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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 31.01.1910
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1910-01-31
- Erscheinungsdatum
- 31.01.1910
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Saxonica
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1306 Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. ^ 24, 31. Januar 1910. <vr. Mönikcberg) hat an einem Beispiel, auf das ich jetzt komme, auf das beste be wiesen, daß er sie nicht will. Dieses Beispiel ist der »Simpli- zissimus«. Wenn man davon ausgeht und sagt: »Ein Blatt wie »Simplizissimus darf nicht verboten werden«, so möchte ich darauf erwidern: Es handelt sich nicht um eine Unterdrückung. Ich be tone: Bei der ganzen Maßregel ist nie davon die Rede gewesen, daß etwas nicht geschrieben und verlegt werden dürfe, sondern es handelt sich um die Verbreitung auf und an der Straße. Und wenn er uns vortragen will, das sei ein Beispiel dafür, daß man nicht weitergehen dürfe, so glaube ich, an Ihrer aller Zustimmung appellieren zu dürfen, wenn ich sage: Ein schlechteres Beispiel hätte Herr vi. Philippi nicht anführen können. (Sehr richtig!) Zwei Gründe hat er angeführt: einen künstlerischen und einen politischen Grund. Künstlerische Gründe sollen dafür sprechen, daß man ein Blatt wie den »Simplizissimus« in den Schaufenstern und Schaukästen auslegt, ja, wenn es nach Herrn vr. Philippi ginge, wieder in den Straßen einführt. Es liegt mir vollkommen fern zu bestreiten, im Gegenteil, ich will gern zugeben, Herrn vr. Philippi und allen sonstigen Freun den des Simplizissimus, daß häufig sehr hübsche Zeichnungen, elegante Zeichnungen, Zeichnungen vorhanden sind, die jedermann mit Freude ansehen kann, häufig auch durchaus anständige Witze und Scherze Vorkommen, treffende Satiren und was Sie sonst wollen. Aber, m. H., ist denn irgend jemand da, der mir be streiten will, daß daneben auch die allerscheußlichsten Zoten Vor kommen? (Sehr richtig!) Wenn das aber der Fall ist, dann weiß jedermann, daß es daraus nicht ankommt, ob ein Buch vom ersten bis zum letzten Buchstaben unzüchtig ist, sondern daß auch diejenigen Bücher sehr schlecht wirken können, die nur teilweise schmutzig, schamlos und unzüchtig sind. Es ist genau dieselbe Geschichte wie mit dem Gift. Wenn aus Gesundheitsrücksichten ein körperliches Gift verboten wird, ist es deshalb zulässig, weil es in einer eleganten Umhüllung importiert wird? Auf das Außere kommt es doch nicht an, und wenn das Reichsgericht in vielen Erkenntnissen, die Herr vr. Philippi viel besser kennt als ich, gesagt hat, ein Buch, welches unzüchtige Stellen enthält, ist, darüber haben schließlich die Gerichte zu erkennen. Herr I). Rode hat vollkommen recht: wir müssen uns auf unsere Ge richte verlassen können, trotz der menschlichen Jrrtümer, die auch da Vorkommen. Wohin sollen wir denn kommen, wenn wir der artige Entscheidungen nicht mit vollem Vertrauen unfern Ge richten anheimgeben? M. H! Dann gibt es nur eins: Anarchismus. (Sehr richtig!) Und wenn das richtig ist, m. H., dann muß ich in der Tat sagen, wenn der Simplizissimus, ein solches Blatt, bisher noch nicht verboten ist zur Auslage in den Schaufenstern, so liegt es nicht an den Gerichten, sondern lediglich an den Ge setzen, weil die gesetzliche Handhabe fehlte, und da, wo die gesetz liche Handhabe vorhanden war, nämlich für den Vertrieb auf der Straße, ist mit Recht eingeschritten und mit Recht davon Gebrauch gemacht. Will man das nicht, obgleich Herr vr. Philippi, ich habe seine Worte hier vor mir, den Schaden, der entstehen könnte, zugibt (Zuruf: Habe ich nicht zugegeben!), dann kommt man, wie ich glaube, auf eine ganz schiefe Bahn. Und dann der zweite Grund, den Herr vr. Philippi für die Zulässigkeit des Simpli zissimus im Verkauf auf und an der Straße uns vorgeführt hat: der politische Grund, ein sehr sonderbarer Grund, eine sehr eigen tümliche Behauptung, die ich Ihnen mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten wörtlich verlesen muß, damit Sie nicht glauben, ich täte irgend jemand Unrecht. (Heiterkeit.) »Und es ist zweitens Tatsache, daß in der politischen Satire des »Simplizissimus« die politische Stimmung weiterer Kreise Welche politischen Kreise das sind, das sagt Herr vr. Philippi nicht, aber es ist doch wohl anzunehmen, daß es ihm nahestehende sind, denn für andere würde er sich wohl nicht so interessieren. (Heiterkeit.) Dann heißt es weiter: »Tatsache ist es deshalb, daß sich an diesem Blatte potente künstlerische und geistige Kräfte betätigt haben, und die darf man nicht zu Schmutz und Schund werfen, selbst wenn man davon überzeugt ist, daß sie verderblich wirken.