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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 24.02.1910
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1910-02-24
- Erscheinungsdatum
- 24.02.1910
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- Deutsch
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2394 Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. 44, 24. Februar 19l0. Den Bestrebungen der Gelehrten bezüglich des Selbstverlags stand er sehr skeptisch gegenüber, und der Ausgang aller dieser Unternehmungen gab ihm recht. Er hat es Lessing gegenüber nicht an Warnungen fehlen lassen; im Gespräch mit Lessing hat er ihn über seine verkehrten Ansichten vom Buchhandel zu belehren versucht und hat, als dieser durchaus in sein Verderben rennen wollte und sich mit Bode zusammentat, ihm nach Möglichkeit zu helfen gesucht. Er gab der neuen Firma Druckaufträge, machte aber recht schlechte Er fahrungen damit, denn Lessing wollte auch im Drucken sich nicht den allgemeinen Regeln fügen; so wollte er im Quartformat anstatt des üblichen kleineren drucken; er läßt die Signaturen fort und versetzt dadurch Nicolai in nicht geringe Verzweiflung; er versieht sich nicht mit genügendem Vorrat an Druckpapier und muß schließlich einen Teil des Werkes auf minderwertigem Papier drucken. So ist es denn erklärlich, daß Nicolai schließlich das Ur teil fällt: »Beide Unternehmer waren treffliche Leute, mit den aller besten Absichten und nicht in erster Linie auf eigenen Vortheil bedacht; aber weder Bode, noch Lessing hatten genügend kauf männischen Sinn, beide waren keine Fachleute«, und von Lessing persönlich schreibt er in dieser Beziehung: »Lessing war ein vor trefflicher Mann, macht sich aber vom Buchhandel eine ganz un richtige Vorstellung, auf die er mit seinem gewohnten Scharfsinn ein System davon aufbauen wollte«. Zu den Briefen, die Lessing während seines Aufenthaltes in Hamburg und als Mitbesitzer der Bodeschen Druckerei an ihn schrieb, und zu seinen eigenen Briefen hat Nicolai treffende Be merkungen gemacht, die den späteren Ausgaben des Briefwechsels beigefügt sind. Diese Bemerkungen und Einwendungen zeigen den kenntnis reichen, erfahrenen Buchhändler und sind gleichzeitig bezeichnend für manche buchhändlerischen Zustände der Zeit. So heißt es einmal unterm 8. November 1769: »Ich bin überzeugt, daß die deutschen Buchhändler ssich nie irgend wozu vereinigen werden, am wenigsten dazu, den Selbstver lag der Gelehrten zu verhindern; und wenn sie wollten, könnten sie es nicht. Da sie doch die Buchdrucker auf den Messen bezahlen müssen, so ist es ihnen ganz einerlei, ob das Buch, wofür sie das Geld hingeben, einem Buchdrucker oder einem Gelehrten gehört. Daß übrigens die meisten Gelehrten, die auf ihre Kosten Bücher drucken lassen, dabei zu kurz kommen, kann ich auch erklären. Es treffen verschiedene Ursachen zusammen. Und eine der Hauptur sachen ist, daß diejenigen Bücher, die der Gelehrte für die besten und wichtigsten hält, gerade nicht die sind, die den meisten Debit haben. Ich getraue mich auch, Einem, der die Kaufmannschaft überhaupt und besonders die Art verstehet, wie der Buchhandel in Deutschland kann geführet werden, zu beweisen, daß Jemand, der nur eins oder auch zwei Bücher selbst drucken läßt und sie dann verkaufen will, unmöglich Vorteil davon haben kann; es wäre denn, daß Freunde einen es.u8g. pro amioo machen oder sonst besondere Umstände eintreten. Erinnern Sie sich unseres ehemaligen Streits über den Buchhandel, in Berlin unter den Linden. Ich bin bei der Buchhandlung erzogen und habe nunmehr auch die eigene Erfahrung mehrerer Jahre. Wäre es möglich, die Buchhandlung bloß durch baren Verkauf in jeder Stadt zu treiben, so brauchten wir freilich keine Messen. Ich selbst würde bloßen baren Verkauf auf den Messen mit anscheinend besserem Vortheil treiben, als irgend ein Gelehrter; aber auch als Buchhändler mag ich es nicht. Einige thun es, aber wenn Mehrere Nachkommen wollen, ist es nicht auszuführen; denn wenn Alle verkaufen wollen, woher sollen die Käufer kommen? Ich habe die Buchhandlung anders kennen lernen, als sie selbst viele Buchhändler kennen. Ich bin überzeugt: a) daß das Drucken des Verlags in einem gewissen Verhältnisse mit dem Vertriebe des Sortiments stehen muß, sonst thut man sich Schaden, wenn man auch den besten Verlag druckt: b) daß der Buchhandel in Deutschland, wenn er un- verhältnißmäßig ins Große getrieben wird, keinen Vortheil bringt. Reich ist ein lebendiges Beispiel davon. Er arbeitet sehr viel, um den Ruhm zu haben, daß die Weidmännische Handlung die größte Buchhandlung in Deutschland sei. Aber Vortheil hat er nicht; er gesteht dies selbst und weiß nicht, wie es zugehet. Ich kann es aber nach meinen Grundsätzen leicht erklären. Er sollte nur den dritten Theil drucken von dem, was er druckt, so hätte er ruhigere Tage und käme weiter als jetzt.