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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 15.01.1904
- Strukturtyp
- Ausgabe
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- 1904-01-15
- Erscheinungsdatum
- 15.01.1904
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- Deutsch
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46k Nichtamtlicher Teil. 11, IL. Januar 1904. erst jeder das Recht, Rabatt zu fordern, so fühlt sich ja der gute Konsument nicht mehr bevorzugt; er wird erst leisere, dann stärkere Andeutung machen, daß es sich wohl für ihn gebiihre, nicht mit dem proks.uum vulgus auf eine Stufe gestellt zu werden. Er wird dies natürlich »anheimstcllen-, ahndet aber die Nichtberiicksichtigung seines latenten Gesuchs. Das Trinkgeld hat eine Tendenz, Abkömmlinge zu erzeugen; ebenso vermehrt sich der Rabatt durch Parthenogcncsis. Dieselbe Entwicklung, die das Trinkgeld durchmacht, vollzieht sich also am Konknrrenzrabatt. Erst gibt man ihn aus freien Stücken, als Herr; später muß man ihn geben, man wird sein Sklave. Das Trinkgeld und der Rabatt machen aus freien Männern Vasallen, Tributpflichtige, und als Tribut wird die Abgabe jetzt von den Gelehrten, von den Bibliothekaren gefordert. Zugleich ist er ein Tribut der Uneinigkeit, der Schwäche; nur Schwächlinge zahlen ihn gerne, und wer ihn resigniert, achselzuckend hingibt, ist schon unterjoch^. Aber wäre es nur das — um dieser Darlegung willen hätten wir die Feder nicht angesetzt. Indes der Rabatt wirkt noch tiefer. Er rodet die besten Blüten unsrer Lite ratur aus. Um Handel und Wandel ist uns wahrlich nicht bange; der nimmt immer neue Formen an, wenn eine Form unlebenskräftig wird. Aber ivas uns verloren zu gehen droht, ist der prachtvolle Reichtum, den die deutsche wissenschaftliche Literatur vor der anderer Völker voraus hat. Und da die Üppigkeit der ernsten Literatur allezeit der sichtbare Ausdruck der Geisteskraft eines Volks gewesen ist, so wäre es doch schade, wenn dieses Primat dem deutschen Volke verloren ginge. Der Wert der wissenschaft lichen Literatur eines Volks kennzeichnet unmittelbar den Stand seiner Intelligenz. Ist es nun richtig, daß das Ge hirn des Menschen vornehmste Waffe, ja die furchtbarste Waffe überhaupt ist, die es gibt, und ist es ferner richtig, daß die Intelligenz eben das Erzeugnis eines geschulten Gehirns ist, so inüßte unser Bestreben vor allen Dingen darauf gerichtet sein, das Gehirn als Universalinstrument des Menschen nach allen Richtungen hin zu drillen. Da dies bei der ungeheuren Vielseitigkeit der menschlichen Ein richtungen durch Schulen selten in ausreichendem Maße ge schieht, so wird die geistige Vorherrschaft des deutschen Volks auf die Dauer nur dann anhaltend sein können, wenn die Schleifsteine des Gehirns, die Bücher, leicht und schnell zu gänglich sind. Diejenigen, die etwa der Meinung sind, daß die deutsche Wissenschaft nicht vor andern den Vorzug verdiene, brauche ich hier nicht zu widerlegen; die Tatsache ist allge mein anerkannt. Zum Überfluß will ich erwähnen, daß der Chemiker W. Ostwald erst vor wenigen Monaten bei einer besondcrn Gelegenheit feststcllte, daß die deutschen Chemiker in der ganzen Welt als die tüchtigsten angesehen werden. (Es war in einem sehr wichtigen Aufsatz über die Not wendigkeit, ein wohlfeiles Verfahren, Stickstoff zu verbrennen, zu finden, um auch künftig Düngemittel und Schießpulver zu haben.) Daß die wissenschaftliche Literatur Deutschlands bisher einen strotzenden Reichtum an geistigem Gehalt habe, brauchte ich deni ernsthaften Teil meiner Leser nicht aus einanderzusetzen. Um aber keine Lücke zu lassen, will ich auf das Urteil ausländischer Fachmänner, die als ernsthaft und unparteiisch angesehen werden, Hinweisen. Auf dem Londoner Verlegerkongrcß im Jahre 1899 wiesen drei von einander unabhängige englische Verleger wissenschaftlicher Literatur aus die deutschen Erzeugnisse hin; alle drei Männer, Macmillan, Nutt und