Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 15.01.1904
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1904-01-15
- Erscheinungsdatum
- 15.01.1904
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-19040115
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-190401155
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-19040115
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1904
- Monat1904-01
- Tag1904-01-15
- Monat1904-01
- Jahr1904
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
464 Nichtamtlicher Teil II, 15. Januar 1904, daß die BlUte zurückgeht, die Früchte kleiner werden, die Ernte vermindert und die geistige Nahrung damit a» Qualität, Quantität und Wohlfeilheit einbllßt. Wenn die Gelehrten, die jeneu Rabatt jetzt sozusagen erzwingen wollen, weil sie über den Zusammenhang der Tatsachen, über Ursache und Wirkung nicht reiflich genug nachgedacht haben, zum Kampf rufen, so soll hierdurch der Versuch gemacht werden, zu zeigen, wie wichtig es ist, daß die Verkaufsorgane des wissenschaftlichen Buchhandels nicht durch starke Schmälerung ihres Unternehmergewinns krank gemacht werden, weil von ihrer energischen Mitwirkung, von ihrer Emsigkeit, ihrer Tatkraft, ihrer Geschicklichkeit das Schicksal unserer Wissenschaften einigermaßen abhängt. Jedermann weiß, daß ein stark arbeitendes Pferd besser genährt werden muß als ein Luxuspferd; daß es eine Un klugheit des Landwirts ist, seine Pferde schlecht zu füttern. Diese einfache Notwendigkeit liegt klar auf der Hand, Nicht so einfach aber ist es, cinzusehen, daß der Sortimentsbuch händler, der ohne Rabatt doppelte Einnahme hat, als wenn er diesen zugunsten der Bibliotheken und Gelehrten obgeben muß, auf die Dauer die Lust zu seiner Arbeit verliert, statt fröhlich widerwillig arbeitet und in dieser Trübsal ein nur halb so guter Arbeiter ist, als er es bei angemessener Ent lohnung wäre. Seine stete, manchmal an Verzweiflung grenzende Mißstimmung wird er durch lebhafte Klagen äußern, und diese Klagen sind denn auch seit Jahr zehnten vernehmbar. Diese Klagen tragen dazu bei, daß kluge und gewandte Köpfe an der Ergreifung dieses Berufs verhindert werden und sich andern Ge schäftszweigen zuwenden, bei denen sie mehr Chancen zu haben scheinen. Hierdurch tritt eine Qualitätsentartung ein, die in erster Linie der Verbreitung des wissenschaftlichen Buchs Eintrag tut. Die Orchideen der Literatur, die feinsten und besten Blüten leiden unter der Veränderung der Lebens- bcdingungen zuerst. Und dieser mögliche Verrohungsprozeß der Literatur sollte vor allem die Männer der Wissenschaft stutzig machen. Den Verlagsbuchhandel könnte es ja schließ lich kalt lassen, ob er sein Interesse den populäreren Schriften zuwendet und die wissenschaftlichen Monographien welken läßt, ob der Staat dann für solche Monographien Treib häuser baut oder nicht. Aber der Gelehrte muß doch wün schen, daß die zarten, aber edlen Gewächse der Literatur, die jetzt eben noch ohne Schutz, sozusagen im Freien, fort- kommen, künftig in geschlossenem Raum unter Anwendung künstlicher Mittel gezogen werden müssen. Der Staat insbesondere, d, h, der deutsche, welcher bisher für Subven tionen nur kleine Summen auszugeben brauchte, würde durch Dezimirung des Sortimentsbuchhandels, durch Verminderung der Intelligenz dieses Standes sich selbst eine Verlegenheit bereiten; denn wenn die Verkaufsorgane des Buchhandels leiden, verschwindet zuerst die wissenschaftliche Monographie als freies Berlagsobjekt, und muß nun durch Anwendung künstlicher Mittel wieder hervorgetrieben werden. Das Geld, das der Gelehrte als Rabatt erhält, wird später dem Staate als Subvention abgenötigt. Die bloße Vergleichung unserer Literatur mit der des Auslandes zeigt dies. Der Staat hat also ein gewisses Interesse daran, daß der Rabattt nicht sanktioniert wird; er muß einstehn, wenn Bodenfrüchte der Literatur an Qualität verlieren. Denn steht er nicht dafür ein, weil er keine Mittel dazu hat; so verschwindet der Fein gehalt, der bisher die deutsche wissenschaftliche Literatur vor der anderer Länder auszeichnete. Der dem deutschen Buch handel eigentümliche Reichtum an