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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 09.05.1910
- Strukturtyp
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- 1910-05-09
- Erscheinungsdatum
- 09.05.1910
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- Deutsch
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5498 Börsenblatt f d. Dtschn. Buchhanvel. Nichtamtlicher Teil. 104, 9. Mai 1910. Nichtamtlicher Teil. Eugen Strien in Halle a. S. Am Donnerstag den 21. April 1910, mittags 1l.r/, Uhr, stand eine stattliche Trauergemcinde an der mit Blumen, den Zeichen der Liebe, geschmückten Bahre des am 18. v. M. verstorbenen Buchhändlers Eugen Strien in der kleinen, fast dörflichen Neumarktkirche zu Halle, um dem Toten die letzten Ehren zu erweisen. — Schlicht und bescheiden, wie er sein ganzes Leben lang gewesen, jedem äußeren Putz, Prunk und Verherrlichung abhold, fand auch die ganz eigenartige Trauer feier statt, die er bis ins kleinste vorgeschrieben hatte. Ging einerseits aus dieser eine tiefe, innere Frömmigkeit hervor, so aber auch eine ganz außerordentliche Bescheidenheit, die ihn den Wunsch hatte äußern lassen, daß keine der üblichen Leichenreden, die so leicht in Lobreden über den Verstorbenen ausarten, an seiner Bahre gehalten werde, sondern nur alle die Bibelworte zur Verlesung kämen, die ihn an markanten Punkten seines Lebens beschäftigt und erbaut hätten. So hörten wir denn seinen Konfirmationsspruch, den Text zu seiner Trau rede, zu den Taufen und zur Konfirmation der Kinder usw. usw. und konnten hieraus das Bild des trefflichen, tiefinnerlichen Menschen zusammenstellen. Der erste Vers des ebenfalls von ihm am Grabe gewünschten Liedes »Ein' feste Burg ist unser Gott» beschloß die Feier, die uns einen treuen Freund, im Buchhandel eine bemerkenswerte Persönlichkeit nahm. Eugen Strien war als zweiter Sohn des Oekonomie- Verwaltungs-Kommtssarius — wohl so etwas wie jetzt Landrat — Strien am 18. August 1846 in Hettstedt geboren, das er bald durch Versetzung des Vaters mit der Lutherstadt Wittenberg vertauschte. Hier aus dem Gymnasium empfing er seine erste Bildung bis zur Konfirmation. Als er elf Jahre alt war, war ihm bereits der Vater und Ernährer gestorben, und seine brave Mutter mußte es sich bei der bei der Jugend des verstorbenen Gatten nur schmalen Pension recht sauer werden lassen, die drei Söhne durchzubringen. Als der älteste Sohn studieren wollte, siedelte dis Familie nach Halle über, wo Verwandte der Mutter wohnten. Hier setzte Eugen Strien auf der 1-atina seine Studien fort, wenn ich recht berichtet bin, bis zur Ober-Prima. Also mit einer für damalige Zeiten ungewöhnlich guten Schulbildung ausgestattet ging er im Jahre 1863 zu Justus Naumanns Buchhandlung in Leipzig in die Lehre, die er dann im Dresdener Hause der Firma beendete. In Dresden hatte ec durch frühere Verbindungen des verstorbenen Vaters mannigfache Familienbeziehungen gefunden, die ihn mit vielen Notabeln der dortigen Geisteswelt zusammensührten. So gehörten auch die Erinnerungen aus der Glanzzeit der Dresdener Hofbühne in den sechziger Jahren zu seinen schönsten. — Das Kriegsjahr 1866 zwang ihn, gleich allen anderen Preußen, das schöne Elbflorenz zu verlassen. Ec nahm aber nicht selbst am Kriege teil, da er nicht über die vorgeschriebenen Körpermaße ver fügte. Während des Krieges betreute er das Anwesen seines Onkels in Halle, der durch die von Böhmen eingeschleppte Cholera sein Leben verloren hatte. — Seine erste Gehilsen- stelle nahm er bei H. Georg in Basel ein. »Der alte Georg», eine der markantesten Persönlichkeiten des damaligen Buch handels, der selbst erst vor einigen Jahren gestorben ist, nahm den jungen, strebsamen und bescheidenen Gehilfen außerordent lich freundlich auf, zog ihn auch außerhalb des Geschäftes an sich heran und machte mit ihm Ausflüge in die nähere und weitere Umgebung, ihm so die Herrlichkeit der Alpenwelt