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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 24.02.1910
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1910-02-24
- Erscheinungsdatum
- 24.02.1910
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- Deutsch
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- Saxonica
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2396 Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. 44. 24. Februar 1910. vermittelt, wo zu vermitteln war zwischen den einzelnen Per sonen, hat verstanden, den Vorzügen gerecht zu werden, die Schwächen und Empfindlichkeiten zu schonen. Zum Schluß sei noch kurz des Verhältnisses des Berliner Buchhändlers zu den Großen der Zeit gedacht. Den Lenien- streit erwähnte ich bereits, aber weniger, welche Ursachen zur Entfremdung und zum Streit führten. Herder war anfänglich ein eifriger Mitarbeiter an der Bibliothek gewesen, hatte dann aber seine Mitarbeit gekündigt und war ein gehässiger Gegner geworden. Die Briefe, die den Bruch herbeiführten, sind charakteristisch für beide Teile. Nicolai war ungehalten darüber, daß Herder ihm im August 1773 erklärt hatte, nicht mehr Mit arbeiter der Bibliothek sein zu wollen. Er versuchte vergebens, ihn als Mitarbeiter zu halten, obwohl er sich mit manchen seiner Meinungen und Ansichten nicht einverstanden erklärte und sich in scharfen Worten gegen die von Herder vertretenen Ansichten aussprach, allerdings, wie er schrieb: nur in Privatbriefen, da er öffentlich seine Meinung nicht sagen könne. »Desto eher sollten Sie nicht auf mich ungehalten seyn, wenn ich nicht recht von deutscher Art bin«, heißt es einmal. »Fast aber stelle ich mir doch vor, daß das Mißfallen, das ich in meinem letzten Schreiben über einige Ihrer schätzbaren Werke vielleicht auf allzu lebhafte Weise mir habe merken lassen, einen Einfluß auf Ihren Entschluß hat, daß Sie ferner nichts in der A. d. B. recewsiren wollen. »Thun Sie mir nicht Unrecht, mein werther Freund! Ich bin freilich mit meinem Geschmacke an gewissen Schriften von dem Jbrigen himmelweit unterschieden. Hätte ich das Glück mit Ihnen persönlich umgehen zu können, so würde ich vielleicht versuchen, Sie zum Theil zu meiner Meinung zu bekehren. Aber schriftlich ist so etwas, ich weiß es wohl, unmöglich. Ich lasse mich also zwar durch das freundschaftliche Vertrauen so weit hinreißen, daß ich Ihnen meine Meinung, so offenherzig, so ganz ungeheuchelt sage, als ob ich sie mir selbst sagte, aber ich bin gar nicht willens Ihre Meinung zu bestreiten, aufs höchste einem scharfsinnigen Mann, wie Ihnen, Gelegenheit zu geben, die Sache einmahl aus einem andern Augenpunkt anzusehen, welches, wie ich aus Er fahrung weiß, bey der Erforschung der Wahrheit oft ein sehr nützliches Hülfsmittel ist. »Wenn ich sehe, daß Männer, die ich schätze, Schriften mit den größten Lobeserhebungen herausstreichen, die in mir ganz widrige Empfindungen erregen, so komme ich oft in ganzem Ernste auf die Gedanken, daß ich von der ganzen Sache nichts verstehe, sondern feinere und höhere Kenntnisse dazu gehören als ich habe. Ich betrachte sie dann, in diesem Augenblicke, als Dinge, die für mich gar nicht in der Welt sind, so wie viele Wissenschaften, z. B. die Differential- und Jntegral-Nechnung, die ich unwissend, auf das Wort anderer schätzen kann, aber davon ich kein Wort verstehe. Gleichwohl liegen mir diese Materien näher als z. B. die Jntegral- Nechnung; ich muß oft in dem Laufe meiner Studien darauf stoßen und es z. B. unbegreiflich finden, daß ich den Ossian mit so vieler Wärme und Eifer lesen kann, und doch weder Klopstocks noch Kretschmanns noch Denis' Bardenpoesie. Ich glaube als dann wieder manchmahl, daß die Schuld auf Seiten der Dichter und Dichtungsart und nicht auf der meinigen seyn könne. Und hier freut es mich sehr, wenn ich diese Dichtart mit allem Feuer der Einbildungskraft vertheidigt sehe. Dieß thun Sie in Ihren Recensionen, darum wünsche ich die Fortsetzung davon, wenn sie auch meine eigene Meinung gerade widerstritten.« An anderer Stelle unterm 13. Juni 1774 heißt es dann, allerdings in einem wesentlich gereizteren, bissigeren Ton, auf den Herder eine derbe Antwort nicht schuldig bleibt: »Ich befürchte noch nicht, daß Sie die Offenherzigkeit, mit der ich mich in manchen Schriften wider manche von Ihnen an genommene Meinungen erklärt habe, werden übel genommen haben. Da aber freilich unsere Meinungen, je mehr sie sich ent wickeln, desto weiter auseinandergehen, so merke ich wohl, daß ich schwerlich von Ihnen ferner Beyträge zur A. D. B. erwarten darf. Wenn wir aber scheiden, so sey es brüderlich, wie jene Patriarchen: ,Wilst Du zur Rechten, so will ich zur Linken'.