« (Hört, hört!) Also, m. H., ein nacktes Geständnis und zwar nicht in seinem eigenen Namen, denn Herr vr. Philippi hat immer von »wir« gesprochen und diesen majestätischen Plural pflegt man nur zu gebrauchen, wenn man als Fraktionsredner spricht, ein offenes klares Geständnis, daß ein Blatt, von dem er selbst weit abrückt, wie er zuerst gesagt hat, ein Blatt, das in dieser Beziehung schädlich wirkt, das soll zulässig sein wegen seiner politischen Be deutung! Sind wir wirklich so weit, meine Herren, sind wir wirklich so weit, daß die Politik alles rechtfertigt, auch den Schmutz und Schund, sind wir wirklich so weit, daß weite Kreise, die Herrn vr. Philippi nahestehen, eines solchen Schmutzblattes be dürfen, um ihre Politik zu führen? (Unruhe.) Soll etwa die wir seit einigen Monaten mitmachen, soll die etwa unter der Fahne des Simplizissimus geschehen? Wenn das der Fall ist, dann gratuliere ich Ihnen. M. H.! Wohin kommen wir, wenn der politischen Satire wegen Schmutzblätter erlaubt werden, selbst wenn die Schä digung anerkannt wird; trotzdem dürft ihr nicht einschreiten, sagte der geehrte Herr Vorredner, weil weite Kreise unseres Volkes dieser Politik anhängen. Was ist aus unserer Kunst geworden, m. H., ist es nicht im höchsten Grade betrübend, wenn man kämpfen muß um den Simplizissimus? Ich bin ganz der Mei nung des geehrten Herrn, daß das Blatt nicht unterdrückt werden soll, ich bin auch ganz der Meinung, daß es dahingehört, wo es wohl am meisten gehalten wird, in den Künstlerkneipen, in den Vereinen, im juristischen Lesezimmer. (Heiterkeit.) Ja, m. H., da finden Sie es. Ich habe garnichts dagegen, an allen Plätzen, wohin die Jugend nicht kommt, wohin Kinder nicht kommen, aber das ist doch gerade der Unterschied, m. H., und gerade die Kinder aus den kleineren Kreisen müssen auf der Straße hin- und her gehen, die müssen jeden Tag dort Vorbeigehen, die sehen an den diese schamlosen Bilder, die werden dadurch verdorben! Das muß sein und das will man doch nicht hindern? Lassen Sie doch die Sammler auf den Simplizissimus abonnieren und wer Lust hat, wer wirklich darin einen Kunstgenuß findet! Ich wiederhole, wohin ist es gekommen mit unserer Kunst, von der ein Dichter, dem Sie alle huldigen, den jede Partei für sich allein haben möchte, von der unser Schiller sagt: Was ihr den Zauber verleiht, ist, was sie bindet, die Scham. M. H.! So weit sind wir von Schiller abgekommen. Den Zauber findet er grade in der erotischen Poesie in der Scham und heute geht die Ungebundenheit und die Freiheit so weit, daß die Schamlosigkeit sich öffentlich breitmachen darf. So liegen die Sachen und wenn wir demgegenüber einschreiten wollen und demgegenüber an die Regierung gehen, an den Senat, und den Senat bitten: geht doch an die Reichsregierung und helft doch mit zum Schutze für unsere Kinder, dann sollen Sie uns doch nicht kommen und sagen, aus politischen Gründen wollen wir davon absehen! Ich bin fest davon überzeugt, die ganze Majorität der Bürger schaft, und wenn Sie hinausgehen, die ganz große Majorität der Bevölkerung wird sagen: eine Politik, die eines solchen Blattes bedarf, machen wir nicht mit. (Bravo!) vr. Popert. Meine Herren! Nachdem Herr vr. Wolffson und Herr vr. Philippi jeder etwa eine volle Stunde gegen den Ausschubbericht gesprochen haben, nachdem auch Herr vr. Möncke- berg, der ja sachlich mit mir durchaus auf einem Boden steht, in seiner Rede immerhin manches gegen den Ausschußbericht gesagt hat, werden Sie begreifen, wenn der Berichterstatter des Aus schusses, trotz der vorgerückten Stunde, in diesem Falle — gegen seine Gewohnheit, wie Sie wissen, — nicht kurz sein kann. Es ist dringend notwendig, daß gegenüber den Ausführungen der Herren vr. Wolffson und vr. Philippi, Ausführungen, die ich, wie ich schon vor einer Woche sagte, für — natürlich nicht dolos aber objektiv — schwer irreführend halte, daß denen gegen über mit aller Energie, besonders auch für den stenographischen Bericht und damit dauernd für die Öffentlichkeit, der Stand punkt des Ausschusses festgestellt und seine Richtigkeit dar getan werde. Ich habe ein paar Einzelheiten vorwegzunehmen, ehe ich auf die Rechtfertigung des Ausschußberichtes selbst eingehe. Was den Punkt 2 des Ausschußantrages angeht, so ist es mir gleichgültig, ob die Bürgerschaft diesen Punkt annimmt in der Fassung des Ausschusses, oder in der Fassung des Herrn vr.
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