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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 31.05.1910
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1910-05-31
- Erscheinungsdatum
- 31.05.1910
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- Deutsch
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^ 122, 31. Mai 1910. Nichtamtlicher Teil. MrsEatt s. d. Mich». Buchhandel. 6481 groß, meist nur S00 Exemplare stark. Dementsprechend ist der Preis sehr hoch, durchschnittlich etwa 20 bis 30 für einen dünnen Band. Kurz, diese Schriften und Bilder sind für Leute bestimmt, die ihren Sinnenreiz mit ästhetischen Empfindungen garniert haben und sich diese Zusammenstellung etwas kosten lassen wollen. Da nun solche Werke nicht in der üblichen Weise verbreitet werden, weil dies Staatsanwalt und Strafrichter geradezu herausfordern hieße, werden sie so angekündigt, daß der Prospekt unmittelbar den vermut lichen Interessenten oder Buchhändlern zugesandt und zu gleich zur Subskription aufgefordert wird. Der Heraus geber — ein eigentlicher Verleger fehlt meist — glaubt die Strafbarkeit dadurch zu vermeiden, daß er dem Werk einen künstlerischen oder kulturgeschichtlichen Anstrich gibt, worauf er im Prospekt natürlich hinweist, sowie da durch, daß er den Kreis der Abnehmer beschränkt. Letzteres geschieht durch den hohen Preis und die geringe Höhe der Auslage, wozu oft noch das Versprechen kommt, keine spätere Neuauflage zu veranstalten; ferner häufig dadurch, daß das Werk nur an Subskribenten abgegeben wird. Da neben finden sich noch mystische Ausdrücke des Heraus gebers, die man im gleichen Sinne deuten mag, z. B. er veranstalte die Ausgabe nur für -seine Freunde» oder als -Privatdruck». Natürlich ist das Ding jedem, der zahlt, alt oder jung, zugänglich. Nun ist ja freilich ein Werk, das nur in wenigen Hunderten von Exemplaren und mit einer gewissen Heim lichkeit verbreitet wird, nicht so gefährlich wie ein solches, das beliebig nach Bedarf hergestellt wird und überall öffentlich ausliegt. Aber was der Auflage des einzelnen Werkes an Anzahl abgeht, das wird reichlich ersetzt durch die große Menge der verschiedenen Schriften und Bildcr- reihen, die man aus dem alten Schlamme hervorzieht, wohin die Verachtung der Jahrhunderte sie gleich den alten Moorleichen versenkt hat. Ferner gelangt dasselbe Exemplar oft durch Weiterverkauf nacheinander in mehrere Hände, und darauf rechnen die Herausgeber eben, denn viele Prospekte weifen darauf hin, daß daß Buch bald vergriffen und dann voraussichtlich der Preis für das antiquarische Exemplar höher sein wird als der Subskriptionspreis. Und was die beschränkte Öffentlichkeit betrifft — nun so pflegt der Porno graphienhandel allgemein im trauten Halbdunkel betrieben zu werden. Endlich dient die gute Form einer Erzählung, die künstlerische Ausführung eines Bildes, auch die feine Aus stattung nicht immer dazu, den geschlechtlichen Reiz eines Werkes abzuschwächen; sondern alles dies wird sogar das Gegenteil be wirken, wenn es ersichtlich in den Dienst der Sinnlichkeit gestellt ist, und das trifft bei jenen Werken immer zu. Es ist also eine schwere Gefährdung der Sittlichkeit, die von jener schmutzigen Flut droht. Sollte das Strafgesetz als Schutz damm dagegen versagen? Fast scheint es, als wenn es den Geschäftsleuten, die den Schmutz der Jahrhunderte in ele ganter Aufmachung zum Markte bringen, gelungen wäre, sich am Gesetz vorbeizudrücken. Und doch genügt ein Teil eines Paragraphen des Strafgesetzbuchs, richtig angcwendet, voll kommen, um diesen Schleichhandel zu vernichten. Nach Z 184 Nr. 1 des Strafgesetzbuchs ist es strafbar, wenn jemand unzüchtige Schriften oder Abbildungen ver kauft oder sonst verbreitet, sie zum Zwecke der Verbreitung ankündigt oder anpreist. Wie sich aus den Worten -oder sonst verbreitet- und -zum Zwecke der Verbreitung» ergibt, genügt es allerdings nicht, wenn der Verkauf nur an wenige, individuell bestimmte Personen geschieht, ebenso die An kündigung oder Anpreisung. Aber es genügt ein größerer Personenkreis, selbst wenn seine Mitglieder individuell bestimmt wären. Diese Voraussetzung ist aber bei dem erwähnten Geschäftsbetrieb durchaus erfüllt. Denn mag Börsenblatt für den Deirtschen Buchhandel. 