« Nicolai hatte ein Exemplar von Herders »Älteste Urkunde des Menschengeschlechts« erhalten und war der Meinung, sie im Auf träge des Verfassers empfangen zu haben. Er fällt über diese Schrift ein durchaus abfälliges Urteil. »Ob ich gelesen habe, ist keine Frage, daß ich verstehen soll, verlangen Sie vielleicht selbst nicht. Wir Altfranken fein etwas verächtlicher Ausdruck für die Anfänger der alten Richtung in der Litteratur) verstehen freilich die Sprache der Zünftler nicht, so wenig wie die Aegyptischen Buch- und Recensionshändler, die heilige Sprache der Priester der Isis.« »Ich muß gestehen, soviel ich verstand, könnte alles, was ich und manche andere glauben, bey dem, was ich aus Ihrem Buche verstanden habe, gar wohl stehen bleiben. Denn Bilder eines Morgenschlummers glänzen auf, und verschwinden, wie ihre Mutter, die Morgenröthe, und da Methaphorische Ausdrücke einem Beutel gleichen, den man nach Belieben auf- und zuziehen kann, wie man will, so werden wir nicht so thöricht seyn, den Beutel unsern Kram dient, und dann Husch ist er zu. . . .« »Noch eins! Sie kennen nun seit 10 Jahren meine Grille, daß ich lieber sehe, daß die Sprache sey, wie die Flüsse, die in ihren Betten bleiben, klar Wasser geben und weibliche Schiffe tragen, die uns dieses und jenes zuführen. Der Wandsbecker Bote ist zwar anderer Meinung, und meint, es wäre besser, sie sey wie die Donau, die alles mit sich fortreißt, oder wie ein an geschwollener Strom, der Bette und Damm durchbricht und in reißenden Fluten über Feld und Wald daherbraust. Er meint, das wäre so örtlich anzusehn, aber nochmals, Sie wissen meine Schwäche, ich stelle mir den Leser vor: der wird betrübt, beginnt fortzueilen, bis er ins Trockne kommt. Und sehr viele andere unvorsichtige arme Schelme, die mit weg gespült werden, daß sie nicht wissen, wo Kopf und Fuß bleibt, und dieß verdirbt mir das ganze prächtige Schauspiel. »Einer Ihrer Freunde, hat an einen andern geschrieben, er solle nicht eher übei die Urkunde urtheilen bis er sie sieben mahl ge lesen hätte! War es denn nicht möglich es so einzurichten, daß sie wenigstens beym 3ten und 4ten mahle verständlich wäre! Mein liebster Freund! Sie schreiben orientalisch, fürchten Sie nicht, daß noch vor dem Jahre 2240 ein neuer Michaelis ^bekannter Orientalist, Professor in Göttingen) kommt, und aus Ihrem Buche macht, was ihm beliebt. Wenn er seine Auslegung nicht demonstriren will, sondern sich auf innere Kraft und Gegenwart beruft, so haben Sie ihm die Waffen wider sich selbst in die Hände gegeben. Dieß einzige schon sollte Sie bewegen — doch was rede ich — Sie mit Gewalt zu holen. Ach nein! wenn es der guten Dame nach der Weiber Weise geht und sie Kaminfeuer nöthig hat, so mag sie sie verbrennen, denn sie sind nicht hölzern und nicht guldin oder silbern, weil ich mehr auf das halte, was zum häußl. Ge brauche, als was zum Prunke ist. — Mir war wirklich gesagt worden, Sie wären mit Ihren Heerden zwischen Sandwüsten und reißende Flüsse gerathen, und da kam ich denn ganz unschuldiger Weise und wollte helfen. Ich sehe, Sie brauchen mich nicht, denn Sie befinden sich ganz wohl! Ey nun desto besser, es war nur ein unnöthiger Schrecken von beiden Theilen — und der wird die Freundschaft nicht stöhren« . . . Daß der etwas eitle, sehr empfindliche, leicht gereizte Herder über dieses Schreiben erregt wurde, ist nicht zu verwundern, und ebensowenig, daß Nicolai auf sein Schreiben eine recht derbe Antwort erhielt, war Herder doch keineswegs, wie wir auch aus seinen Briefen an Hartknoch wissen, der sanftmütige Diener Gottes und Lehrer des göttlichen Wortes! »Literarische Feindschaften mit Ew. Wohlgeb.,« beginnt er, »habe, meines Wissens nie gehabt: vielmehr allemal, wenn ich mit Ihren Meinungen nicht übereinstimmte, es fürs beste gehalten, abzubiegen und davon zu schweigen — ich nehme meinen Brief wechsel, wenigstens die letzten 2 Jahre her, zu Zeugen. Ich darf also frei sagen, daß mich die Art, wie Ew. Wohlgebohren den Handel enden, so äußerst befremdet, als (ich glaube,) sie mich befremden darf. »Wenn Ein Bibliotheken Mitglied seinem Hrn. Verleger Ab schied sagt, so denke ich, sagts Abschied, und was brauchts dann, und eben zu einer Zeit, da man von Patriarchenscheidung redet, solchen Brief, solchen letzten Patriarchen-Ribbenstoß, dazu Sie — mein Hochgeschätzter Herr — aus welchem Grunde gegen mich berechtigt sind? »Und wenn Sie dazu berechtigt wären, wozu nicht gerade zu?
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