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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 02.03.1910
- Strukturtyp
- Ausgabe
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- 1910-03-02
- Erscheinungsdatum
- 02.03.1910
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- Deutsch
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^ 49, 2. Mär; 1910. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. 2689 nehmen: »Sie sehen leicht ein, daß dabei meine Absicht ist, zu verhindern, daß darin auch nicht die geringste Gelegenheit zur Spur von einem ehemaligen von mir, und hoffentlich auch von der lesenden Welt längst vergessenen Streit übrig zu lassen«. — Erst in späterer Zeit, 1856—62, sind Ausgaben der Briefe von Düntzer erfolgt, leider sehr fehlerhaft; 1887 ist dann eine neue Ausgabe, nach den Originalbriefen von Otto Hoffmann besorgt, erfolgt. Die Briefe Caroline Herders geben einen versöhnenden Schlußakkord zu dem so schrill ausklingenden Briefwechsel der beiden Männer. — Mit Goethe bestand von vornherein ein gespanntes Ver hältnis. Nicolai hat Goethe nicht verstanden oder nicht ver stehen wollen, obgleich ihm Merck nahe stand, der ihn stets auf Neuerscheinungen des Dichters aufmerksam machte und ihm nahelegte, Goethe zu würdigen und nicht zu verletzen. Schon 1773 schrieb Merck nach Berlin: »Haben Sie schon das Ding über die Baukunst von meinem Freunde dem vr. Goethe? Wenn Sie's recensiren lassen, so machen Sie, daß es keinem Ungewaschenen in die Hände fällt, der den Genius verkennt«. Auch Herder ersucht Nicolai, »die Baukunst« gut rezensieren zu lassen, und bemerkt dazu: »daß übrigens der Verfasser ein Kopf sey, zeigt, glaub' ich, sein Götz von Berlichingen! Ich wüste nicht, welche Marionette von neuerem Kunstwerk (als solchem!) ich für den Götz nehmen wollte«. — Noch vor Erscheinen des »Werther« schreibt Merck nach Berlin: »Von Goethe sehen Sie nächstens einen Roman: Leiden des ungen Werthers. Das Schicksal des jungen Jerusalems wie sein ganzer Charakter liegt zum Grunde, und G- hat hier individuelle Wahrheiten wie bey seinem Göz verarbeitet und verkleistert. Es sind hier wie in dem P. Viand. Scenen, über die nichts geht, und gehen kann, weil sie wahr sind.« — Nicolai hat sich vorher Merck gegenüber augenscheinlich ab fällig über Goethes Gedichte und Pasquille wider Wieland, Jacobi usw. ausgesprochen und diese Art der Dichtkunst eines wahren Dichters nicht würdig erachtet. Merck nimmt darauf Bezug, wenn er schreibt: »Keine Pasquillen sollen Sie weiter nicht von ihm sehen. Dem guten Goethe gehts indessen wie allen braven Leuten. Es hängen sich den Augenblick, da jemand ein Zoll höher wird als andre, so viele Buben an, die in die Welt Wahres und Falsches schreiben, daß es zu erbarmen ist. Die Pasquinaden, die er gemacht hat, sind aus unserem Cirkel in Darmstadt, und alle Personen sind gottlob so unberühmt und unbedeutend, daß sie niemand erkennen würde. Er hat sich kürzlich mit den Jacobis ausgesöhnt.« — Das Erscheinen des Werther gab Veranlassung zum direkten Angriff des Berliner Buchhändlers gegen Goethe. Lessing hatte sich abfällig über das Werk ausgesprochen, und das Urteil, das der Freund fällte, wurde auch für Nicolai maßgebend. Lessing verkannte den hohen poetischen Wert des Werkes durchaus nicht, aber ihm war das Grundmotiv, daß ein Jüngling sich aus un glücklicher Liebe den Tod gibt, zuwider, und er schreibt an Eichenburg: »Glauben Sie wohl, daß je ein römischer oder griechischer Jüngling sich so und darum das Leben genommen? Gewiß nicht!« Seine Freunde und Anhänger konnten sich daher garnicht mit dem Buche und der Tendenz desselben befreunden, Nico lai wurde ihr Wortführer und verspottete in der derben Satire »Freuden Werthers« das Goethesche Meisterwerk. Die großen Schönheiten des Werkes waren auch Nicolai nicht entgangen, sein Handexemplar zeigt viele Notizen, unter denen: »Herrlich«, »Prachtvoll«, »Ganz vortrefflich« sich sehr häufig finden, aber der Tendenz des Buches konnte er nicht zustimmen. Er hat sich später über sein Pamphlet wie folgt geäußert: »Sie wurden auf M. Mendelsohn's Aufmunterung in dritt- halb Tagen gemacht. Ich nahm diese Idee, weil sie leichter aus geführt war. Die andere, mit dem Menschen im grünen Nock (ein unausgeführter Entwurf. I§.) war viel besser, aber sie kostete mehr Zeit. Die hatte ich nicht. »Außerdem, wenn man mich tadelt, daß ich Lotten unver heiratet angab, so bedenke man, daß der Dichter Mittel haben muß, um seine Absicht auszusühren. Mir war es hier mehr um Zweck, als um Mittel zu thun. Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 77. Jahrgang. »Ich wollte zeigen 1) daß ein Geschäftsmann wie Albert auch edel denken könne und menschenfreundlicher mit seiner Ab- straction, als ein solcher junger Brausekopf wie Werther. »2) Wollte ich Werthern gern auch in der Ehe zeigen, und daß man da mit dem bloßen Brausen und Empfindeln nicht durchkömmt. — Kurz ich wollte die Sache von einer andern Seite darstellen. Daher nahm ich das kürzeste Mittel, ein festes Eheversprechen mit Albert anzunehmen. Dieß war in Ansehung Werthers eben so viel wie Ehe und konnte seine Verzweiflung eben so gut motiviren. Aber in Ansehung meiner konnte es mir dienen, dieses Band durch den bloßen Willen Albert's auflösen zu lassen, und dieß wahrscheinlich zu machen. »Den großen Talenten des Verf. der Leiden Werthers habe ich immer Gerechtigkeit widerfahren lassen; nur den Schaden wollte ich verhüten, den sein Kunstwerk indirekt veranlassen könnte, und wirklich veranlaßt hat, wovon ein Paar auffallende Beispiele im Europ. Magazin erzählt sind.« — Nicolai fand bei Vielen Beifall mit seinem Büchelchen, selbst bei näheren Freunden und Verehrern Goethes; so schreibt u. a. Boie an Merck: »Nicolais Freuden Werthers haben mich sehr überrascht. Vieles darin ist so übel nicht. Mich verlangt, was unser Goethe dazu sagen wird. Man ^sieht hier dieß Dings sowohl als den Werther ganz schief an.« — Goethe war über die vielfachen Angriffe, die sein Werther zu fördern. So erschien die Farce »Prometheus, Deukalion und seine Necensenten«, als deren Verfasser allgemein Goethe galt, und doch war diesem selbst diese scharfe Verspottung der Beurteiler des »Werther« höchst ärgerlich, da sie die mit Wieland geplante Ver eines nicht sehr fein empfindenden Menschen bringen mußte. Aber selbst als er öffentlich in den »Frankfurter gelehrten Anzeigen« erklärte, daß nicht er der Verfasser sei, sondern H. L. Wagner ohne sein Zutun und Wissen den »Prometheus« gemacht und ihn habe drucken lassen, glaubte man ihm nicht. Die treuen Freunde Goethes waren über den Prometheus recht ungehalten, wenn sie sich auch zum Teil freuten, daß gegen Nicolai Front gemacht wurde. So heißt es in einem Schreiben von Boie an Merck: »Was Wieland zum Prometheus gesagt haben mag, das Stück hat man mir für gewiß sagen will, es Goethe nicht selbst gemacht hätte. Aber, wenn nicht er, wer kann es sonst geschrieben haben? Wenigstens möcht' ich den Verf. kennen. Nichts thut mir leid, als daß Freund Asmus auch so unsacht angefaßt worden. Seine Anzeige des Werther's ist doch die einzige gute. Goethe und Claudius hätten beide verdient, Freunde zu bleiben, und sollten über so etwas nicht zerfallen. Thun Sie das Ihrige bei Göthe. Ich will's bei dem andern thun. Nicolai halt' es schon mehr verdient. Warum mischt sich der Mann in Alles, was ihn nicht angeht. Das verwünschte Kunstrichteln gibt doch dem Geiste einen närrischen Bug. Ein Kritiker von so vielen Jahren ist ein eigenes Geschöpf. — Im letzten Stück der Allg. Bibliothek fängt auch das Sticheln an über die, gewiß in Berlin unver standene Gelehrtenrepublik an. Es muß auch da einmal einer mit der Keule dreinschlagen, und vermuthlich geschieht's.« — Merck selbst suchte noch zu vermitteln; er hatte längere Zeit gezögert, sich Nicolai gegenüber über die Freuden des I. W. zu äußern, so daß dieser, schon am gleichen Tage übrigens, an dem Merck nach Berlin einen Brief sandte, schrieb: »Was soll ich zu Ihrem gänzlichen Stillschweigen auf mein Schreiben, mit dem ich Ihnen die Freuden des jungen Werther's sendete, denken? Sind Sie ungehalten auf mich? Oder wollen Sie sich nur nicht gern, entweder über die Freuden Werthers oder über die Folgen desselben, über den Prom. sich gegen mich erklären.« — Er hat erfahren, daß Goethe sehr ungehalten auf ihn ist; er beteuert aber von neuem, nicht persönlich geworden zu sein. »Ich griff ihn nicht an«, schreibt er, »denn ich glaube nicht, daß Er Willens sey, die Bande der menschlichen Gesellschaft aufzulösen. Aber einen Haufen von Lesern mancherlei) Art, die aus Stellen, die Er im Charakter des schwärmerischen Werthers geschrieben hatte, Axiomen und Lebensregeln machen wollten, habe ich er innern wollen, daß Selbstmord aus Übereilung und Trugschlüssen 347
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