77. Jahrgang. die Auflage beschränkt sein, mag der Herausgeber sich nur an solche wenden, die er für Interessenten hält oder als seine »Freunde» bezeichnet, mag er das Werk »Privatdruck» benennen und es nur an Subskribenten abgeben: immer wendet er sich an einen nach Hunderten zählenden Personenkreis. Die eigentliche Schwierigkeit liegt aber auch anderswo. Die Art der Verbreitung oder Ankündigung kann nämlich von Bedeutung sein für die Frage, ob die Schrift oder Abbildung unzüchtig ist im Sinne des Gesetzes. Wir unterscheiden absolut und relativ unzüchtige Werke; elftere sind an sich schon unzüchtig, letztere nur unter bestimmten begünstigenden Umständen?) Auch absolut unzüchtige Werke können mitunter diesen Charakter ver lieren, z. B. wenn sie nur an Fachgelehrte, Bibliotheken und zu wissenschaftlichen Zwecken veräußert werden. So liegt die Sache hier aber nicht, denn die Ankündigung ge schieht an jeden Interessenten, der Verkauf an jeden, der subskribiert, an jeden, der sich meldet, »solange der Vorrat reicht». So wird den absolut unzüchtigen Werken, wie den Gesprächen des Aretino, der Philosophie des Marquis de Sade, Beardsleys Illustrationen zur Lysistrata, durch solche Art des Vertriebs der Charakter des Unzüchtigen durchaus nicht genommen. Auch kann keine Rede davon sein, daß die künstlerische Bedeutung derartiger Werke in diesem Sinne wirkt; dazu ist ihre Schamlosigkeit zu groß. Was nun die relativ unzüchtigen Werke anlangt, so werden sie meist bei beschränkter Verbreitung, guter Aus stattung und künstlerischer Ausführung nicht als unzüchtig zu gelten haben. Hierher gehören u. a. auch solche Schriften, die nur einzelne unzüchtige Stellen oder Teile enthalten, wie Boccaccios Decamerone, das Heptameron der Magarete von Navarra, die ergötzlichen Nächte des Straparola* **), die sogenannten »Frauenkomödien« des Aristophanes — alle in deutscher Übersetzung. Bei diesen tritt das Unzüchtige zurück hinter ihre künstlerische Bedeutung im ganzen. Das wird aber sofort anders, sobald durch die Art der Verbreitung und Ankündigung das Unzüchtige hervorgehoben wird; es rückt dadurch in den Schwerpunkt des Werkes und bestimmt seinen Charakter. Und daß so die hier erwähnten Werke sich als unzüchtige darstellen, dafür sorgt der Inhalt der An kündigung. Da wird Lei Aristophanes hervorgehoben, daß er sich freche Späße sexueller Art erlaubt habe, bei Aretino, daß er mit erstaunlicher Naturwahrheit das Leben im Hause einer römischen Kupplerin schildere; kurz, der Kunde wird mit der Nase darauf gestoßen, daß er etwas ganz anderes zu erwarten habe als uninteressante alte Erzählungen. Mit unter wird auch der Prospekt noch durch unanständige Bilder illustriert. Bei solcher Ankündigung tritt die Un züchtigkeit der relativ unzüchtigen Werke hervor, und sie müssen dem Strafrichter verfallen, mögen sie auch noch so klassisch sein. So sind wohl alle jene feineren pornographischen Schriften und Bilder zu fassen, die unter künstlerischer und kulturgeschichtlicher Maske die Sitten unseres Volkes ge fährden und die Seele der Jugend vergiften. Einer Ab änderung unserer Gesetzgebung bedarf es dazu nicht. Die Waffen, die unsere Behörden in der Hand haben, sind scharf genug; es gilt nur, sie kräftig anzuwenden. Das liegt aber auch im wahren Interesse der Literatur und Kunst. Denn ihnen kann nichts Besseres geschehen, als wenn jener elegant ausgestattete Schmutz vernichtet wird, der sich im unlauteren Wettbewerb ihren Namen anmaßt. s Landgerichtsrat a. D. vr. Lazarus, Berlin-Wilmersdorf. *1 Vgl. meine Schrift: Das Unzüchtige und die Kunst S. 83. **) Aber nur wenn die Rahmenerzählung mitgeboten wird, vgl. a. a. O. S. 74, 77. 83«
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