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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 15.01.1904
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1904-01-15
- Erscheinungsdatum
- 15.01.1904
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
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^ II, IS. Januar 1904. Nichtamtlicher Teil 465 von tausend Nieten schweigt man. Ein so unsicheres Geschäft wie der Verlagsbuchhandel erfordert starke Intelligenzen, und diese sind auf die Dauer niemals billig zu haben, wo starke Verlustgefahr droht. Wer also Mißtrauen säet zwischen Ver legern und Autoren, schreckt die Intelligenzen ab, und was das für das Gedeihen des wertvolleren Teils unsrer Literatur be deutet, brauche ich nicht noch näher zu erörtern. Wer viel ver lieren kann, muß auch reichlich gewinnen dürfen; sonst gibt er das ungleiche Spiel auf. Das Resultat der Ausstreuungen wird sein, daß eine Menge guter Schriften ungedruckt bleiben; eine für den Verlags- und Sortimentsbuchhandel vielleicht freudig zu begrüßende Erscheinung, für die Wissenschaft freilich eine beklagenswerte Einbuße. Ein altes, wahres Wort heißt: Friede ernährt, Unfriede verzehrt. Es kann aber der Beste nicht im Frieden bleiben, wenn es dem bösen Nachbar nicht gefällt. Der grimme Tybalt höhnt den guten, friedfertigen Romeo; dieser faßt sich als Philosoph und erwidert: Nein, ich bin kein Schurke. Romeo will keinen Streit, keine bloßen Schwerter, er steckt den Schimpf ein und verläßt den Schauplatz. Aber der grimme Tybalt fällt auch den streitbaren Mercutio an; der gute Romeo sucht den Streit zu schlichten, und nun wird der kampfesfrohe Mercutio erstochen. Das fordert Blut, und Romeo erschlägt den Tybalt. So ist der Lauf der Welt. Sollen wir die Rolle des braven Romeo oder die des fcchtlustigen Mercutio spielen? Ist es nicht vielleicht besser, Frieden zu schließen? Es wäre ja so einfach! Das -Sekret» des Buchhandels, das Börsenblatt, gaben wir preis, wie die friedfertigen Blattläuse den süßen Saft, den sie ausschwitzen, den leckermäuligen Ameisen ohne Widerstand überlassen. Womit ich nicht gesagt haben will daß die Arbeit dcr Buch händler der Tätigkeit der Blattläuse, die Arbeit der Gelehrten der der Ameisen entspräche. Dcr erste Schritt wäre also getan. Die Bibliothekare haben »ihr- Börsenblatt wieder, und man kann sie nur dazu beglückwünschen; denn ein Gerber, dem die Felle weggeschivommen sind, kann nicht verdutzter drein- schaucn als ein Bibliotheksleiter, dem dies wichtige und wertvolle Beobachtungsinstrument des Büchermarkts entzogen worden ist. Warum also nicht auch L sagen, wenn man L gesagt hat? Warum sollen wir den Rabatt nicht wieder offiziell einsiihren? Dann wäre ja wohl Friede, und über das Froh locken dcr Sieger würde man bald hinwegkommen. Für viele Verleger ist die Frage des Rabatts zunächst nur eine akademische, eine Doktorfrage, eine »gusrolls allswauäo«, wie die Franzosen einen Streit um des Kaisers Bart bezeichnen. Wenn wir das Rabattgebcn nicht mehr als einen Unfug be trachten, sondern als ein notwendiges Übel, wenn wir den Tribut, den die Gelehrten so nachdrücklich fordern, weil er zur Gewohnheit geworden ist, bewilligen, so wäre der Friede rasch wieder hergestellt. Und der nährende Friede wäre bei dem organischen Zusammenhang des Buchhandels mit dem Gelehrtenstand so wertvoll, so wichtig: warum also sollen wir nicht die Abgabe, die so lange unwillig entrichtet wurde, nunmehr willig hingeben? Die Geschichte lehrt . . . Ach was kümmert uns die Geschichte! Wir sind Men schen der Gegenwart, die Gegenwart allein ist unser Glück! So stehts im Faust. Geschichte ist die tröstliche Gewißheit, daß ein heute längst vergessener, uns völlig gleichgültiger Mann nicht Casus hieß, nein, Lucius. Was brauchen wir die Lehren der Geschichte! Hätten die Buren, statt sich in den ungleichen Kampf mit dem stolzen England einzulassen, den Tribut bewilligt, den Albion fordern zu müssen glaubte, so wäre unendlich viel Unglück, tausendfältiges, entsetzliches, vermieden worden und die Buren wären viel besser daran, als sie heule sind. Man blicke doch nach Finnland! Die Börsenblatt für den deutschen Buchhandel. 