Heinemann, waren der Ansicht, daß Deutschland die Palme gebiihre. Ihre Ansicht fand, obwohl noch eine ganze Anzahl hervorragender Verleger Englands anwesend waren, nicht den leisesten Widerspruch. Nun weiß man ja, daß der Engländer im allgemeinen sehr wenig geneigt ist, das Ausland in irgend einer Beziehung auf Kosten seines eignen Vaterlandes zu loben; ungern und zögernd weist der Engländer ans Schäden hin, die er an seinem Mutterlande bemerkt; aber nur widerwillig und weil es absolut nicht zu leugnen ist, wird er das Ausland loben, wo er sein Vaterland tadeln muß. Ein Mann, der das in Abrede stellen wollte, müßte mit der Zeitungslitcratnr der letzten Jahre unbekannt sein. Wenn es also richtig ist, daß der wissenschaftlichen Lite ratur Deutschlands vor der anderer Länder der Vorrang gebührt, daß sie von einer tropischen Üppigkeit, von einer Mannigfaltigkeit und Vielseitigkeit ist, die man bei andern Völkern vergeblich sucht, so muß dies ganz bestimmte Gründe haben. Diese Gründe können nicht in der politischen Ge schichte der deutsch redenden Völker liegen, denn diese Geschichte ist durchsetzt von tiefgreifenden Verwüstungen, die eine uner meßliche Zahl von Kulturkcimen vernichtet haben. Ich er innere an die Kämpfe des dreißigjährigen Kriegs, wo ganze Städte von der Landkarte verschwanden und eine schreckliche Armut Künste und Wissenschaften ausznrotten drohte; ich erwähne die Kämpfe des großen Kurfürsten, die Kriege Friedrichs des Großen, die Befreiungskriege. Weit weniger tief griffen die Kämpfe in Frankreich und England, sie er schütterten bei weitem nicht so alle Schichten des Volks. Trotz dieser Verheerungen, die dis bildende Kunst in Deutschland fast zur völligen Erschöpfung führte und der poetischen Lite ratur noch gar nicht genügend gekennzeichnete Hemmungen brachte, ist die wissenschaftliche Literatur fort und fort ge diehen, weil sie getragen und gehegt war von einer buch- händlerischen Organisation, auf die auch heute noch jedes auswärtige Volk mit Neid blickt. An der Erhaltung dieser Organisation hat nicht nur der unmittelbar daran Beteiligte ein lebhaftes Interesse, sondern auch die Wächter des deutschen Geisteslebens müßten darauf achten, daß hier nicht ein wichtiges, kräftespendendes Organ des deutschen Volks körpers gelähmt oder halb amputiert werde. Um zu erweisen, daß diese Gefahr droht, sind wir ge nötigt, auf die Lebensbcdingungen des wissenschaftlichen Buchs etwas näher einzugehen. Das wissenschaftliche Buch ist ein Kraftspeicher, oder, weil das Fremdwort hier vielleicht deutlicher ist, dem Akku mulator nahe verwandt. Die geistige Kraft entlädt sich aus dem Gehirn des Gelehrten durch die Federspitze, und das Produkt bildet ein Modell, das, weil es vertausendfacht werden kann, eben diese Kraftäußerung des Gehirns ver tausendfacht. Das Buch hat aber auch dies mit dem Akku mulator gemein, daß seine mögliche Wirkung nur an eine gewisse endliche Zeit gebunden ist. Die in einem Buch ruhende Geisteskraft kann nur dann praktisch wirken, wenn sie innerhalb einer gewissen Frist in Apparate geleitet wird, die die nur gespannte Kraft in wirkende verwandelt. Diese Apparate sind die Lesergehirne. Diejenigen, die mit elek trischen Akkumulatoren zu tun haben, werden wissen, daß ein solcher elektrischer Kraftspeicher am stärksten ist, wenn er unmittelbar nach dem erfolgten Laden zur Wirkung gelangt; steht er eine Weile unbenutzt, so verliert sich schon etwas von der Energie, und wenn er lange unbenutzt bleibt, so gleichen sich die Spannungsunterschiede aus und die auf- gespeicherte kinetische Energie wird wieder latent. Mißt man nun die verschiedenen Spannungen in bestimmten Zwischen räumen und trägt die Ergebnisse in eine Tabelle ein, so er hält man eine abfallende Kurve, die wir als die Kurve der Spannnngsabnahme oder einfach als die Lebenskurve der wirkenden Kraft bezeichnen können. Eine solche Lebenskurve nun ist auch jedem Buche
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