hervorragendes Lehrtalent und freimütige Kritik wichtiger Stücke der überlieferten Lehre; Luthardt auf den Charakter der Leipziger theologischen Fakultät den tiefgehenden Einfluß ausübend, der ihm bei seinem Gleichmaß wissenschaft licher und praktischer Talente zusallen mußte, Scharen von Studierenden aller evangelischen Länder einen von hoher Be redsamkeit getragenen Unterricht bietend, dem es bei aller kirch lichen Bestimmtheit nicht fehlte an humanistischer Weite, den Freunden des kirchlichen Bekenntnisses in ganz Deutschland Vertrauensmann und Führer; Delitzsch die Leipziger Universi tät wieder zu einem Hauptsitz der alttestamentlichen und rabbi- nischen Studien erhebend. Kirn will das persönliche Moment in den Vordergrund stellen. Er gibt selbst eine zweite Spezifizierung der Aufgabe an, wie er sie sich gestellt hat: die Beschränkung im wesentlichen auf das im Fakultätsarchive vorhandene Material, unter Ver zicht ans anderwärts zu findendes gedrucktes und ungedrucktes Material. Auch diese vorherrschende Verwertung des Fakultäts archivs konnte erst von der etwa mit Einführung der Refor mation beginnenden Zeit ab eintreten. Es sind mehrere Stellen, an denen Kirn auf Grund dieses Materials der Geschichte der Leipziger Theologen neue Lichter aussetzt; so reinigt er z. B. Selnecker von den Vorwürfen, die ihm wegen der lateinischen Ausgabe des Konkordienbuches von 1580 gemacht worden sind. Hervorheben möchten wir die Partien, in denen Kirn von den Fakultätsentscheidungen, Gutachten u. dgl. im siebzehnten Jahr hundert spricht und damit auf ein eigenartiges kulturgeschicht liches Quellenmaterial aufmerksam macht. Es waren Lehr fragen und Bedenken in kirchlichen und praktisch-sittlichen An gelegenheiten, die an die Fakultät gebracht wurden. In diesen Bedenken verfügt das Fakultätsarchiv über ein »ansehnliches Material zur Sittengeschichte des siebzehnten Jahrhunderts«, und man sieht den Verfasser mit Bedauern »der Versuchung widerstehen, nach diesem Material die Zustände des Volks- lebens selbst zu schildern«. Die einzelnen Züge, die er daraus hervorhebt, haben natürlich vor allem die in der Fakultät herr schende Urteilsweise zu charakterisieren; die Ergebnisse, die Kirn in dieser Hinsicht gewinnt, sind namentlich die, daß der Maßstab in sittlichen Fragen unvergleichlich viel müder war als der, den man an die dogmatischenNußerungen anznlegen pflegte, und daß hinsichtlich der Anklagen auf Zauberei und Hexenwesen den Leipziger Theologen eine gewisse aufgeklärte Behutsamkeit nicht abzusprechen ist. Wie stellt sich Kirn zu dem Rückgang der theologischen Fre quenz? Ein erhebender Gedanke für den Vertreter der kirch lichen Gottesgelehrsamkeit am Schlüsse eines Halbjahrtausends auf jeden Fall kaum, dieses Zurückgehen genau vom Beginn der Zeit der Vollendung ab, wie es nun auch zu deuten sei. Vor acht Jahrzehnten machten Theologen und Juristen zusammen 80U <oder genau 79,9tztz> der Gesamtsrequenz aus, ein Prozent satz, in den sich die beiden Fakultäten schwesterlich teilten. Heute machen sie zusammen 34,8tztz aus, und davon mußte sich die Theologie im Jahre 1908 mit 7tztz bescheiden. Daß dieser Rück gang nicht speziell Leipzig und seiner Universität auf die Rech nung zu schreiben ist, denn trotz jener Abnahme bildete die Leipziger Fakultät in dem genannten Zeiträume regelmäßig mit Halle, Berlin und Tübingen die Grupps der stärksten Frequenz
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