ISS. 25. August 1910. Künftig erscheinende Bücher. Börsenblatt f. d. Dkschn. Buchhanvel. 9617 Verlag für Litteratur und Kunst Albert Langen München In diesen Tagen wird ausgegeben das 15. und 16. Tausend von Lily Braun Memoiren einer Sozialistin Roman. Schrifttitel von Walter Tiemann Geheftet 6 Mark, in Leinen gebunden 7 Mark 50 Pf., in Halbfranz-Liebhabereinband 9 Mark. Das literarische Echo: Daß der Roman als Memoirenwerk und Kulturspiegel einer bekannten Erscheinung unseres öffentlichen Lebens mit seiner Substanz direkter Personalien — welche Schwierigkeiten und Gefahren lagen hier, journalistisch auszugleiten! — auch im besseren Sinne „aktuell" wirkt, brauche ich wohl kaum noch zu erwähnen; genug, daß er trotz seiner fast 700 Seiten und mancher Entbehrlichkeiten auch bei wiederholter Lektüre durch literarische Qualitäten, unabhängig von seinem Bekenntniswert als „Generalbeichte", entschieden zu fesseln vermag. Berliner Tageblatt: In der Offenheit, mit der sie schreibt, kann man das Buch nur mit Rouffeaus Bekenntnissen vergleichen, und besser als aus vielen anderen Schriften lernt man hier treibende Kräfte unserer Zeit verstehen . . . Dieses Seelenleben entfaltet sich vor uns bis in seine letzten Verzweigungen, in seine geheimsten Gänge, bis dahin, wohin selten einem Männerauge ein Eindringen gestattet wird. Berliner Zeitung am Mittag: Das Buch besitzt, abgesehen von der Person der Autorin, einen hohen Wert, der sowohl auf literarischem wie auf zeitgeschichtlichem Gebiete liegt. Die Sprache ist von klassischer Einfachheit und Würde, die Ereignisse werden mit jener gleichmäßigen Ruhe abgewandelt, die an die letzten Darstellungen in Goethes Dichtung und Wahrheit erinnert. Die Welt am Montag: . . . Bei aller Entschlossenheit aber und streitbaren Kämpfernatur ist doch Lily Braun — eine Frau Es blüht und rankt in ihrer Darstellung von Phantasie. Das dichterische Beiwerk, das bei ihr unver- kennbar Vorgänge und Personen drapiert, ist zuweilen so stark, daß die Wirklichkeit davon bedeckt wird. So ist das Buch zwar kein geschichtliches Quellenwerk, wohl aber ein aufrüttelndes Bekenntnisbuch von hohem literarischem Werte. Berliner Lokal-Anzeiger: Ein außergewöhnliches Buch, das in fesselndster Darstellung das Bild eines an tiefen Erschütterungen überreichen Lebens entrollt! Man kann übrigens das Buch, das überaus zahlreiche, hochinteressante Streiflichter auf das politische, gesellschaftliche und geistige Leben der 80er und 90er Jahre wirft, ganz besonders empfehlen als Lektüre für alle, denen die Erziehung junger Menschen obliegt. Frankfurter Zeitung: Das Buch gibt ein Stück aus dem Roman wieder, den man das Leben nennt, und was es zeigt, das ist ein interessantes Kulturbild und ein interessantes Geständnis. Hamburger Fremdenblatt: Es ist ein vorzügliches Kunstwerk, denn seine spannende Entwicklung und seine farben prächtigen Schilderungen hat das Leben selbst diktiert, das vielseitige, gegensatzreiche Leben unserer heutigen Über gangsepoche. And niedergeschrieben hat es eine feinsinnige Künstlerin mit warmem Herzen und klugen, offenen Augen. So ist es beinahe ein Stück Weltgeschichte geworden, die uns in greifbaren Bildern in meisterhafter Weise geschildert wird und die uns durch die Höhen und Tiefen unserer heutigen Gesellschaft führt . . . Badische Landeszeitung: So wird das Buch, das übrigens stilistisch glänzend und so fesselnd geschrieben ist, daß man es beim ersten Durchlesen förmlich verschlingt, zu einem wertvollen Dokument der deutschen Kultur und Geistes geschichte in den 30 Jahren nach dem großen Krieg. Westermanns Monatshefte: Auf das Buch werden wir zurückkommen müssen; für heute nur so viel, daß es ein Rechenschaftsbericht von rücksichtsloser Offenherzigkeit ist, an dem nicht gut jemand vorüber kann, der sich für die schweren Konflikte unsrer Gegenwart interessiert, denn mehr noch als das erstaunliche Resultat fordert die Entwicklung dieses Lebens zu ernstem Nachdenken und Amsichschauen auf. Bezugsbedingungen: In Rechnung mit 25^,, bar mit 30 und 7/6 München, 25. August 1910