71. Jahrgang. Finnen sind klüger; sie protestieren zwar, werden aber pro testierend langsam in Russen umgewandelt. Was liegt denn schließlich an den Finnen?! Sie sind nicht einmal Jndo- germanen; wie ihre Sprache lehrt, sind sic vielleicht die Ur einwohner Europas gewesen, und um die beanr restes der echten Autochthonen ist es schließlich nicht so schade — jeden falls ist der Kampf gegen die Übermacht aussichtslos. Also das lehrt die Gegenwart, die neueste Geschichte. Diese unverbesserlichen Deutschen! Immer erhitzen sic sich für sogenannte Ideale und schlagen sich eines Jotas wegen. Was liegt denn schließlich daran, ob wir den Rabatt murrend gewähren oder lächelnd? Gegeben wird er doch, wenn nicht öffentlich, so heimlich. Entschließen wir uns, was wir bis her widerwillig wie ein Trinkgeld Hingaben, nun freiwillig als Tribut zu entrichten! Dies, so denke ich, ist die Meinung vieler Friedfertigen. Aber der Dichter fingt: Hat man viel, so wird man bald Der Rabatt, von dem die Buchhändler so viel Geschrei machen, hat in mancher Beziehung recht viel Ähnlichkeit mit dem Trinkgeld: Dieses ist auch eine alte Institution, die nur eine ziemlich fadenscheinige Grundlage hat. Wer sich darüber informieren will, lese Jherings geistreiche kleine Broschüre über den Gegenstand. Dieser Rechtsgelehrte zeigt, daß der Egoismus es war, der das Trinkgeld in seiner heutigen Gestalt hervorgebracht hat; der Spender wollte da mit einen besonderen Vorteil über seine Nebenmenschen er langen: rasche Bedienung, eine große Portion, einen zug freien Platz und dergleichen. Anfangs wirkt ja das Trink geld so; nach und nach aber wird es nicht mehr Vergütung für außerordentliche Dienstleistungen; sondern es wird auch für die gewöhnlichen Dienste, die eigentlich nicht extra ge lohnt werden sollen, erst erwartet, dann begehrt. Schließlich sammelt es sich als Kapital in den Händen der Zählkellner und Portiers. Dcr Zählkellner eines Wiener Restaurants erhält keinen Lohn vom Wirt; dieser verlangt vielmehr von ihm, daß er die übrigen Kellner besolde, daß er das zer brochene Geschirr ergänze, die Bestecke in Ordnung halte, Tischtücher und Servietten erneure. Und Portiers in großen hauptstädtischen Hotels zahlen Pachtsummen sür ihre Stellen, die zehntausend und mehr Mark betragen können. Ist das schon Wahnsinn, so hat es doch Methode. Der Versuch, durch ein ckouoeur besondere Vorteile zu erlangen, wirkt also auf die Dauer nicht. Wie der Morphiumsüchtige immer größere Gaben des gefährlichen Giftes braucht und sich schließlich zerrüttet, so muß der Trinkgeldspender immer mehr auslegen, will er als Extragast behandelt sein. Genau so ging es auch dem rabattgebenden Sortimenter. Er will erst einen Vorteil über seine Kollegen erlangen, den guten Bllcherkonsumenten, der bald hier, bald dort kaufte, für sich allein haben. Aber die Kollegen wittern diese kurz lebige Maßregel bald; der Pfiffikus kommt nun um seinen Profit und erfährt, daß er sich selbst eine Rute ge bunden hat; denn nun muß er mehr bieten, als die andern; dcr ganze Handel leidet, mehr noch durch die Heimlichkeit als durch die Einbuße am Gewinn. Die Einbuße macht arm; aber die Heimlichkeit korrumpiert. Dcr heimliche Ra batt ist ursprünglich ein Bestechungsvcrsuch, der Preis fiir eine auf auderm Wege kaum zu erreichende Bevorzugung, und als solcher unmoralisch. Übrigens sind die sehr im Irrtum, die meinen, die hohlen Hände würden verschwinden, wenn das Trinkgeld sanktioniert ist. Es erscheint erst als -Service, Bougie, Bedienung« auf der Rechnung; bald aber tritt die Fußnote auf: »Hausknecht und Portier sind nicht inbegriffen-. Hat «2
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