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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 09.02.1910
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- 1910-02-09
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- 09.02.1910
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32, 9. Februar 1910. Nichtamtlicher Teil. den Blick für die Schwächen in der Lebensauffassung seiner Glaubensgenossen verloren hat, daß er aus innerster Überzeugung und begeisterten Herzens in seiner Kunst den Juden einen Spiegel vorhält, worin sie die Schattenseiten ihrer Charaktereigenschaften erkennen sollen, um wieder den Weg zu ihrem gelobten Lande zu finden. Ob diese von ihm leidenschaftlich verfochtenen zionistischen Bestrebungen tieferen Eindruck auf seine Glaubensgenossen ge winnen werden, muß dahingestellt bleiben. Den Hauptinhalt der gegenwärtig von Lilien veranstalteten Ausstellung bilden die Illustrationen zu dem in großem Stil durchgeführten Werke »Die Bücher der Bibel«, herausgegeben von F. Rahlwes, Verlag von George Westermann in Braunschweig. Was Herder und Goethe bereits angestrebt haben, die Bibel als Literaturwerk in die moderne Welt ein zuführen, soll in dieser Ausgabe durch vornehme Ausstattung und reichen künstlerischen Schmuck erreicht werden. Es soll damit kein kirchliches Lehrbuch, sondern ein Meisterwerk der Welt literatur geboten werden. Das in zehn Bänden erscheinende Lieferungswerk wird auch in einer numerierten, vom Künstler handschriftlich signierten Luxusausgabe auf echt holländischem Büttenpapier in besonderem Einbande in einer einmaligen Auflage von einhundert Exemplaren erscheinen. Liliens künstlerische Eigenart macht sich besonders in einer unverkennbaren Schönheit der Linienführung geltend. Der Künstler empfindet in seinen Darstellungen vor allem rein graphisch, d. h. er sucht immer nach dem prägnantesten Schwarz-Weiß- Eindruck Er darf zweifellos als einer der originellsten Illustratoren und als ein Darsteller bildlicher Motive angesehen werden, der über eine bedeutsame Formensprache verfügt. Nicht bloß in den figürlichen und landschaftlichen Vollbildern tritt die Schönheit und eigenartige Grazie seiner Linienführung hervor, sondern auch in den Randzeichnungen, Initialen und andern Buchschmuckstücken ist der gleiche Reiz des feinsinnigen Linienspiels erkennbar. Über welchen Reichtum der Erfindung und über welches ausgeprägte Stilgefühl der Künstler gebietet, lassen auch die zahlreichen aus seiner Hand hervorgegangenen schönen Exlibris erkennen. Diese zählen mit zu den wertvollsten Blättern, die unsere neuere graphische Kunst hervorgebracht hat. Bei dem Reichtum des hier Dargebotenen müssen wir es uns versagen, auf die einzelnen Darstellungen näher einzugehen. Nur soviel sei von den großzügigen biblischen Kompositionen Liliens gesagt, daß sie oft einen geradezu lapidaren monumentalen Stil erreichen und daß in ihnen »Das Lied von der Schöpfung der Dinge«, wie die Urwüchsigkeit, Kraft, Poesie und der gedank- liche Inhalt in abgeklärtester Form zu schönstem Ausdruck gelangen. Da der Künstler während eines längeren Aufenthaltes in Palästina eingehende Vorstudien zu seinen Bibel-Illustrationen gemacht hat, so erscheint auch das Milieu in historischer Treue. Ohne Zweifel gehört dieses Bibelwerk zu den hervorragendsten illustrierten Buch ausgaben der Neuzeit. Neben den Originalzeichnungen zur Bibel interessiert noch eine Anzahl Radierungen, unter denen besonders hervorgehoben seien: »Die Klagemauer in Jerusalem«, die «Morgenlektüre« einer kranken jungen Dame, eine ungemein feinfühlige Versinnlichung zarter Weiblichkeit, »Abraham in die Sterne blickend«, »Ackernder Jude« mit dem vor den Pflug gespannten Kamel, verschiedene Straßenszenen aus Jerusalem und die charaktervollen Bildnisse seiner Familienangehörigen. Ernst Kiesling. Eine Wanderung durch die Stuttgarter Aus stellung desVcrbandes Deutscher Illustratoren. Die ersten Illustratoren waren Mönche, und das erste Literaturwerk, das die Zeichenkunst in seinen Dienst nahm, ist zweifellos die Bibel gewesen; in enger Klosterzelle befaßte man sich zuerst mit der Schaffung von künstlerischem Buchschmuck, und mit geschickter Hand, mit feinem Empfinden für dekorative Wirkung entwarfen die Fratres verzierte Initialen, Seiten einfassungen und Randleisten. Doch bald genügte ihnen diese Art der Ausschmückung einer Dichtung nicht mehr, und in der Folge sind diese die Mönchskutte tragenden Zeichner allmählich dazu übergegangen, daß sie ein zelne besonders dramatische, handlungsreiche Episoden aus dem von ihnen auszuschmückenden Dichtwerk herausgriffen und die agierenden Personen dem Leser mit Hilfe des Stifte- sinnfällig vorzuführen versuchten, wobei es nicht selten der Fall war, daß der würdigen Illustrierung einer einzigen Abschrift einer Dichtung ein ganzes Lebensalter gewidmet wurde. Diese mühsame, dafür aber künstlerisch wertvolle Jllustrations- art wurde dann mit Erfindung der Buchdruckerkunst durch die nun aufkommende Holzschnittmanier abgelöst, der sich Meister wie Albrecht Dürer, Lukas Cranach, Holbein und viele andere widmeten. Und da dieses Verfahren es ermöglichte, von einer einzigen Vorlage zahllose Kopien herzustellen so ist es leicht be greiflich, daß es die Arbeit der Mönche bald fast vollständig verdrängte, und nicht zuletzt verdankt die Buchdruckerkunst ihren erstaunlich raschen Siegeslauf dieser in ihr begründeten Möglich, keit, auch Holzschnittzeichnungen nach Belieben vervielfältigen zu können. Es war dies damals ein Vorzug von ganz eminenter Bedeutung, denn zu einer Zeit, wo noch die Fähigkeit, Geschrie benes oder Gedrucktes lesen zu können, äußerst selten anzutreffen war, begriff die große Masse des Volkes erst aus den einer Dich- tung beigegebenen bildlichen Darstellungen den Sinn der vom Schriftsteller geschilderten Begebenheiten. Als sich dann die graphische Kunst immer mehr vervoll- kommnete, wurde auch eine Verbesserung der Holzschnittbilder angestrebt, und im Verlauf der dabei angestellten Versuche kam man auf die Kupferstichmanier, mit deren Hilfe sich künstlerisch vornehmere Wirkungen erzielen ließen, so daß der Kupferstich schnell dem meist etwas hart wirkenden Holzschnitt den Rang ablief. Auf den Kupferstich folgten dann in schnellem Wechsel alle die neuen Vervielfältigungsverfahren, wie Strichätzung, Helio. gravüre usw., die sich eine Wiedergabe der vom Künstler ver fertigten Vorlage zur Aufgabe machen, und so stand von jeher die Jllustrationskunst in engster Fühlung mit der Literatur, bzw. dem Buchgewerbe. Als gefährlicher Konkurrent der künstlerischen Illustration hat sich die Momentphotographie erwiesen, der es vor nicht ganz einem Jahrzehnt gelungen ist, der gerade damals erst wieder zu neuem Leben erwachten Jllustrationskunst, die weit über die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts hinaus in schablonenmäßige, ebenso nüchterne wie plumpe Handwerksarbeit übergegangen war, in einer Weise Abbruch zu tun, daß namentlich auf dem Gebiete des Zeitschriftenwesens eine totale Umwälzung stattfand. Als deren charakteristisches Produkt ist die »Woche« August Scherls anzusehen, ist. Doch erfreulicherweise erholte sich die Kunst der Illustration verhältnismäßig rasch wieder von dem ihr zugefügten Schlag, und wer in den letzten Wochen in Stuttgart durch die interessante Ausstellung des Vereins deulscherJllustratoren gewandelt ist, wird die Überzeugung gewonnen haben, daß die Jllustrationskunst einer neuen Blütezeit entgegengeht. Die vor einigen Jahren gefallene Äußerung unseres Kaisers, die englischen, amerikanischen und französischen Journale hätten bessere Zeichner an der Hand als die deutschen, trifft schon für die heutigen Verhältnisse keineswegs mehr zu. Die Ausstellung in Stuttgart ist außerordentlich reich beschickt, sie bietet viele Anregung und Unterhaltung und zeigt vor allen Dingen, wie eifrig auf dem Gebiete der Illustration gearbeitet wird. Jede Arbeitsmanier ist vertreten: Tuschen, Aquarelle, Feder- und Kohlezeichnungen, jedes Verfahren ist zu sehen. Außer einigen Radierungen sind es fast durchweg Originale, die ausgestellt sind und die durch ihre dekorative Wirkung oder durch ihre humorvolle, oft auch groteske Art der Darstellung auf den Beschauer wirken. Fast alle Namen sind beteiligt, die wir aus den Fliegenden Blättern, der Jugend, dem Simplicissimus, aus modernen Bilderbüchern usw. kennen oder die uns aus den Katalogen der Schriftgießereien usw. als Zeichner von ornamentalem Buchschmuck bekannt sind. Da ist zuerst der Jllustrationsstil des Simplicissimus vertreten durch Olaf Gulbransson, der mit wenigen charakteristischen Strichen so viel zu sagen weiß; ferner Thöny und Erk mit ihrer grotesken Linienführung, sowie Zille mit seinen eigenartigen Kinder- und Weibertypen. Die Art der Fliegenden Blätter vertritt Rene Reinicke mit zwei lustigen Zeichnungen und H. Schlittgen mit flotten Bildern aus dem Gesellschaftsleben. Diesen folgt Stuben rauch mit einer anheimelnden Genreszene im Biedermeierstil: 226*
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