zeigend. Georg war ein sehr tüchtiger Geschäfts mann, er übergab dem jungen Strien, der dem sehr feinen Publikum gegenüber seine in Haus, Schule und Lehr zeit erworbenen reichen Kenntnisse gut verwertete, bald die erste Gehilfenstelle und schenkte ihm feine väterliche Freundschaft. Der Ausbruch des deutsch-französischen Krieges setzte diesem schönen Verhältnis im Juli 1870 ein Ziel. Strien kehrte nach Haufe zurück, wurde aber wiederum nicht zum Militär ausgehoben und konnte sich nur durch Pflege der Verwundeten seinem Vaterlande nützlich machen. Noch vor Beendigung des Krieges trat er die erste Gehilfenstelle in der Hinrichs'schen Buchhandlung in Leipzig an und traf hier — merkwürdiges Schicksal — viele seiner früheren Basler Bekannten, die den Feldzug als französische Frei willige initgefochten hatten, als Kriegsgefangene wieder. Aber noch im Jahre 1871 kaufte er sich die Weber'sche Buchhandlung in Zeitz, die er zunächst unter der alten Firma, seit 15. Mai 1875 aber unter seinem Namen weiterführte. Er erweiterte das Geschäft durch seine unermüdliche Energie und Betriebsamkeit ganz bedeutend und genoß in der Zeitzsr Gesellschaft hierdurch das größte Vertrauen und freundlichste Sympathie. Zwei Momente aus dieser Periode waren ihm als Zeichen des Erfolges seiner rastlosen Tätigkeit stets be sonders wert erschienen: 1. daß ein Leipziger Kommissionär, der für einen Gehilfen eine Stellung suchte, von diesem sagte, »er habe in einem der besten Provinzsortimente» ge lernt — er war sein Lehrling gewesen —, und 2., daß seine Hauswirtin einen solchen Respekt vor seiner Arbeit bekam, daß sie chm die ohnehin bescheidene Ladenmiete »auf die hohe Kante legte» und nach ihrem Ableben vermachte, ein praktischer Sympathiebeweis, der ihm seinerzeit hochwill kommen war. Im Jahre 1877 verheiratete er sich hier in erster Ehe, der zwei Kinder entsprossen, die aber kurz nach der Geburt des zweiten Kindes durch den Tod der geliebten Gattin allzufrüh endigte. Im Jahre 1878 hatte inzwischen der unermüdliche Strien den Verlag von Ludwig Rauh in Berlin aus dem Konkurse erworben und fühlte nun mehr seine Schwingen wachsen. Er sah wohl auch ein, daß die Ausdehnungsfähigkeit seines Geschäfts in Zeitz, begrenzt bleiben müsse und daß er diese Begrenzung wohl schon erreicht habe, und faßte aus diesem Grunde den Plan, nach Halle überzusiedeln. Am 1. Januar 1880 verkaufte er sein Zeitzer Sortiment an Oscar Langenberg und siedelte unter der Firma Eugen Slriens Verlag nach Halle über, das ihm erstensmal zur zweiten Vaterstadt geworden war, in dem aber auch — und das war wohl der hauptsächlichste Beweggrund dieser Wahl seines Wohn sitzes — der beliebteste und von ihm verehrteste Autor seines Verlages lebte, nämlich der Professor der Theologie Willibald Beyschlag. Und dieser sollte auf sein ganzes Leben, Wirken und Fühlen den denkbar größten Einfluß gewinnen. Beyschlag trat zu dem ihm sehr sympathischen, strebsamen jungen Verleger in die allerpersönlichsten Beziehungen, die dadurch noch wesentlich gefördert wurden, daß Strien kurz nach 1884 ein eigenes Haus in der Hermannstraße 29 bezog, in dem Beyschlag tagtäglich, bevor er ins Kolleg ging, mit vorsprach und mit Strien Geschäftliches und ihn Beschäftigendes verhandelte. Diese an sich so milde, abgeklärte Persönlichkeit war der hervorragendste Führer der evangelischen Mittel partei und ein scharfer Kämpfer in dem noch immer währenden Kulturkämpfe, und Strien hat ihm jederzeit seinen Verlag und sich selbst für diese Zwecke zur Verfügung gestellt. Zuvor hatte sich jedoch Strien kurz nach seiner Über siedelung nach Halle im Mai 1880 mit Adolf Kegel zum Erwerbe und Betriebe von I. Frickes Sortimentsbuchhandlung in Halle vereinigt, die sie nach der Alten Promenade ver legten, wo die vereinigten evangelischen Buchhandlungen Flicke und Mühlmann noch jetzt Hausen, war aber durch das
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