« An andrer Stelle schreibt Nicolai dem Freunde, als dieser wieder einmal ausführt, daß man nur recht viel Werke der besten Köpfe verlegen dürfe, desto mehr würde gekauft werden: »Freilich habe ich es Ihnen, wie Sie wissen, schon oft eingeprägt, daß die Buchhändler von den gelehrten und vernünftigen Büchern garnicht reich werden, so wenig als von den Städten, wo viel Lektüre herrscht, sondern von dummen Provinzen, wo meines Freundes Lessing Schriften kein Mensch lesen will.« Nicolai stand auch sehr skeptisch den Hoffnungen und Er wartungen gegenüber, welche die meisten Schriftsteller an den Regierungsantritt des Kaisers Josef II. knüpften, der nach ihrer Meinung Wien zum Sitze einer deutschen Gelehrtenrepublik machen und die deutschen Schriftsteller fürstlich belohnen würde. Unterm 19. August 1769 schreibt Nicolai, daß er der Sache sehr mißtraue, um so mehr, da auch Gleim sie für ein Finanzprojekt der österreichischen Negierung halte, da diese hoffe, daß, wenn die be rühmtesten Gelehrten ihre Werke in Österreich drucken ließen, durch den Buchhandel große Summen ins Land kommen würden. Der nüchterne Berliner kann sich nicht enthalten, dazu zu bemerken: »In diesem Falle bedaure ich die armen Hühner, die man der Eier wegen hält, die sie legen sollen; denn wenn sie nicht recht fleißig legen, so wird man sie abschlachten und aus ihrem Fleisch die Brühe auskochen.« Lessing erbost sich sehr darüber, daß Nicolai das Wiener Projekt lächerlich macht, und wird recht ausfallend gegen den Berliner Freund und gegen Berlin und Preußen: »Wien mag sein, wie es will, der deutschen Literatur verspreche ich dort immer noch mehr Glück als in Eurem französirten Berlin. Wenn der Phädon in Wien confiscirt ist, so muß es blos geschehen sein, weil er in Berlin gedruckt worden, und man sich nicht einbilden können, daß man in Berlin für die Unsterblichkeit der Seele schreibe. Sonst sagen Sie mir von Ihrer Berlinischen Freiheit zu denken und zu schreiben ja nichts. Sie reducirt sich einzig und allein auf die Freiheit, gegen die Religion so viel Sottisen zu Markte zu bringen, als man will. Und dieser Freiheit muß sich der rechtliche Mann nun bald zu bedienen schämen. Lassen Sie es aber doch einmal Einem in Berlin versuchen, über andere Dinge so frei zu schreiben, als Sonnenfels in Wien geschrieben hat; lassen Sie es ihn versuchen, dem vornehmen Hofpöbel so die Wahrheit zu sagen, als dieser sie ihm gesagt hat, lassen Sie Einen in Berlin auftreten, der für die Rechte der Unterthanen, der gegen Aussaugung und Despotismus seine Stimme erheben wollte, wie es itzt sogar in Frankreich und Dänemark geschieht, und Sie werden bald die Erfahrung haben, welches Land bis auf den heutigen Tag das sklavischste Land von Europa ist.« Nicolai antwortet ihm darauf und weist seine Angriffe zurück, resp. liefert Beweise, daß es mit der Denk- und Schreibfreiheit anderswo doch viel schlechter bestellt sei, als in Berlin, ohne aller dings Lessing vorerst zu belehren. »Ich ward damals«, bemerkt Nicolai später zu dem Schreiben, »so wie jetzt noch oft zur Ge sellschaft der kalten Hunde gerechnet, weil ich nicht glaubte, mich an einem Haufen Johanniswürmchen wärmen zu können.« Im Streit um den Nachdruck der Dramaturgie trat Nicolai warm für den Freund ein und verurteilte das Vorgehen der Firma Dodsley <L Co. aufs schärfste, kann aber doch nicht umhin, Lessing den Vorwurf zu machen, daß er in gewisser Weise den Nachdruck provoziert habe. Lessing hielt von den buchhänd lerischen Einrichtungen nicht viel, er glaubte ohne Beschickung der Messe auszukommen und wollte die Dramaturgie nur auf Bestellung direkt von Hamburg per Post senden. Dabei war die Expedition sehr schlecht und unordentlich; nirgends waren Exem plare erhältlich, und die Versendungsspesen verteuerten das Werk erheblich. Die Nachfrage nach Exemplaren in Leipzig war groß, und es war daher begreiflich, daß der Nachdruck diesem Begehren Rechnung trug und der Nachdrucker ein gutes Geschäft machen mußte. »Ich will«, fährt Nicolai fort, »gewiß den Nachdruck nicht vertheidigen; aber ausgemacht ist doch auch, daß der Eigensinn, eine Waare (denn das ist ein Buch, sofern es zum Verkauf stehet) nicht nach dem Platze schicken zu wollen, wo hauptsächlich Nachfrage ist, diesen Nachdruck unmittelbar veranlaßte. St. Paulus hat schon gesagt: ,Jch kann wohl Alles thun, aber es frommt nicht Alles'«.
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