Varietäten geht zurück; aber gerade sie sind das Salz der Wissenschaft, Es ist durchaus nicht gleichgültig, ob über einen bestimmten wissen schaftlichen Gegenstand wenige Schriften erscheinen, wie im Ausland, oder viel, wie in Deutschland, Denn der Reichtum der Erörterung, die starke Teilnahme an der gedruckten Dis kussion wissenschaftlicher Fragen wird nur durch einen lebhaft blühenden Verlagsbuchhandel gewährleistet. Das Gedeihen des Verlagsbuchhandels ist aber eng verknüpft mit dem Gedeihen seiner Verkaufsorgane' leiden diese, so leidet jener, und dies wirkt auf das Gedeihen der Wissenschaft, ja auf das Honorar der wissenschaftlich arbeitenden Autoren zurück. Denn wenn im Ausland zwei wissenschaftliche Werke über eine bestimmte Frage ohne Unterstützung möglich sind, so werden durch die eigentümliche Beschaffenheit des deutschen Buchhandels sechs möglich. Sind also die Honorare in Deutschland und im Ausland für solche Publikationen gleich, so gibt doch Deutschland infolge seiner bessern Organisation eine größere Totalsumme an Honorar her als das Ausland, Raubt man also dem deutschen Buchhandel den Lebensmut, die Triebkraft, so vermindert man jene Totalsumme, und zwar so, daß nun nicht wieder sechs sich in die kleinere Summe teilen, sondern daß vier mundtot gemacht werden, und das können gerade die wichtigsten sein, wenn sic auch zurzeit just nicht die angesehensten sind. Der geistige Prozeß wird also durch den Rabatt erschwert, und was die Sortimenter an Rabatt verlieren, geht zuletzt auch den Autoren an Honorar verloren. Ebenso bedenklich ist es, Mißtrauen zu säen zwischen den Männern der Wissenschaft und dem Verlagsbuchhandel, Zuni Gedeihen von Handel und Wandel ist ein bestimmtes Maß von Treu und Glauben unerläßlich. Gegen Übergriffe des Verlagsbuchhaudels ist jetzt der Autor eines Werks durch das Gesetz über das Verlagsrecht in ganz anderm Maße ge schützt als früher. Der Verleger, der keine Auflage angibt, darf jetzt nur 1000 Exemplare drucken, sonst macht er sich des Nachdrucks schuldig; der Verleger, der die Honorarfrage übergeht, muß jetzt eine angemessene Entschädigung zahlen, früher nicht. Das Verlagsgesetz ist jedem Autor für ein paar Groschen zugänglich: früher war er auf gelegentliche Infor mationen angewiesen. Durch Gesetze wird man allerdings Ausbeutung und Übervorteilung nie aus der Welt schaffen; so wenig durch Gesetze das Stehlen, der Mord, das Duell verhindert wird. Der Umstand, daß sich hie und da eine ungünstige Bestimmung zeigt, rechtfertigt es noch nicht, einen ganzen Stand zu verurteilen und ihm die Tendenz der »Aus beutung- vorzuwerfen. Wenn die Neger von St, Domingo zur Ermordung der Europäer mit den Worten auffordern: Schlagt die Weißen tot, sie haben Christum gekreuzigt! so empfindet das jeder als eine schreiende Ungerechtigkeit, Wenn man aber wegen eines harten Verlagsverlrags Stimmung gegen den ganzen Verlagsbuchhandel überhaupt macht, so ist diese Gerechtigkeit nicht viel mehr wert als jene. Um eines oder zweier Brüscwitze willen wird man den Osfizierstand nicht verachten; um eines Hüssener willen die Notwendigkeit der militärischen Subordination nicht leugnen. Es sind wiederum die wissenschaftlichen Werke, die leiden und eingehen, sobald Heißsporne den Verleger ver dächtigen, Weil unter Schlossern sich auch Einbrecher finden, soll man darum sagen dürfen: nehmt euch vor den Schlos sern in Acht? Der Autor eines Buchs macht sich leicht übertriebene Vorstellungen von der Gangbarkeit eines Buchs, Es gibt kaum einen Autor, sagt Lichtenberg, der nicht meint, daß jeder seine Pfeife anzünden oder hinlegeu werde, um das Buch zu lesen; wenn man aber bedenkt, daß jährlich viele Tausende von Büchern erscheinen, sieht man ein, daß nicht jeder Interessent alles erwerben kann was erscheint, zumal ja die Zeitschriften und Zeitungen sehr viel Leselust befriedigen. Es ist außerordentlich schwer zu sagen, ob dieses oder jenes Buch gut gehen wird; selbst der Kenntnisreichste, der Erfahrenste greift da häufiger daneben, als daß er das Richtige trifft. Von zehn Treffern ist fortwährend die Rede,
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder